Warte bis zum 14ten
… bis dein Kind ein internetfähiges Smartphone bekommt!
Ein Beitrag von Andreas Deibele
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit den Themen „Medien“, „Digitalität“, „Medienkonzepte“ und ähnlichem.
In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder Gespräche mit Eltern geführt, die mir gesagt haben, dass sie ihre pubertierenden Kinder nicht mehr von dem Smartphone wegbekommen. Spiele zocken, chatten … das ist wichtiger als alles andere. „Was kann ich denn da noch machen?“, das war die oft gestellte Frage.
In unserer Schule habe ich in den vergangenen Jahren in der ersten und zweiten Klasse Elternabende veranstaltet, um das Thema „Medien“ frühzeitig anzusprechen. Manches Mal dachte ich, es sei vielleicht besser die Eltern bereits im Kindergarten anzusprechen. Es gelang mir bisher immer, die Eltern ins Gespräch zu bringen, den eigenen Medienkonsum zu reflektieren und daraufhin eine Medienvereinbarung für die Klasse zu vereinbaren. Diese Vereinbarungen hielten im besten Falle bis zur 6. Klasse. Immerhin! Dann waren die Smartphones in der Klasse präsent.
In der Freien Hochschule Stuttgart trafen sich zweimal, im Juni 2017 und März 2018, Lehrer, Eltern, Heilpädagogen, Studierende, Professoren, Medienkundige, um zu überlegen was denn die wichtigen Punkte eines Medienkonzeptes sein könnten. Da fand sich einiges: Elternarbeit in der Unterstufe, Elternarbeit in der Mittel- und Oberstufe, Technische Unterstützung (z.B. Zeitbegrenzungs- oder Filtersoftware), Schutz vor Medienrisiken (z.B. Sucht, Pornografie, Cybermobbing, Cybergrooming, Big Data), Aufklärung über Risiken, Datenschutz, indirekte Medienpädagogik, direkte Medienpädagogik und daraus folgend: aktive Medienarbeit analog und digital, integriert in den Regelunterricht. Es gilt auch zu überlegen welche Konsequenzen das für die Lehrerausbildung hat und wie neue Techniken und Entwicklungen in jedes Lehrerzimmer, in die Konferenzen und in die Elternabende gebracht werden können. Alle diese Punkte sollen eingehüllt und durchwoben sein von der Menschenkunde Rudolf Steiners.
Im November 2019 wurden diese Punkte und noch einiger Inhalt mehr vom Bund der Freien Waldorfschulen in dem Heft „Medienpädagogik an Waldorfschulen – Curriculum – Ausstattung“ herausgebracht und in die Schulen gegeben. Der Herausgabetermin fiel in die Zeit des Digitalpakt Schule. Schulen, welche ein Medienkonzept vorweisen können, haben die Möglichkeit Gelder aus dem Digitalpakt zu erhalten. Hier sollten wir gut reflektieren was der Anlass für ein Medienkonzept an „meiner“ Schule ist: Geht es um ein Konzept für die Kinder, die Schulgemeinschaft oder erarbeiten wir ein Konzept, um Fördergelder zu erlangen?! Das eine schließt das andere nicht aus. Aber was ist wichtiger und dringender?
Seit letztem Jahr mache ich in Marburg eine Ausbildung zum Jugendmedienberater. Diese Ausbildung wird von staatlicher Seite angeboten und ich tauche dort noch einmal ganz verstärkt in die Probleme ein, die Kinder und Jugendliche (in letzter Zeit immer öfter in der eigenen Seele und am eigenen Leib) erfahren. Da ist einiges an Erlebnissen, welche ich hier gar nicht erzählen möchte, weil es einfach zu widerwärtig ist. Diese Probleme beginnen schon in der Grundschule, manchmal schon in der 1. Klasse.
Kinder können aufgrund ihrer intellektuellen, seelischen und geistigen Entwicklung noch gar kein Problembewusstsein für ein internetfähiges Smartphone aufbauen. Die Benutzung eines Smartphones behindert, bzw. verhindert diese wichtigen Entwicklungen (z.B. auf neuronaler Ebene die Entwicklung und den Ausbau des präfrontalen Cortex) aber noch zusätzlich. Kinder stellen Fotos ins Netz oder in Chat-Gruppen, sie tauschen sich mit fremden Menschen aus und geben intime Daten preis. Manche müssen sich mit Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming auseinandersetzen oder bekommen „schlimme“ Bilder gezeigt. Das lastet schwer auf der Seele und ist nicht einfach zu verarbeiten.
Jugendliche sind zwar etwas reifer; aber in der Pubertät ist eine ausgeprägte Risikobereitschaft vorhanden und eine gewisse Unerfahrenheit. Lassen Sie sich nicht täuschen, wenn Jugendliche ein Smartphone hervorragend bedienen können; das können sie alle. Es geht aber darum mit den installierten Apps zurecht zu kommen und da gibt es wiederum große Probleme. Diese Probleme sind z.B. rechtlicher Art. WhatsApp ist ab 16 Jahren (und alle Medienpädagogen, die ich kenne, sagen es ist die schlechteste aller Messenger-Apps [nur der facebook-Messenger sei noch schlimmer]). Kinder und Jugendliche dürften WhatsApp gar nicht benutzen. Und die Eltern, welche die Benutzung erlauben, haften bei Verstößen durch die Kinder eventuell dafür. Gerade über die Messenger wird viel Schlimmes verbreitet: Pornos, Gewalt, Tötungsvideos und anderer „Schrott“ wird da gezeigt oder über Bluetooth gleich geteilt. Einiges davon ist verboten und wird polizeilich verfolgt. Und glauben Sie nicht, dass alles was die Kinder sehen bei ihren Eltern ankommt. Die Furcht verstörende, verletzende Erfahrungen zu erzählen ist bei vielen Jugendlichen so groß, weil das geliebte Smartphone eingezogen werden könnte.
