Walter Rinke

Über tausend Berg´ und Hügel
magst du wandern ganz allein.
Hättest gerne starke Flügel,
um bald hier, bald dort zu sein.
Alles Schöne zu besehen,
willst du immer vorwärts gehen
durch die bunte, weite Welt. -
Doch verweile! Bleibe stehen,
wenn dir etwas wohl gefällt.
Mach dich selbst zu einem Spiegel,
lass das Schönste in dir sein:
Tausend Berge, tausend Hügel
schließ in deinem Herzen ein!

 

 

Bäche winden sich im Lauf,
murmeln: "Wach doch endlich auf!"
Blumen wiegen sich im Wind,
flüstern: "Rege dich, mein Kind!"
Sturm und Donner wütend grollen:
"Wirst du wohl erwachen wollen?!"
Doch das Elfenkind bleibt stumm,
dreht sich bloß im Schlaf herum ...
Voller Wonne kommt die Sonne,
hell erstrahlt die dunkle Nacht:
Sieh, nun ist es aufgewacht!

 

 

Es eilt ein Saum von Vogelsang
voraus der Sonne Weltengang;
ein zweiter eilet um die Erde,
verkündend, dass es Abend werde. -
So juble froh, wenn du erwachst,
und gehe jubelnd in die Nacht.

 

 

Der Sonne warmer Lichtesglanz
durchstrahlt die dunkle Erde ganz
und ruft aus Finsternis hervor,
wie Sterne schön, der Blumen Flor.
So soll auch deine Seele sein,
soll strahlen hell im Lichtesschein.

 

 

Schau nur die leuchtende Sonne an:
Sie steiget empor und beschreibt ihre Bahn.
Sie sendet ins Dunkel ihr strahlendes Licht
und duldet Dämmern und Träumen nicht.
Willst du im Sinnen besonnen werden?
Dann zieh mit der Sonne!  Werd  Licht hier auf Erden!

 

 

Wenn morgens die Sonne das Dunkel durchbricht,
erwacht alles Leben, grüßt jubelnd das Licht.
Im Herzen will täglich die Seele erwachen,
sich freudig mit Menschen verbinden und lachen,
will dankbar die Schönheit der Schöpfung erschauen
und Taten vollbringen mit Kraft und Vertrauen!

 

 

Tausend Dinge, die wir um uns sehen,
konnten nur durch Müh' und Fleiß entstehen. -
Tausend Dinge sind noch nicht auf Erden,
wollen erst durch Menschen sichtbar werden. -
Tausend Taten sollst du froh beginnen,
sollst durch frischen Mut sie dir gewinnen!

 

 

Wenn nach der Nacht der Sonne Licht
den Traum verjagt, der Tag anbricht,
dann will ich wach und tüchtig leben,
fest auf der Erde steh'n und streben,
bis mich mein Tun aus eigner Kraft
ganz sicher führt zur Meisterschaft. -

 

 

Durch der Erde leuchtend schöne Weiten
will ich sichren Fußes aufrecht schreiten.
Mit dem Zeitenstrome will ich mich verbinden,
Altes dankbar schauen, Neues suchend finden.
In Raum und Zeit verwurzelt sich mein Leben,
doch will ich auch nach Raumlos-Ewigem streben!

 

 

Manchem gefällt es, im lichthellen Schein
ein glitzernder, plätschernder Quellbach zu sein. -
Doch muss auch die Seele in ruhigem Fluss,
bedächtig, geduldig und ohne Verdruss,
wenn es auch schwer fällt, sich mühevoll plagen,
Mühlen antreiben und Lastschiffe tragen!

 

 

Ein muntres Bächlein schlängelt so
hinab durchs bunte Wiesental,
was hier und dort ist, grüßt es froh,
hüpft jauchzend übern Wasserfall -
doch wird es reif durch Müh´ und Plagen
zum Mühle treiben, Schiffe tragen!

 

 

Das Leben gibt harte Nüsse zu knacken,
doch gibt's auch die Kraft, sie anzupacken!
Zum Lernen gibt es den Verstand,
zur Arbeit die geschickte Hand,
jedoch für Mitleid, Spiel und Scherz
gab Gott das fühlende Menschenherz!

