Elea Friedrichs

Naturzeugnissprüche für die Mittelstufe (für die 6. Klasse geschrieben)
 

Geduld des Wanderers

Rennst du nur ungeduldig auf alle Berge zu
bist du der Gipfelsieger und erntest reichlich Ruhm.

Einen größeren Schatz bringt aber
der Wanderer nach Haus‘,
der Wälder, Berge, Fluss und See
beobachtet und belauscht.

Denn nur wer keine Eile kennt,
geht seinen Weg mit wachen Sinnen
und kann mit neugewonnener Kraft
die wahrhaftigen Höhen erklimmen.

 

Der Bergsteiger

Die Gipfel zu besiegen, das ist ein hoher Traum
Da blickt man aus den Wolken und weiß sich nah der Sonn‘.
Der Weg dahin ist steil und es schafft nicht jedermann:
der Ruhm gilt meist demjenigen, den nichts zurückhalten kann.

Noch mehr verehre ich aber, den umsichtigen Wandersmann,
der auf dem Weg den Pflanzen, den Vögeln und den Tieren,
sowie auch seinen Kameraden seine Beachtung schenkt.

Er wird an diesem Tage nicht auf alle Berge geh‘n,
dafür in jeder Blüte und in jedem einzelnen Halm,
die Wunder unserer Erde mit wachen Augen seh‘n
und seinen Weggefährten eine starke Stütze sein.

 

Gesteinsarten

Schichten aus uralten Zeiten,
Lebewesen, Schlamm und Sand
sind unterm See gewachsen,
zu Sandstein, Kalkstein, Schieferton.

In der Schmiede der Gebirge,
durch Hitze, Druck und Zeit
verwandelt sich aus Sediment
Quarzit und Marmor, Schiefer, Gneis.

Unterirdisch wird‘s geschmolzen,
glühend trifft es auf die Luft
und aus dem Erdeninnern
steigt Turmalin, Granit, Basalt.

 

Kohlenstoff

Dicht die Bäume im Neben gehüllt:
Blatt an Blatt, Stamm an Stamm.
Einst lebten hier Titanen
der früheren Pflanzenwelt:
Moose, Algen, Flechten
und Bäume von Riesengestalt.
Doch so wie alles Lebend‘, das seine Zeit erreicht,
versanken sie im Sumpfe und in Vergessenheit.
Und im Verlauf der Jahre kam Schicht auf Schicht dazu,
bis durch Gewicht und Hitze der Wald verwandelt ward.

Doch nichts verschwindet aus der Welt,
nur findet‘s eine neue Form
und wo ein Wald zerfiel
entstand im Schoß der Erde
Gesteine neuer Art:
durchdrungen von Erinnerung
an Feuchtigkeit und frischer Luft,
an Wärme und an Leben.

 

Kohlenstoff (Variante II)

Urwälder von riesiger Gestalt
wuchsen aus dem kahlen Grund,
gediehen in Feuchtigkeit und Wärme,
verwandelten die Luft.
Als die Zeit, die ihnen geschenkt,
dem Ende neigte unerlässlich
versanken sie im Boden,
gerieten in Vergessenheit.

Doch nichts verschwindet aus der Welt,
nur findet‘s eine neue Form
und wo ein Wald zerfiel
entstand im Schoß der Erde
Gesteine neuer Art:
durchdrungen von Erinnerung
an Feuchtigkeit und frische Luft,
an Wärme und an Leben.

 

Granit

Willst du dich verlassen können
auf Ruhe, Gründlichkeit und Tiefe,
so suche nicht nach Diamanten,
Rubinen, glänzend in der Sonn‘.
Farb‘ und Glanz das Aug‘ erfreu‘n,
doch ist es nur ein greller Schein,
denn wahrlich zuverlässige Gefährten
findest du in anderem Gestein:
wo heller Feldspat, glänzend Quarz
und dunkler Glimmer sich vereinen,
hast du den steten Kameraden,
der Jahrmillionen stand wird halten.

 

Ein Ammonit

Unzähligen Lebewesen war die Erde Heim,
bevor der Fuß des Menschen den Boden je berührt‘.

Viele lebten, starben, hinterließen keine Spur,
denn Abdrücke im Sand sind schnell vom Wind verweht.
Auch schwinden bald die Reste eines jeden Tiers.
Füllt sich aber ein Gehäuse, da mögen Mineralien,
die Mühlen der Jahrmillionen beständig überstehen.

So kommt es, dass der Stein enthält
die Spuren vieler Arten, die vor uns hier gelebt:
die Blätter eines Farns, des Tieres Federkleid
die Spirale eines Ammonits, der Fußabdruck in Stein.

 

Bergkristalle

In tiefstem Dunkeln des Berges,
im Schutz der Erde vieler Schichten,
bringt der Stein einen Schatz hervor.

