Rolf Krauss
An Quellen und Orakelstätten
In Baum und Wind, im Fluss und Meer
Erlebten Griechen ihre Götter,
Doch finden wir sie dort nicht mehr.
Es zog der hohe Geist der Sonne
Längst in der Menschen Innres ein.
Jetzt strahlt sein Licht in unsrem Herzen
Und schenk uns liebend neues Sein.
Die tiefste Nacht erhellet
Uns schon der kleinste Stern,
Die Kraft des Lichtes wirket
Und sei sie noch so fern.
Nur eine Flamme wandelt,
All Finsternis und Kält,
Des Geistes Funke rettet
In jedem Herz die Welt.
Edel erscheinet der Griechen
Kunstvolle Kraft und Gestaltung,
Da sie in allem stets suchten
Ausgleich und Harmonie -
Zeugend den späteren Völkern,
Dass wahrhaft des Menschen Bild
Inmitten des Göttlichen ist.
Frei willst du werden, so wähle
Fröhlichen Herzens die Pflicht
Und scheue dich nicht, dich zu beugen
Unter des Schicksals Gesetz,
Denn über den Häuptern der Menschen
Waltet der Götter Beschluss.
Erfüllst du treu deren Willen,
Wirst aufrecht du leben und frei.
Licht - Gestalter des Raumes -
Alles umfließend, alles verwebend
Alles erhellend, alles belebend.
Strahlenden Auges so find ich in mir
Dein Walten und Weben im Dunkel der Seele.
Wie Herakles am Scheideweg,
So stellt sich mir die Frage,
Ob ich des Lebens rechten Steg
Zu gehen wirklich wage.
Wenn all die Mühen ich nicht scheue
Und glaub an meinen Stern,
So weiß ich, dass ich`s nicht bereue
D`rum geh den Weg ich gern.
Nur was dem Boden fest verwurzelt,
Das wird der Schwere auch enthoben
Und von des Lichtes feinem Strahl
Zu höh`rer Sphären Glanz gehoben.
Nur was dem Dunkel ganz entrissen,
Kann reifen süß und voller Duft,
Wollten wir Leid und Schmerzen missen,
Blieb alle Blühen ohne Frucht.
Freudigen Spieles beschenke
Heiteren Mutes die Welt.
Gelassenen Sinnes bedenke,
Was deinem Geiste gefällt.
So schaffst du mit fröhlichem Lachen,
Worum sich andere mühn
Und weißt insgeheim zu entfachen
Dein Herz in liebendem Glühn.
Feurig, so stürmt der Stier
Entfaltend willentlich Kräfte.
Mutig, so wagt der Löwe
Gewaltigen, furchtlosen Sprung.
Hoch über allem, so schwebet
Erhabenen Fluges der Adler.
So strebe des Menschen Geist
Zur Höhe in weiser Erkenntnis.
So stärke des Menschen Herz
Sich in wagendem, tragendem Mut.
So wirke des Menschen Seele
Durch den befeuernden Willen.
Den Gordischen Knoten zerschlug
Alexander ohne zu zögern
Und wurde, wie es geweissagt,
Zu dem Beherrscher ganz Asiens.
So lerne, wer zielvoll will landen,
Wie jener, durch seinen Erzieher,
Tatkraft und klare Gedanken
In weiser Vernunft zu verbinden.
Herrlich ist`s, über die Meere zu fahren
Offenen Blicks für die Wunder der Welt.
Neu zu erleben der Menschen Gebaren,
Sterne zu schauen am himmlischen Zelt.
Frei sich empfinden im Spiele der Wellen
Mit klaren Gedanken und heiterem Blick,
Spüren wie Geister zu uns sich gesellen,
Auf Flügeln dann lächelnd empfängt uns das Glück.
Was ist außen, was ist innen?
Überall spürst im Beginnen
Du das reiche Pflanzenleben
Hin zum Lichte aufwärts streben.
Schönheit ist der Blüten Zier
Schönheit lebt in dir und mir.
Siehst du den Keim dort im Grund:
Schlummernd in erdiger Stille,
Geboren aus göttlichem Mund
Ist er ganz Kraft und ganz Wille!
So auch die menschliche Seele:
Spürt sie des Geistes Erstrahlen,
Erfüllt sie liebend die Pflicht,
Scheuet nicht Mühe noch Qualen
Und strebet beflügelt zum Licht.
Festen Grund auf fester Erde
Fand der Helden starker Fuß.