 

 

Stets angepackt mit frischer Kraft,
dann ist das Schwerste bald geschafft!
Wer wirklich will, was er auch kann,
wird stark durch Mut und reift zum Mann!

 

 

Angepackt!
Schlag im Takt!
Du bist deines Glückes Schmied!
Rinnt der Schweiß, so sing ein Lied!

 

 

Wer wirklich strebt und stetig will
mit Ernst und frischem Mut,
der kommt bis an das fernste Ziel. -
Was Mühe macht, wird gut.

 

 

Was ich will - ich wette - kann ich,
wenn das Wollen wird zum Wagen. -
Wär' das Wollen nur ein Möchten,
müsst'  ich an mir selbst verzagen!

 

 

Ich gehe meine grade Bahn
und hüte mich vor krummen Wegen!
Ich pack die Arbeit herzhaft an,
dann liegt auf ihr des Himmels Segen. -

 

 

Im Denken, das wahr ist,
im Fühlen, das klar ist,
im Wollen, das gut ist,
bildet der Mensch sich im Ernst und im Spiele
zum Werkzeug für göttliche Mächte und Ziele!

 

 

Ich suche die Wahrheit - durch Klarheit!
Ich fühle die Kraft - durch Meisterschaft!
Ich lerne die Welt zu lieben - durch Üben!

 

 

Grüßt man das Leben mit heiterem Blick,
strahlt es uns herzliche Freude zurück!
Sucht man den Ernst auch in stillem Bedenken,
wird es zur Freude den Sinn uns noch schenken.

 

 

Was du als Tatenlust in deinem Herzen spürst,
soll deine Glieder zielvoll regen.
Was du als Wort in deinem Munde führst,
sollst du zuvor mit klarem Sinn bewegen.
Geschicklichkeit, Verstand und wahres Wort,
sie stellen sicher dich an jeden Ort!

 

 

Mit Herz und Gliedern, Kopf und Hand,
hat Gott dich in die Welt gesandt.
Im Herzen fühlst du, wer du bist.
Dein Haupt ein klarer Spiegel ist:
Durch ihn erblickst du in der Welt
wie's mit den andern ist bestellt,
die Glieder aber lass auf Erden
für alle Menschen tüchtig werden.

 

 

Wer trägt so stolz und frei das Haupt
und sinnet in die Welt?
Wer ist durch seiner Beine Stand
zum Handeln frei bestellt?
Wer einet stets in Brust und Herz
Gedankensinn und Tatenmut?
Er ist's, der Mensch. Der Mensch sei gut!

 

 

Tausend Rätselwunder zeigt die Erde dir,
doch keins ist herrlicher als dieses hier:
Er hat ein Haupt so frei, mit wachen Sinnen,
was außen ist, das spiegelt sich darinnen ...
es schlägt in ihm ein starkes Herz,
das mehrt die Freude, teilt den Schmerz ...
er regt die Glieder für die Welt
und ist im Dienen zum Herrn bestellt ...
In dir sich dieses Wunder regt:
Es ist es wert, dass man es pflegt!

 

 

Das Herz stellt so mich in die Welt,
dass mir, was gut ist, wohl gefällt.
Der Kopf lässt mich die Welt erkennen,
und jedes Ding beim Namen nennen.
Durch Hand und Fuß find ich die Kraft,
die in der Welt das Gute schafft.
Herz, Sinn und Hand, seid stark auf Erden,
lasst mich im Leben tüchtig werden!

 

 

Augen,  nehmt  die bunte Welt,
Blumen, Sterne, Himmelszelt,
nehmt sie tief in euch hinein,
alle Farbenpracht ist mein!
Alles was die Augen sehen,
soll im Herzen mit mir gehen.
Ist es dort genug geblieben,
wird's zur Kraft, die Welt zu lieben.
Hände, rühret euch nun schnell.
Bleibt nicht liegen auf der Stell'.
Werdet tätig mir im Leben.
Ihr sollt  geben! Immer geben!