Und kommt er je ans Tageslicht,
so wirst du staunen, welche Vielfalt
an Farb‘ und Form entstehen kann:

Amethyst, Topas und Turmalin
Opal, Baryt, Rubin und Quarz:
die Blüten einer Ewigkeit.

 

Basalt

Blut der Erde steigt hinauf, sucht Wege aus der Tiefe:
es kocht und sprudelt, gießt und sprießt
brodelt und brennt, wächst unaufhörlich weiter.
Erreicht es die Kruste, so erstarrt es im Licht
und aus der lebend‘ Glut
wird feste Form und fixe Farbe:
porös und dunkel, dichte Körner,
aufrechte Säulen, hart gepresst:
der ewige Basalt.

 

Sedimentgestein

Wo früher das Meer sich breitete,
versanken in den Sand
Tausende von Tieren,
mit Gehäusen dicht an dicht.

Zusammengedrückt, gepresst, gehämmert,
formte dort der Amboss der Zeit
die Kathedralen vergangener Welten
hoch getürmt und glänzend weiß.

 

Fossil

Was einst als lebend Fleisch
sich regte, lebte, Atem holte
ist nun zu Stein verhärtet.
Perfekte Form der früheren Gestalt
liegt regungslos in meiner Hand.
Doch nur so ist‘s ihm gewährt,
sein Zeugnis uns zu liefern
und aus der Welt, schon lang vergangen,
des immerwährenden Lebens Botschaft
als Hoffnungszeichen uns zu bringen.

 

Ein Fossil (Variante II)

Was einst als lebend Fleisch
sich regte, lebte, Atem holte
ist nun zu Stein verhärtet.
Perfekte Form der früheren Gestalt
liegt regungslos in meiner Hand
und spricht nur Kraft seines Gewichts
von Jahrmillionen schon durchlebt.
So lang geschlossen in dem Stein,
dass er selbst zu Stein geworden,
ist alles Leben längst verschwunden
aus dem Mineralgehäuse.
Doch nur so ist‘s ihm gewährt,
sein Zeugnis uns zu liefern
und aus der Welt, schon lange vergangen,
des immerwährenden Lebens Botschaft
als Hoffnungszeichen uns zu bringen.

 

Bernstein

Im Schatten des Waldes stieg quickend empor
ein goldener Saft wie der Götter Ichor,
die Tränen des Baumes, sie tropften zur Erd‘,
und schließlich erstarrten im ewigen Kleid.

Der leuchtet wie Gold, wie Honig, wie Kupfer,
und sammelt und leitet geheimnisvoll Kräfte.
Mit tiefdunklen Flecken und glänzendem Schein
liegt in den Wogen der Ostsee der rare Bernstein.

 

Tiere im Bernstein

Ein Tropfen tränengleich
erstarrt aus goldenem Harz,
das aus der Rinde floss.

Verhärtet, versteinert, vergraben
und von den Wellen aufgespült,
erzählt er uns von früheren Welten:
vom Baum, der seine Säfte goss;
von Blättern, Farnen, Flügeln
als Abdruck klar zu seh‘n.

In meinem Herzen sammel‘ ich
Eindruck und Erinnerung,
umschließe sie mit gold‘nem Schein
und nehm‘ sie mit auf meinem Weg,
wenn neue Welten rufen.

 

Tiere im Bernstein (Variante II)

Ein Tropfen tränengleich,
erstarrt aus goldenem Harz,
das aus der Rinde floss.

Verhärtet, versteinert, vergraben
und von den Wellen aufgespült,
erzählt er uns von früheren Welten:
vom Baum, der seine Säfte goss;
von Blättern, Farnen, Moosen
als Abdruck klar zu seh‘n;
von Insekten, deren kurzes Leben
so schnell erloschen ward.
Sie soll‘n nun ewig gefangen sein
im Tropfen aus honigfarbenem Stein.

 

Harz

Im Stamm und Wurzel,
in jedem Zweig und jedem Ast
fließt unaufhörlich Lebenssaft.

Wasser aus dem Grunde
verborgen hinter Rinde
steigt unsichtbar hinauf.
Licht der Sonne wandelt sich
durch Kraft der Blätter viele
in Nahrung für den Baum.

Und tief im Holze sammelt sich
leuchtend‘ Glanz des Sonnenscheins,
tropft in feinen Spuren
den Stamm herab zur Erd‘
und nach unzähligen Jahren
formt des Waldes reinstes Gold.

 

Farnen

Junge Stängel stehen gebückt und halten ihre Köpfe
nach innen gekehrt, geborgen, zur Spirale aufgerollt.
So hüllt der Farn sein größtes Werk im warmen Dunkeln ein
und, inne schauend, wartet auf den passenden Moment.