„Nimmer weich ich, bis ich sterbe,
Bleibe, weil ich will und muss!“
So sprach der Spartaner König
An der Thermophylen Pforte
Und sie kämpften, waren wenig
Standen treu zu ihrem Worte.
Und es fielen tausend Perser
Alleine von des Königs Hand
So erkämpfte Leonidas
Freiheit durch den Widerstand!
Dies ist Geschichte der Menschen:
Taten und Leiden und Mühn!
Begeistert vor göttlichem Eifer
Für Recht und Freiheit erglühn!
Dies ist Geschichte der Menschen:
Zu kämpfen, zu wagen, zu tun!
Zwischen dem Licht und dem Finstern
Zu wählen und niemals zu ruhn!
Im Blütenkelche schaffen Kräfte,
Der Sterne und der Sonne Macht.
Auf zu den Blättern steigen Säfte
Empor aus dunkler Erdenmacht.
Allein im Samen liegt noch ungestaltet
Der Pflanze fruchtendes Geheimnis,
Das wunderbar sich als ein Gleichnis
Wie aus dem Nichts durch Zauberhand entfaltet.
Rhythmus, so lehrt uns der Griechen
Kunstvoll geschaffenes Wesen,
Ist des Lebendigen Rätsel,
Lässt sich lebendig nur lesen.
Rhythmus ist Steigen und Fallen,
Lebendig schwingender Atem,
Rhythmus gestaltet in allen
Weltenbeseelend den Raum.
Frohen Herzens empfindet
Die Schönheit dieser Welt,
Wer sich mit ihr verbindet
Und dankbar sie erhält.
Nur wer sie gut behandelt,
Dem schenkt sie ihre Kraft,
Die Erde wird verwandelt,
Auf der man liebend schafft.
Sprache, welch göttlich Geschenk:
Zu formen der Welten Gepräge,
Zu finden der Wesen Gehalt!
Worte umfassen und wägen
Und geben den Dingen Gestalt!
Was einstmals dunkle Kohle war
Erstrahlt nun rein, kristallenklar.
Was undurchsichtig, ganz verdichtet,
Hat sich geweitet und gelichtet.
So ist dem reinen Diamant
Des Menschen Lebensziel verwandt.
Reinen Herzens will ich vertrauen
Des Schicksals gütigen Mächten.
Es lässt sich im Leben nur bauen,
Was im Empfinden des Rechten
Aus Liebe in Freiheit getan.-
Das andre verwehet der Wind
Und keiner schauet`s mehr an!
Auf des Gedankens geflügelten Schuhen,
Sollst du nicht rasten, sollst du nicht ruhen.-
Ja, mit klaren Gedanken überschreite die Schranken,
Durcheile beflügelt des Geistes Reich.
Wisse Hermes zu danken,
Seine Gabe macht dich dem Gotte gleich!
Kennst du der Fische Geheimnis?
So höre und lerne daraus:
Nicht ist es die eigene Kraft
Die vorwärts ihn schnellen lässt,
Sondern die Kraft der Welle
Weiß er für sich zu verwandeln.
Hinauf trägt der Strom die Forelle
Selbst über die steilsten der Klippen.
So lerne daraus nun das Eine:
Bist du getragen vom Geiste,
Trägt auch das Schicksal sich leicht!
Hephaistos war ein tücht`ger Schmied,
Mit kräft`gem Hammerschlage
Ertönt des Gottes Lied,
Erklinget alle Tage.
Ob Schmuck, ob Werkzeug oder Waffen,
Beständigkeit muss sie erschaffen.
So sei für dich ein jeder Tag
Wie ein gezielter Hammerschlag!
Sieh dort den Pan, wie er tanzet und springet,
Wie seine Flöte gar lieblich erklinget.
Böcklein, sie springen lustig im Kreise
Göttern zur Freude nach himmlischer Weise.
In der Natur, ja da finden sich Klänge,
Sternenbeseelte Zaubergesänge.
Spielst du wie Pan in Freude und Leid,
Findest das Glück du zu jeder Zeit.
Apollons Leier spielend erklingt,
Die wildesten Tiere sein Lied bezwingt.
In goldenen Tönen, wie schimmerndes Licht,
Apollons Weisheit Göttliches spricht.
So schwinden Angst und Furcht dir dahin,
Mit kraftvollem Mut füllt sich dein Sinn.
Es schenket Apollon dir Harmonie,
Die Seele befreit durch die Melodie.