 

 

Mein Haupt, im ganzen Tageslauf,
nimmt tausend Dinge in sich auf.
Der Hände Fleiß in allem Streben,
will andren Menschen immer geben.
Mein Herz soll Gut und Böse scheiden,
es suchen oder taktvoll meiden.
Von Kopf bis Fuß bin in die Welt
ich so als Mensch hineingestellt!

 

 

Im Ringen um des Wortes Klarheit
begegnet mir die Kraft der Wahrheit.
Was ich im tiefsten Wesen bin,
das trägt mein Wort zum andern hin;
der schaut durchs Wort in mich hinein
und findet Wahrheit oder Schein!

 

 

Gott gab mir viele gute Gaben,
die will ich für die Arbeit haben.
Um jedes Werk will froh ich ringen
und will es schön zu Ende bringen.
Tut jeder Mensch die Pflichten gern,
dann wird die Welt ein heller Stern.

 

 

Dem Mutigen gab Gott die Welt,
die Meere und das Himmelszelt.
Dem Stillen gab er Herzenskraft,
die im Verborgenen Gutes schafft.

 

 

Schau in die Welt und lern ihr Rätsel kennen!
Horch auf das Herz, es wird die Lösung nennen!
Wer sicher steht, darf große Taten wagen
und darf des Wortes Schwert in stiller Demut tragen!

 

 

Reden ist Silber - Schweigen ist Gold!
Doch am rechten Ort das Rechte fragen,
oder das, was richtig ist, zu sagen,
wird zurecht vom Tüchtigen gewollt.

 

 

Um in der Welt eine Heimat zu finden,
will mit dem Kleinsten ich treu mich verbinden,
täglich mich mühen in freudiger Pflicht,
dann leuchtet im Innern ein göttliches Licht!

 

 

Schau in die Welt
die dir gefällt!
Miss ihre Weiten
in sicherem Schreiten!
Erkenn sie im Sinnen!
Fühle, wie innen
das Herz sie dir weitet,
zu Taten dich leitet!
Wirst im Verbinden
dich selber dann finden ...
Drum schau in die Welt!

 

 

Dem einen liegt's, dem andern nicht,
wie Nachbars Spitz zu bellen;
doch soll man auch sein eignes Licht
nicht untern Scheffel stellen.
Drum darf ein jeder frei es wagen,
was richtig ist, auch laut zu sagen.

 

 

Lustig ist's, wild durch die Weiten zu streifen
und leichter Hand mitten ins Leben zu greifen.
Herrlich erstarken die Muskeln beim Raufen,
der Atem geht tiefer beim stürmischen Laufen...
Doch bleib ich mal stehen und lausche nach innen,
muss ich mich auch auf die Tiefe besinnen:
Leuchtet im Herzen ein Licht in der Stille?
Reift mir zu dienenden Taten mein Wille?

 

 

Schreier und Helden gibt es die Fülle!
Mancher will lauthals den andern regieren;
zuvor aber muss man erst selber sich führen
und ernst sich besinnen in kraftvoller Stille!

 

 

Alles zu seiner Zeit:
Spaß, Schnickschnack, Traumtänzerspiele
machen die Seele weit,
aber des Strebens Kern:
Kraft, Selbstzucht, männliche Ziele,
suche ich gern!

 

 

In eiserner Treue-
Schritt für Schritt -
Üb' ich das Neue,
Müh' mich damit!
Reiß' mich zusammen,
schone mich nicht,
entzünde die Flammen
und schreite ins Licht!

 

 

Schweres zu tragen, reift uns der Wille
verborgen im Herzen und ganz in der Stille.
Um aber Freude im Leben zu finden,
müssen sich Freunde gesellig verbünden.

 

 

Verborgen in Stille
keimet der Wille,
die Welt zu begreifen
und in ihr zu reifen.
Blühendes Leben
will Kräfte mir geben,
ohne Betrüben
die Welt zu lieben.

