Christoph Steins
Im Hof der verfallenen Burg
ersteh ich auf kantigem Stiel,
die Blätter gekreuzt und gezahnt,
gewappnet, ein ritterlich Ziel.
Wer achtlos und ohne Respekt
herantritt, und sei es im Scherz,
wer spottet verborgener Kraft,
den straf ich mit brennendem Schmerz.
Doch dem, der mein Wesen erkennt,
wird eiserner Wille zuteil.
Für Toren ein lästiges Kraut,
dem Wissenden Stärkung und Heil.
Zwischen schlanken, hohen Stämmen
scheint die Abendsonne durch den lichten Wald.
Tief in Gedanken such ich meinen Weg
durchs Laub und über Wurzeln–
da macht mein Fuß auf einmal Halt.
Vor mir ausgebreitet liegt aus Moos ein Teppich,
samtig grün und federnd weich.
Wie ein Riese über Waldeskronen beuge ich mich nieder,
schaue aufmerksam dies fremde Reich.
Still betrachte ich der Formen Vielfalt,
filigranes Blattwerk, winzig klein.
Da entdecke ich in diesem Garten reges Leben:
Käfer, Ameisen, zierliche Spinnen,
eifrig eilen sie hinauf, hinunter,
hierhin und dorthin, aus und ein.
Ein Innehalten im bewegten Alltag,
ein Um-sich-schauen, Bücken, Stille-sein
eröffnet mir ganz neue, unbekannte Welten
und läd mich ein, mich daran zu erfreun.
Vom Wind bewegt
wogt sanft das Weizenfeld.
Endlos der Ähren Meer,
das reiche Ernte hält.
Des Schnitters Hand streift
über Halm und Spelt
Bevor der Sichel Schwung
die gold’nen Garben fällt.
Hoch wie ein Baum, doch ohne Zweige,
Grün die Gestalt, doch blätterlos,
Nadeln gezückt, die Haut wie Leder,
Trutzig bewehrt, doch friedfertig;
So steh ich stumm auf dürrer, heißer Erde,
Wart’ mit Geduld, dass ich zur Blume werde.
Noch sind die Nächte kühl,
zum Sommer sehnt die Welt,
breitet der Kirschbaum sich
blattlos ins Himmelszelt.
Wartet mit Ungeduld,
dann, endlich ist’s soweit:
Aus tausend Knospen birst
festliches Hochzeitskleid.
Schon sind die Gäste da,
Bienchen, vom Schlaf erwacht,
runden im Reigentanz
glänzende Blütenpracht.
Auf dem Teiche treiben Blätterinseln,
ledrige Teller glänzen um die Wette.
Mit den Stielen tief im Grund verhaftet,
sind sie wie Boote an der Ankerkette.
Im Tageslicht öffnet die Wasserlilie
majestätisch ihre Blütenglocken:
Weiße Kronen voller spitzer Zacken,
die mit ihrem Duft Libellen locken.
Wird es Abend schließen sich die Kelche.
Überm Wasser tanzen tausend Mücken.
Auf die Blätter klettern glupschend Frösche,
Woll’n uns mit ihrem Nachtkonzert beglücken.
Grünes Kraut am Boden,
lappig, luftig, leicht,
lässt kaum die Wurzel ahnen,
die in die Tiefe reicht.
Doch in der Wurzel birgt es,
was ihm die Sonne gab;
suchst du des Lichtes Feuer,
Dann grab!
Stolz am Wegrand steh ich, mich kennt jedes Kind.
Leuchtend weiße Kerzen im Mai mein Ornament.
Sieben große Finger streck ich in den Wind.
Unter meinem Dache Zeit im Flug verrinnt.
Kommt der Herbst gezogen, will ich gewappnet sein.
Meine schönsten Schätze hüll ich in Stacheln ein.
Doch bin ich ohne Arglist. Was mein ist, ist auch dein.
Reichlich teil ich aus, zur Freud von Groß und Klein.
Starke Wurzel, tief im Grunde,
trägt den Spross hinauf zum Lichte.
Übermütig breiten Blätter
dicht am Boden ihre Spitzen.
Schau, als blätterloser Stängel
schießt ein Schaft hohl in die Höhe.
Strahlend bietet er der Sonne
seine eigne Sonn entgegen.
Doch schon bald verhüllt die Blume
ihre goldnen Blütenblätter.
Im geheimnisvollen Innern
bildet sich die Form des Mondes.
Hoch am Halme schwillt die Kugel,
dehnt sich in des Raumes Weite,
löst sich aus der Erdenschwere,
schwebt davon in tausend Sternen.
Hoch streckt zum Himmel sich
die große Sonnenblume.
Fest hält die Wurzel sie
in dunkler Ackerkrume.
Breit spreiten Blätter grün
sich herzlich hin zum Lichte.
Schon schiebt die Knospe stark
dass sie sich festlich richte.
Rund reicht der Blütenkranz
und wendet sich zur Sonne.
Blüt’ reiht an Blüte sich,
den Bienchen eine Wonne.
Ein Samenkorn fiel leise auf die Erde,
nicht weit von einem wilden Rosenbusch,
der heute, nach dem morgendlichen Schauer,
stolz seine jüngste Knospe präsentiert.
Einst lag es selbst in einer Blütenkapsel,
fest eingeschlossen wuchs es und ward reif.
Dann, eines Tages, riss die welke Hülle,
gab ihre unscheinbaren Schätze preis.