Da bei vielen bei den Jugendlichen beliebten Apps und den meisten Spielen eine Chat-Funktion mit programmiert ist, tummeln sich in diesen Apps viele Pädophile oder Menschen, welche sich um einen Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen, aus den schlimmsten Gründen, bemühen.
Die augenblicklich beste Möglichkeit Kinder und Jugendliche zu schützen, ist sie nicht unbeaufsichtigt an internetfähige Geräte zu lassen. Und seien wir einmal ehrlich, wozu brauchen die Kinder denn die Geräte? Um erreichbar zu sein? Da reicht auch ein Tastenhandy, um anzurufen oder eine SMS zu schreiben. Um den Busfahrplan aufzurufen? Die Zeiten lassen sich auch auf einen Zettel schreiben.
Es gibt viele Gründe, die gegen eine Nutzung von internetfähigen Smartphones in der Hand von Kindern und Jugendlichen sprechen. Ich kenne keinen Grund, welcher dafür spricht!
Ich bin keinesfalls gegen die digitale Technik. Ich bin dagegen, Kinder und Jugendliche mit den digitalen Geräten, vor allem mit dem Smartphone, ALLEINE zu lassen.
Vergleichen wir es mit dem begleiteten Fahren bei dem Auto. In Deutschland gibt es zwei Möglichkeiten in jungen Jahren an den Führerschein zu kommen. Entweder, wie bisher mit 18 Jahren oder von den Eltern, bzw. anderen Erwachsenen über 30 Jahren begleitet, ab 17 Jahren. Und stellen Sie sich vor: die Jugendlichen, welche 1 Jahr lang begleitet fahren, sind zu ca. 25 Prozent weniger in Unfälle und Auffälligkeiten im Straßenverkehr beteiligt (www.bf17.de). Es liegt also nicht nur am Alter ob man verantwortungsbewusst in anspruchsvollen, durchaus gefährlichen, Situationen agiert, sondern ob die jungen Menschen vorbild(lich)-geführt dort hineingeleitet werden.
In den Elternhäusern ist begleitetes digitales Medien-Lernen nur begrenzt bis gar nicht möglich. Das hängt zum einen mit den mangelnden Kenntnissen der Erwachsenen zusammen, andererseits mit der fehlenden Zeit, die Eltern heutzutage mit den Kindern und Jugendlichen zur Verfügung haben. Die Schule wäre ein guter Ort, um Kinder und Jugendliche in die mediale, digitale Welt hineinzuführen. Das Problem ist allerdings, das auch hier noch nicht genügend Medien-Kompetenz bei den Lehrern vorhanden ist und erst aufgebaut werden muss.
Wir leben im Augenblick in einem digitalen „Schwebezustand“ und müssen erst einmal sicheren Boden unter den Füßen bekommen, um Medien-fest und Medien-sicher stehen zu können.
Ich möchte mit der Initiative „Warte bis zum 14ten“ vor allem Eltern Informationen und Hilfen anbieten, um ihre Kinder gesund und möglichst ohne seelische Schäden durch die Kinder- und Jugendzeit zu bringen.
Die amerikanische Kampagne „Wait until 8th“ (www.waituntil8th.org) ist mir ein Vorbild. Damals waren Eltern erzürnt als sie erfuhren, dass z.B. Steve Jobs seinen eigenen Kindern verbot, Smartphones oder Internetspiele vor dem 14. Lebensjahr zu benutzen. Stattdessen legte er großen Wert auf gemeinsames Essen und Gespräche, oder die Familie diskutierte über Bücher.
Mit der Initiative „warte-bis-zum-14ten“ möchte ich Eltern zusammenführen, welche ihre Kinder in einer Klasse haben. Sollten sich mindestens 7 Eltern gefunden haben, welche übereinkommen bis zum 14. Geburtstag ihres Kindes mit einem internetfähigen Smartphone zu warten, nehme ich dieses „Versprechen“ auf und dokumentiere es, allerdings nur sichtbar für diese eine Gruppe. Die Daten bleiben absolut verborgen, werden nicht weitergegeben und sind für andere Menschen nicht einsehbar.
Sinn und Zweck ist es, sich selbst dieses Versprechen zu geben und von anderen Unterstützung zu erfahren. Denn viele Eltern haben ein ungutes Gefühl ihren Kindern ein Smartphone zu geben. Meistens wird dem Wunsch der Kinder nur nachgegeben, weil alle anderen das auch haben. Dem ist aber nicht so. Reden Sie miteinander.
Lassen Sie uns gemeinsam dem (zu) frühen Besitz internetfähiger Geräte entgegenwirken. Ihre Kinder und die Gesellschaft werden es ihnen später danken!
Weitere Informationen finden Sie auf der Seite „www.warte-bis-zum-14ten.de“. Diese Internet-Seite befindet sich im Aufbau. Ich kann noch Hilfe und Unterstützung beim Aufbau der Internet-Seite und dieser Initiative gebrauchen. Melden Sie sich gerne unter „kontakt@warte-bis-zum-14ten.de“.
Auch stehe ich gerne für Elternabende, Gespräche und Vorträge zur Verfügung. Schreiben Sie mich gerne an.