 

 

Rechter Fuß, linker Fuß,
rechte Hand, linke Hand,
Füße für den festen Stand,
rechte Hand für festen Gruß!
Wird es wohl noch richtig gehen,
wenn wir vor dem Spiegel stehen?
Rechte Hand wird linke Hand,
linker Fuß wird rechter Fuß -
Oh, wo bleibt mir der Verstand,
wenn ich das behalten muss?
Doch es sei hervorgehoben:
Der Kopf bleibt auch im Spiegel oben!

(für ein Kind mit Rechts-Links-Schwäche geschrieben; beim Sprechen durch Gliedmaßenbewegungen begleitet!)

 

 

Es hat des Gottes Schöpferkraft
die ganze Welt so schön gemacht.
Wohin ich schaue, wo ich bin,
hat alles Wohlgestalt und Sinn.
Nun soll in meiner kleinen Welt
auch all mein Tun so wohlbestellt
und mit Bedacht gestaltet sein,
dann wirkt mir Gott ins Herz hinein.

 

 

Kaum hellt sich im Osten die finstere Nacht,
da sind schon die Vögel vom Schlafe erwacht.
Im Lichte regt sich ihr jubelndes Leben,
den Schöpfer zu preisen und Dank ihm zu geben.
Im Süden gipfelt der Sonne Bahn
und spornt uns zu kraftvollen Taten an,
denn tausend Ideen wollen auf Erden
durch unseren Eifer Wirklichkeit werden.
Dann neigt sich im Westen die Sonne zur Nacht,
wir haben stark unsre Werke vollbracht. -
Und schreitet die Sonne verborgen nach Norden,
dann sind wir im Wesen selbst Sonne geworden!

 

 

Um Gottes Schöpfung froh zu preisen,
hat jedes Vöglein seine Jubelweisen.
Auch jedem Tier, das er auf Erden schuf,
gab Gottes Weisheit seinen eignen Ruf.
Nur all die Fischlein ließ der Herrgott stumm,
doch weiß er sicherlich genau, warum.
Allein dem Menschen gab der Herr das Wort -
So tönt das Schöpferwort durch dich noch fort.

 

 

Die schöne Welt zeigt weit und breit
im Licht des Schöpfers Herrlichkeit.
Es neigen tausend Blütenköpfe
im Sonnenschein die bunten Schöpfe. -
Doch schau nur hin, die Blüten streifen
die Blättchen ab, um auszureifen,
denn jedes muss für sich es wagen,
dem Herbst entgegen Frucht zu tragen!

 

 

Für starke Wanderer schuf Gott die Berge -
und schuf die Hügel für die kleinen Zwerge.
Dem einen schuf er Mut für hohe Bäume,
dem andern Blumen für die stillen Träume.
So wunderbar hat Gott die Welt erbaut,
dass jeder stark wird, der auf sie vertraut.

 

 

Gott schuf die Tiere zahm und wild,
den Menschen als sein Ebenbild;
er schuf die Pflanzen und den Stein,
den Sonnen- und den Mondenschein.
Die Schlange schuf Gottvater auch
und warf sie nieder auf den Bauch ...
Nun will ich stark und frei auf Erden
ein Meister dieser Schöpfung werden!

 

 

Gott schuf das Licht, schuf Tag und Nacht.
Im Licht strahlt helle Farbenpracht.
Im Lichte leuchtet Gottes Schein
und dringt in unsre Herzen ein.
Doch auch wenn dunkel wird das Land,
hält Gott es liebend in der Hand
und lässt durch Schatten hier auf Erden,
die Herzen leuchtend heller werden!

 

 

So wie der Schmied das Eisen packt
und es im hellen Feuer glüht,
mit sich'rem Schlag und festem Takt
es formt, dass Funkenregen sprüht,
so will ich meinen eignen Willen
mit Herzenswärme stark erfüllen
und will im hellen Licht auf Erden
zum Schmiede meines Glückes werden.

 

 

Kühn im Wagen zu stehen
und feurige Rosse zu lenken,
war einstmals der Knaben Lust. -
Besonnen durchs Leben zu gehen
in herzlich-wachem Bedenken,
ziert heute des Tüchtigen Brust!