Bis – zu seiner Zeit – das Geheimnis wird gelichtet:
erst richtet sich nach oben der Stängel stolz und stark,
dann Zweig für Zweig zeigt sich dem Licht,
was Wärme, Nahrung, Lebenswasser
bei dem tief innerlich bewirken,
der selbst die eigene Reifung in eigener Zeit vollzieht.

 

Alte Pflanzen

Welche Pflanzen wuchsen, als zum ersten Mal,
aus dem Boden spross es grün?
Nicht die Fichten, Tannen, Pinien,
nicht die Eiche oder Buche,
nicht die Rose, nicht die Lilie.
Im Urbeginn des Pflanzenlebens
walteten allein die Algen und die Flechten,
Moose, Farne und der Schachtelhalm.
Und gehst mit offenen Augen
du deinen täglichen Weg,
so begegnest du den stillen Boten
aus längst vergangener Zeit.

 

Der Löwenzahn

Auf unfruchtbarer Erde und undurchdringlichem Stein
werden winzige Samen vom Winde verweht
und fallen dorthin, wo kein Kraut je wuchs.

Keine zierliche Pflanze die Prüfung besteht,
doch wie durch ein Wunder beginnt es zu sprießen
und schon blüht hier sonnengleich der zähe Löwenzahn.

 

Löwenzahn (Variante II)

Auf unfruchtbarer Erde und undurchdringlichem Stein
werden winzige Samen vom Winde verweht
und fallen dorthin, wo kein Kraut je wuchs.
Keine zierliche Pflanze die Prüfung besteht,
doch wie durch ein Wunder beginnt es zu sprießen.
erst Keimblätter und Wurzeln, hartnäckiges Grün:
genährt durch die Säfte, die den Stängel durchfließen,
erwachsen Knospen der Hoffnung im grauen Beton
und schon blüht hier sonnengleich der zähe Löwenzahn.

 

Keimende Pflanze

Ein Trieb erscheint, ein erstes Lebenszeichen.
Die Wurzel fein, um Wasser aufzusaugen.
Mit frischer Kraft steigt bald empor
ein Stängel, der sich aufzurichten weiß.

Zwei rundliche Keimblätter zeigen sich dem Licht,
dann Blätter, geformt im Muster der Vergangenheit,
die Licht und Wärme nehmen, verwandeln dann in Kraft;
und die Blüte, aus der der neue Samen bald entsteht,
damit in Gestalt der Ahnen das Leben weitergeht.

 

Die Birke und die Eiche

Die schlanke Birke strebt empor,
streckt sich in die luft‘gen Höhen.
Zarte Zweige tragen Blätter,
so leicht sie tänzeln rasch im Wind
und auch der Stamm bewegt sich rege,
wippt und biegt sich in der Luft.
Der Eiche breite Äste wölben sich zur Kron‘,
dicht an jedem Zweige schmiegen sich Blätter an.
Die Wurzeln greifen tief den Grund,
ein Anker gegen stürmische Winde,
und durch den Stamm, jahrzehntenbreit,
fließt Erdenkraft und Festigkeit.

 

Baumrinde

Zwischen lebendigem Innern und fließender Luft
wächst am Baum die Außenschicht
als Schutz vor Wind und Wetter.
Glatte Rinde hat die Buche,
Rau die Haut des Eichenbaums.
Die Birke trägt ein feines Kleid:
hauchdünn und doch bewährt.

Auch der Mensch braucht eine Grenze
im Austausch mit der Welt.
Die Haut ist nur der eine Teil
von vielen solcher Schichten,
aus denen wir die Hüllen bilden,
die uns unsichtbar schützen.

 

Der Baum

Säst du einen Samen,
entsteht da eine Welt:

Wurzeln, die die Erde halten,
Blätter, die die Luft verwandeln,
Blüten, die die Bienen locken,
Früchte, die die Tiere nähren.

Und mit Geduld und Arbeit,
wird aus dem Keimling zart,
Schutz für Insekten, Tier und Mensch,
ein wahrer Baum des Lebens.

 

Die Wolken

Mal zu Türmen gebaut, mal in Sylphengestalt
ziehen über uns hinüber die Wolkenburgen wild.

Zirruswolke: sanfte Schleier
Zirrokumulus: Wattestreifen
Altokumulus: Schäfchen grasen
mild am hohen Himmelszelt.

Die Kumuluswolke hoch getürmt
bringt starken Regen mit sich mit.
Doch schwebt sie friedlich flach vorüber
ein langer Weg noch vor ihr liegt.

 

Die Alpen

Es rufen mir die Berge aus weiter Ferne zu,
wo Glocken klingen, Wiesen summen,
und freudig grüßen mich der Edelweiß,
das Veilchen und der blaue Enzian.