Auf Windes Schwingen ward es fortgetragen,
weit, bis zu diesem Feld; hier liegt es nun
wie tot, doch nein! Im Innern regt sich Leben:
Der Same trägt bereits der künft’gen Blüte Form.
Auf dem Anger mitten im Dorfe
erhebt sich die stattliche Linde,
luftig und leicht; den Vögeln ein freundlicher Hort.
Auf jener Bank unter schützendem Laubdach
sang schon Großmutters Amme dem Säugling
besänftigend Lieder.
Hier trafen sich Männer zu beredtem Rate.
Hierher kamen von weither die Leute,
der weisen Runhild zu lauschen.
Und heute noch lauschen die Kinder
dem sanften Rauschen raunender Blätter,
dem stetigen Summen der Bienen.
Heilsames Öl, woher kommst du?
Aus kleiner, schwarzer Frucht.
Frucht mit dem harten Stein, wo reifst du?
Unter all-grünen Blättern im Sonnenlicht.
Dickhäutig haarige Blätter, worauf wachst ihr?
Knorrig und kurz ist der Stamm der uns trägt.
Steinharter Stamm, wo stehst du?
Auf kargem Grund, wo die Sonne brennt.
Weißt, kleiner Baum, deine Herkunft?
Von kleiner schwarzer Frucht.
Mit dunkelgrünem Dreierblatt
und seinen spitzen Zähnen,
streckt sie vom Boden keck empor,
mag sich Prinzessin wähnen.
Königin Rose nah verwandt,
wie auch dem Apfelbaume,
trägt sie ihr goldnes Krönlein stolz
im Fünfstern-Blütentraume.
Es reift auf ihrem langen Stiel
die kleine Waldlaterne,
trägt ihre Samen auf der Haut,
und jeder mag sie gerne.
Ein wilder Wind hat einst die Kokosnuss geerntet,
wallende Fluten spülten sie ins Meer.
Spielball der Wellen, Opfer ihrer Willkür,
stieß sie der Stürme Laune hin und her.
Den Fischen dünkte sie ein sonderlich Gefährte,
der Hai versuchte sie, doch spie sie wieder aus.
Der Sonne Strahlen sengten ihre feste Schale,
ziellos trieb sie dahin, jahrein, jahraus.
Dann endlich eines Tages warf ein Brecher
die Kokosnuss zurück auf einen Strand.
Das Wasser mag sie nun nicht länger wiegen,
bewegungslos liegt sie im fremden Sand.
Doch unversehens öffnet sich der harte Panzer,
ein kecker Keim gräbt kräftig in den Grund.
Schon streckt ein Stängel sich dem Licht entgegen,
die ersten Blätter streichelt sanft der Wind.
Raschelt im Wetter trockenes Blatt,
klettert Koala hinauf.
Ihm, Eukalyptus, füllet dein Laub
–anderen giftig– den Bauch.
Flimmernde Hitze, sengender Wind,
Feuer! – Am Ende nur Rauch.
Schwarz noch die Erde, Asche der Wald,
Du, Eukalyptus, sprießt auf.
Am Waldrand hast du mich entdeckt,
willst mein Geheimnis lesen?
So schau doch her, ich zeige dir
ganz unverbrämt mein Wesen.
Wo Weiches, Rundes wächst und sprießt,
sich Wassers Kräfte regen;
die dünne, schlanke, spitze Form
streckt sich der Sonn entgegen.
Betrachte aufmerksam die Art
von Stiel und Blatt und Blüte:
am Äußeren, ob zäh, ob zart
erkennst du inn’re Güte.
Auf sand’ger Heide, nah am Bache
steht die Birke, morgenfrisch.
Sie wiegt die Zweige sanft im Winde,
Blätter schillern auf zum Licht.
Ich bin ein Baum, der Luft ergeben,
hell und glänzend, leicht und klar.
Würd’ selber gern ins Blaue fliegen,
doch redlich steh’ ich, wo ich war.
Den Menschen biet’ ich meine Schätze:
Saft, Rinde, Zweige, Blatt und Holz,
für Schuh, Arznei, Gerbstoff und Flöte.
Auf meine Vielfalt bin ich stolz.
Runde Zwiebel, braune Schale,
drunter Blatt an Blatt,
die in ihrem dicken Mantel
Tausend Taschen hat.
Lange mag sie reglos liegen,
fest verschlossen bleibt das Tor,
doch ganz plötzlich, unversehens,
schießt ein Schössling steil empor.
Bildet sich behend die Blüte,
nimmt frisch-frohe Farben an,
sechs im Kelche stehn die Blätter,
Adoremus tulipam.
Der Erde grünes Kleid, es sind die Gräser;
bedecken dicht an dicht gedrängt die weite Flur.
Ein dünner Halm, ein Blatt strebt auf zum Himmel.
Alleine zart und schwach, zum Pfeifen nur.
Doch in der Wiese werden die Einzelnen zur Einheit.
Gemeinsam tragen sie den Fuß von Mensch und Tier.
Sie geben Halt dem windbedrängten Erdreich
und sind dem Auge eine wohltuende Zier.
Empor zum Licht die grünen Flammenzweige!
Der Kiefer Erdenfeuer sehnt nach Sonnenglut.
Ihr hitzig Harz erzeugt das Pech der Fackeln;
es lodert auf mit Rauch und wildem Schein.
Doch läutert es der Atemhauch der Zeit,
erglänzt im Bernstein Licht der Ewigkeit.