Wie ist die Welt so schön und weit
durch Gottes Wort und Herrlichkeit! -
Und wo die Welt noch dunkel ist,
da wartet sie auf warmes Licht,
das in den Menschenherzen reift,
wenn unser Sinn die Welt begreift!

 

 

In allem, was ich um mich sehe,
in Pflanze, Stein und jedem Tier,
auch wenn in Licht und Luft ich gehe,
begegne stets ich doch nur mir!
Denn was mein Inneres enthält,
ist - ausgebreitet - Gottes Welt!
Willst du dein Leben tief ergründen,
musst du in Mensch und Welt dich finden!

 

 

Es schuf mit weisem Zukunftsblick
der Herr aus göttlichem Geschick
die Bienen und den Bienenfleiß.
Die Ameisen, auf sein Geheiß,
errichten einen großen Staat,
wo Jedes seine Pflichten hat.
Auf deren Beispiel will ich schauen
und meiner eigenen Kraft vertrauen.

 

 

Es schuf der große Weltbaumeister
auf Erden viele Unruhgeister:
Das Espenlaub, das Zittergras,
den Heuschreck, hüpfend und voll Spaß. -
Auch schuf der Herrgott voller Ruh
das Faultier und die sanfte Kuh.
Den Menschen lässt er ganz allein,
kraftvoll sich regend - ruhig sein!

 

 

Dem Stier gab Gott die rohe Kraft,
die, straff gezügelt, Gutes schafft.
Das Reh erschuf er sanft und gut,
dem Löwen gab er Stolz und Mut. -
Kraft, Mut und Güte hab' ich auch!
Ich will sie wacker im Gebrauch
und ernsthaft fest im Zügel haben.
So dank'  ich Gott für seine Gaben!

 

 

Gott lässt die Wellen auf dem Meere brausen,
er heißt den Wind, die Wolken zu zerzausen,
er lässt die Vögel flattern in den Lüften
und lässt das Tier durch Wald und Felder flüchten ...
Den Menschen aber lässt er ganz allein
in Ruhe aufrecht und besonnen sein.

 

 

Gott hat das Licht, hat Tag und Nacht,
hat alle Blumen schön gemacht.
Er gab den Tieren muntres Leben,
ließ jeden Baum zum Lichte streben,
er gab der Welt den festen Grund
und stellte in das Erdenrund
des Menschen Lichtgestalt hinein,
ihr Diener und ihr Herr zu sein.

 

 

Wurzeln sich zur Tiefe winden,
wollen Halt im Boden finden.
Aufrecht wächst der Stamm hervor,
strebt zur Höhe stolz empor.
Äste sich im Raum verzweigen,
dürfen tausend Blätter zeigen ...
Doch in höchsten Luftgefilden
muss der Baum dann Früchte bilden.

 

 

Vom Boden zum Licht in die Höhe gesprossen,
entfaltet die Pflanze die leuchtenden Blüten. -
Der Mensch jedoch reifet, zur Tiefe entschlossen,
sucht schaffend im Innern sein Licht zu behüten!

 

 

Es muss der Pflanze Form von Blatt zu Blatt sich wandeln,
bis wir der Sonne Bild in ihrer Blüte schauen. -
So will ich täglich froh aus neuen Kräften handeln,
zu meines Lebens Zielen reifen im Vertrauen!

 

 

Tausendfacher Blumenreigen
will sich deinem Auge zeigen.
Muntrer Tiere frohes Springen,
flinker Vögel helles Singen
füllt mit Lust das Menschenherz.
Doch auch Müh' und Arbeit haben
ihren Sinn als Gottesgaben...
Eins sind beide: Pflicht und Scherz!

 

 

Aus Wolkentürmen sich ergießt
der Bach, der keck zur Tiefe schießt,
jauchzt schäumend auf die Steine nieder,
sprüht glitzernd nach der Höhe wieder. -
Doch erst durch fester Ufer Halt
erstarkt der Bach zur Stromgestalt!

 

 

Auch der muntere Springquell muss
erst in der Tiefe versinken,
um als Brunnen und Born
vom Erdengeheimnis zu künden!