Lasst uns dahin und wir finden den Weg
über Steine und Äste, Gletschereis und Geröll.
Durch den eisigen Bach und den frisch gefallenen Schnee,
durch Laubwald, dann Tannenwald, zum Berge hinauf.

Versagt einem der Mut, so geben wir uns die Hand,
und mit Lachen und Singen fällt der Weg uns nicht schwer.
Wir genießen gemeinsam den Blick in die Täler,
den Wind in den Haaren und die sternklare Nacht.

Ich könnte immer vorwärts, zum höchsten Gipfel eilen,
aber eine Freude ist es auch, anderen den Weg zu zeigen
und mich im Rhythmus vieler Füße zu bewegen,
als würden uns die Glocken sorglos im Tanze leiten.

 

Der Fluss

Genährt von den Bächen
geschwollen durch Regen
die Stimmen des Wassers
versammeln sich rege
und suchen in Eile, mit dringlicher Kraft,
den Weg in die Tiefe, zur endlosen See.

Der mächtige Strom
durchschneidet den Stein,
mäandert und wandert,
er drängelt sich vorwärts
und lässt niemals nach
bis in ewigem Rauschen
das Meer er erreicht.

Ein einzelner Tropfen hinterlässt keine Spur,
doch unzählige Tropfen zum Strome vereint
formen die Landschaft und das Leben zugleich.

 

Wasserzyklus

Ein Tropfen fällt zur Erde und schwindet in den Grund.
Da frag‘ ich mich, woher der Tropf wohl kam,
wohin er will und wie ich ihn je finden kann.

Das Wasser aus dem Himmel sucht ruhelos seinen Weg:
versickert zwischen Steinen, bis es ans Meer gelangt.
Das Meeresnass verdunstet, steigt unsichtbar hinauf,
wo es im Spiel der Winde wird getragen und gekühlt,
bis schließlich Regen wieder auf die Erde fällt.

Jetzt weiß ich, wo er herkam und wohin er will.
Doch ob ich diesem Tropfen erneut begegnen soll,
das bleibt auf ewige Zeiten ein Geheimnis still.

 

Erde und Sonne

So sicher wie das Drehen der Erde auf ihrer Achse
und das Wachsen und Schwinden des Mondes
Rollt die Zeit unerlässlich weiter.
Willst du sie fangen,
so fließt sie wie feiner Sand der Dünen
wie kühles Meereswasser
durch deine ausgestreckte Hand.

Schaust du aber mit wachem Blick
auf das Jahr, die Monate und den Tag
so lernst du Rhythmen kennen,
die Sonne, Erde, Mond und Sterne
in ewigem Tanz vereinen.

 

Sturmflut

Es schlagen die Wellen,
es brausen die Winde,
die Wogen sie steigen,
der Himmel wird schwarz.

Und stehe ich alleine
so hoch auf dem Deiche,
und fühle mich klein,
so bin ich ein Zeuge
des gewaltigen Schleuderns,
des Gedonners der Götter,
der Gespräche der Welt.

 

Das Schicksal der Erde

Wo einst das Eis der Erde Fläche deckte
erwachsen nun die Blumenwiesen.
Wo einst die Ozeane tobten,
ist nun ein Meer aus trockenem Sand.
Wo einst die Vögel auf einer Insel rasteten,
fließt nun Wasser in stillen Tiefen.
Und wo ein Feuersturm wütet und verwüstet,
kann morgen schon ein neuer Wald erwachsen.

Ein Tag, ein Jahr, ein Menschenleben
vergeht in einem Atemzug der Erde,
die schon so lang bestand und noch bestehen wird.

 

Kreislauf der Erde

Das Wasser tropft nach unten, sucht immer seinen Lauf,
wird von der Sonn‘ erwärmt, verdunstet und steigt auf.

Die Pflanzen und die Tiere verwandeln stets die Luft,
ein Geben und ein Nehmen, das spricht von Bruderschaft.

Der Stein zerfällt, wird fortgetragen und setzt sich andern Ortes an,
lässt sich durch Druck und Wärme umwandeln in neuen Stein.

Denn alles fließt zusammen, ein ewig geflochtenes Band:
in dem sich Leben wandelt, damit Neues entstehen kann.

 

Tropfsteinhöhle

In einsamen Gängen unter der Erde,
weit weg von Sonnenlicht und Leben
entstanden aus sanfter Kraft des Wassers
Gebilde, die kein Mensch je gesichtet.

Tropfen durchschnitten hier den Kalk,
formten immer schmalere Passagen
ins unterirdische Reich.
Und endlos tropft es weiter, Jahrhunderte vergehen.
Stalagmiten steigen, Stalaktiten hängen,
bis ein Palast aus hundert Säulen
die dunkle Höhle füllt.

Die Künste der Menschenvölker blühen und vergehen,
doch das, was keine Hand geformt, bleibt ewiglich bestehen.

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