Gute Gedanken öffnen die Schranken,
Helfen zu handeln und ganz zu verwandeln,
Was dunkel und schwer.
Ihr lichtes Denken wird uns beschenken
Und des Herzens liebende Kraft,
Sie lehrt uns vertrauen,
Auf Wahres zu bauen,
Das Rechte zu tun.
Es reichet Athenae, die schützende Göttin
Hilfreich den Helden die rettende Hand.
Es zeiget Athenae, die starke Gefährtin,
Siegreich den Schiffen das sichere Land.
Wer weiß zu gebrauchen seines Geistige Gaben,
Dem schenket die Göttin gar Glück und Verstand.
„Seliger Falter, was gaukelst du
Von Blütenduft zu Blütenduft?“
„Ach, ich finde keine Ruh,
Weil mich des Gottes Schönheit ruft!“
„Ach, lieber, lieber Falter du-
Folg nicht dem Augenblicke,
Sonst flatterst du nur immerzu
Und findest nichts als Stücke.
Wer pflügen will, ja der muss feste fassen,
Die Zügel nicht aus seinen Händen lassen.
Der muss das Land mit festem Blick ergreifen,
Nicht einen Augenblick vom Wege abschweifen.
Kannst du die Kraft im Herzen halten,
Lässt so das Leben sich gestalten.
Bist glücklich du Demeters Sohn,
Bringt tausendfach dir Mühe Lohn!
Schaffe ich fleißig und treu,
Was mir das Leben bereitet
Geh ich durch manche Mühen
Leicht wie von Engeln begleitet.
Siehe, so wächst mir der Mut,
Schweres durch Liebe zu wandeln,
Find ich im Innern die Kraft,
Frei und stets sicher zu handeln.
Wahrhaft edel ist der Mensch,
Der in Gedanken und Gefühlen
Des Gottes Bild zum Ausdruck bringt.
Doch wirklich frei nenn` ich erst jenen,
Dem es im heit`rem Spiel gelingt.
Schritt für Schritt, doch stets voran,
So fängt manche Reise an.
Schön sind zwar die großen Sprünge,
Herrlich auch die weiten Sprünge,
Doch auf Dauer gilt das Eine:
Beständigkeit, so wie ich`s meine,
Führt am schnellsten dich zum Ziel,
Mit kleinen Schritten ist`s ein Spiel.
Besser ist es so zu reisen,
Als seine Kräfte zu verschleißen!
Mit munteren Sprüngen,
In glucksendem Singen
Strömet und fließet
Das Bächlein zu Tal.
Wer spitzt da die Ohren,
Wer blinzelt im Licht?
Doch das Bächlein gar heiter
Springt fröhlich dort weiter
und blickt nicht zurück.
Aus strömendem Fließen
Wird Leben erspießen.
Sich so zu verschenken,
Das nenn` ich Glück!
„ Gefährliche Tiere, die ich verspüre,
Leben in Tiefen, wo sie einst schliefen.
Die Drachen und Schlangen,
Ich will sie gleich fangen,
Sie würgend bezwingen,
Zu Boden sie ringen!“
Du sollst nicht kämpfen
Mit eisernen Waffen,
Sondern mit Klängen der Liebe erschaffen,
Was Böses verwandelt,
Was Dunkles erhellt!“
So singet es Orpheus, der göttliche Held.
Dienst du Apollons strahlendem Licht,
Brauchst du die eisernen Waffen nicht!
Ein jedes Blatt von einem Baum
Ist wie ein kleines Leben
Und doch erfüllt`s den großen Traum
Sich ganz ihm hinzugeben.
So bin auch ich in Gottes Hand,
Bin Blatt und Baum zugleich
Und dies zu wissen, macht mich froh
Und meine Seele reich.
Durch die weiten Wälder schweift der Hirsch
Geweihgeschmückt und stolz das Haupt gereckt
Doch manches edle Wild hat auf der Pirsch
Des Jägers gut geübtes Aug` entdeckt.
Wachsam sein in allen Dingen,
Frei das Haupt in Würde tragen,
Doch zuerst sich selbst bezwingen,
Das heißt wahrhaft Großes wagen.
Ein jedes Tier auf seiner Weise
Ist eins mit der Natur
Und ziehet dort in engem Kreise
Nach seiner Sinne Spur.
Allein der Mensch hat freie Hände
Zu schaffen und zu bauen,
Auf dass sein Schicksal selbst er wende
In göttlichem Vertrauen.