 

 

Licht ist Liebe,
die uns wird gegeben -
Licht wird Liebe,
wenn wir selbstlos streben -
Ewiges Licht zieht in die Seele ein,
lernt sie in Wahrheit gut und schön zu sein!

 

 

Vom Boden zum Licht in die Höhe zu streben,
entfaltet die Pflanze ihr blühendes Leben,
und keine hemmende Macht dieser Welt
ihrem Streben auf Dauer entgegen sich stellt.
So reift auch in jedem Menschen der strebt,
eine Kraft, die die Seele zur Sonne erhebt!

 

 

Schaue in die weite Welt!
Schau, wie's innen ist bestellt!
Ein Kern in jeder Seele ruht;
der keimet in des Willens Glut
und soll mit herzlichem Bedenken
die Menschenkraft auf Ziele lenken!

 

 

Ein jeder muss den eignen Wert
durch seiner Taten Kraft ergründen,
man kann zugleich den Wert der Welt
selbst nur im stillen Denken finden ...
Doch soll in allem Tun und Denken
vermittelnd Herzenskraft uns lenken!

 

 

Wir finden uns in diese Welt
mit Kopf und Fuß hineingestellt;
jedoch was Kopf und Beine tun
muss in der Kraft des Herzens ruh'n.

 

 

Zwei Dingen sollst du deine Liebe schenken:
Dem rechten Tun und auch dem rechten Denken!
Durchs eine wird das Wohl der Welt bestellt,
durchs andere der Seele Sein erhellt!

 

 

Jeder schmiedet sein Glück allein,
ob er nun Narr oder Held will sein!

 

 

Beides muss man entschieden begründen:
Still selbst sich zu suchen und Freunde zu finden.
Denn nur in der Stille reifet die Kraft,
die muntre Gesellen zu Freunden macht!

 

 

Wer schneller sich will als andere sputen,
verfehlt nicht selten ein menschliches Ziel:
Denn eine Uhr, die in fünfzig Minuten
die Stunde zurücklegt, taugt noch nicht viel!

(Unter Verwendung eines Spruches unbekannter Herkunft)

 

 

Des Menschen Wort kann suchen, finden,
es kann in Liebe sich verbinden,
es kann geheime Fesseln lösen,
kann helfend wehren manchem Bösen. -
Es kann auch schneiden und zerspalten,
es kann zersetzen und erkalten. -
Was du auch sagst - der Seele Spiegel
zerbricht durchs Wort des Herzens Siegel:
Im Wort trittst du aus dir heraus
und sprichst mit ihm dich selber aus!

 

 

Nicht das Knallen ist wichtig auf der Jagd,
sondern vor allem das Zielen!
Wer nach des Lebens Zielen sich fragt,
wird dafür kämpfen, nicht spielen!

 

 

Es senkt in jeder Seele Kern
vom Himmel sich ein heller Stern,
verwurzelt sich in Raum und Zeit
und wächst als Keim der Ewigkeit.
Er reift durch jede Tat auf Erden,
durch Mühen will er heller werden,
um wieder sich, nach langem Streben,
als Stern zum Himmel zu erheben!

 

 

Der Mensch soll im täglichen Schalten und Walten
das Schöne behüten, das Reine erhalten.
will er die Tiefe der Dinge erfahren,
muss er die Kräfte des Staunens bewahren!

 

 

In der Welt ist ernstes Streben,
Jahrmarkt auch an manchen Enden,
Zirkus und verrücktes Treiben ...
Jeder sucht in seinem Leben
seinem Ziel sich zuzuwenden
und mit sich im Lot zu bleiben!

 

 

Im Streben werden ohne Zweifel
wir Ritter zwischen Tod und Teufel,
wenn wir den Augenblick erfassen
und uns nicht träumend treiben lassen!

 

 

Müh' und Plagen werden zu Geschenken,
die uns in des Willens Tiefe lenken.
Leid und Freude lassen uns erwachen,
wollen unsre Herzen stärker machen.
Kümmernisse, die wir überwinden,
lassen uns des Denkens Klarheit finden!

 

 

Wer sich aufmacht, ferne Länder zu entdecken
und es wagt, den Freund im Fremden zu erwecken,
muss oft dornig weite, schwere Wege gehen. -
Doch die Mühe lohnt sich, denn das Nahe, Leichte,
ist in Wirklichkeit im Leben oft das Seichte,
hinter dem wir das, was wert ist, nur nicht sehen!

 

 

Über höchsten Bergesklippen
kreist der Aar mit scharfen Sinnen. -
Auf der Wiese, in der Tiefe,
ruht das Rind und träumt nach innen. -
In der Wüste brüllt der Löwe,
schüttelt stolz der Mähne Pracht. -
Aller Tiere bestes Wesen
sei in dir vereint zur Kraft.

 

 

Dank dir, Adler, für dein hohes, leichtes Kreisen,
kann ich doch in dir der Sinne Freiheit preisen.
Dank dir, Rind, für dein geduldig Wesen,
kann ich doch in dir die Kraft des Dienens lesen.
Dank dir, Löwe, für dein Bild von Kraft und Mut ...
Ihr lebt vereint in mir: In Herz, in Sinn und Blut!

 

 

Sieh - der Adler, voller Ruh,
strebt kreisend  lichten Höhen zu.
Des Menschen Sinnen hier auf Erden
soll wie der Flug des Adlers werden.

 

 

Die kleine Ackerfurchen-Welt
der Käfer für Gebirge hält!
Könnt er sich in die Luft erheben,
als Adler nach der Höhe streben,
dann sähe er ganz unverstellt
die weite, lichtdurchstrahlte Welt
und würde fortan darum ringen,
Adlertaten zu vollbringen!

 

 

Sieh den Adler über Berg und Täler kreisen;
seine scharfen Augen muss man preisen!
Sieh den Löwen in der Wüste Glut;
preisen muss man seinen kühnen Mut!
Sieh den Stier, der unterm Joche schafft;
preisen kann man seine wilde Kraft!
Der Mensch in seiner Seele frei vereint,
was in der Tiere Vielfalt nur erscheint!

 

 

Viel starke Kraft gab Gott dem Stier,
die sich in seinem Nacken regt.
Den schwersten Pflug zieht dieses Tier,
ist ihm das Joch erst aufgelegt. -
Der Adler kreist mit weitem Blick,
ihn hält kein schweres Joch zurück. -
Der Mensch muss, um sein Glück zu finden,
Stierkraft und Adlersinn verbinden!

 

 

Von Zeit zu Zeit darf man vom Tier was haben:
Vom Adler Leichtigkeit und scharfen Blick,
vom Rinde das bedächtige Gebaren,
vom Stier die Kräfte im Genick,
vom Löwen Mut zum kühnen Sprung,
vom Schneck den trägen Vorwärtsgang,
vom Hund die scharfe Witterung,
vom Vogel zwitschernden Gesang ...
Doch muss der Mensch die Fähigkeit ergreifen,
das alles im Bedarfsfall abzustreifen!

 

 

Mit dem ersten Strahl der Sonne
steigt der Adler in die Lüfte,
kreist in Höhen voller Wonne,
späht hinab in Tal und Klüfte. -
Plötzlich stürzt er jäh hernieder,
eine Beute zu ergreifen ...
Breitet seine Schwingen wieder,
um die Schwere abzustreifen!

 

 

In allen Büschen, in leichten Lüften,
flattert es, zwitschert es fröhliche Weisen,
doch im Gebirge, hoch über Klüften,
seh' ich des Adlers kraftvolles Kreisen.
Trotz aller Winde, die aufwärts ihn wehen,
kann in der Tiefe nichts ihm entgehen. -
Schön ist's, ein lustiger Vogel zu sein;
besser, es stellt sich auch Adlerkraft ein!

 

 

Jedes Tierlein auf der Erde,
jedes Kräutlein, jeder Strauch,
jedes Vöglein in den Lüften
und die tausend Fischlein auch,
wollen alle sich verbinden,
eines strebt dem andren zu,
jubelnd Gottes Lob zu künden:
Du und ich! - Ich und du!

 

 

Es leitet mich auf allen Wegen,
des Vatergottes reicher Segen.
Er schuf die Welt aus seinem Wort
und trägt sie liebend fort und fort.
Er trägt auch mich und hilft mir gerne,
dass tüchtig ich und strebend lerne!

 

 

Außer, dass wir selbst verlangen
fordert uns der Geist der Zeit. -
Daseinskreise, die vergangen,
wirken fort in Ewigkeit. -
Griechen gaben Sinn zum Schönen,
Römer Selbstbehauptungsdrang;
doch was wird von uns, den Söhnen,
eingefügt dem Weltengang?
Kraft der Liebe! - Bruderflammen,
die dem Reich des Lichts entstammen!

 

 

Mit plumpem Schritt zum Kampfe trat
der wüste Riese Goliath.
Was nützte ihm die rohe Kraft?
Er wurde doch hinweggerafft!
Mit flinkem Tritt und hellem Kopf,
warf David nach des Riesen Schopf!
Man sieht: das Rohe unterliegt
und wird vom wachen Sinn besiegt!

 

 

Bewundernd seh' ich des Menschen Kraft,
der in der Welt seine Werke erschafft:
Er richtet die Steine und fügt sie zu Wänden,
er bildet das Dach mit geschickten Händen.
Der Bauer führt kraftvoll die Pferde am Zügel
und pflügt seinen Acker im Tal und am Hügel.
Er pflegt seine Tiere im Hof und im Stall ...
Menschenfleiß sehe ich überall!
So will ich selber auch fleißig streben,
dem Schöpfer danken und schaffend leben!

 

 

Dein Haus willst du bauen?
Dem Streben zur Höhe vertrauen?
Lass es dir sagen:
Sollen die Mauern tragen,
härte den Willen wie Stein und Zement,
schaff´ in der Tiefe das Fundament!

 

 

Menschenarbeit, Menschenkraft,
Haus und Brot und Segen schafft.
Für mein Wirken hier auf Erden
will ich stark und tüchtig werden.

 

 

Ich lebe jetzt und sehe staunend an,
was Menschengeist in früh'rer Zeit ersann. -
Ich schaue um mich in des Raumes Weiten:
Es wächst die Lust, mich darin auszubreiten!
Mit jedem Tage will ich wacher leben,
um meines Daseins Ziele anzustreben!

 

 

Manchen alten Brunnen siehst du in der Stadt,
den vor langer Zeit ein Mensch geschaffen hat.
Helles, klares Wasser gießt sich in das Rund,
fließet stets aufs neue frisch aus tiefem Grund.
Darfst dich mit dem Alten ehrfurchtsvoll verbinden,
und dich müh'n das Neue, wo es quillt, zu finden.

 

 

Kannst Architekten und Baumeister fragen,
beide werden es dir wohl sagen:
Soll ein Haus in die Höhe streben,
muss man im Grunde den Halt ihm geben.
Eisen befestigt das Fundament,
hart werden Steine, Sand und Zement. -
Genieße vom Giebel den herrlichen Blick,
doch schau auf gründliche Arbeit zurück!

 

 

Willst ein großes Haus erbauen?
Darfst nicht bis zum Winter warten!
Willst nach deinen Pflanzen schauen?
Tu es gleich in Feld und Garten!
Alles wirst du tüchtig meistern,
kannst du dich nur recht begeistern!
Packe zu, nicht gemuckt!
Kräftig in die Faust gespuckt!

 

 

Feuer, Wasser, Luft und Erde
helfen, dass der Backstein werde;
Menschengeist und Menschenhände
richten auf des Hauses Wände. -
Erde, gib mir starke Glieder,
Wasser, mach die Seele rein,
Luft, weh Gottes Geist hernieder,
Sonne, schein'  ins Haus hinein!

 

 

Reift goldenes Korn auf steinigem Grund,
wird darin der Fleiß des Landmannes kund. -
Der Grund deiner Seele ist fruchtbare Erde,
schaffe, dass reich deine Ernte werde!

 

 

Ihr Kommentar