Rolf Krauss

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sie finden durch die einzelnen acht Schuljahre hindurch eine Auswahl meiner Zeugnissprüche, die im Laufe der letzten zehn Jahre entstanden sind. Ich habe lange gezögert, sie zu veröffentlichen, da ich immer der Ansicht war, diese seien eigentlich aus der ganz persönlichen Wahrnehmung oder besser gesagt aus pädagogischer Intuition heraus für bestimmte Kinder entstanden und ihnen von mir geschenkt worden und deshalb nur bedingt übertragbar. Vor allem könnte ich die Gründe für die jeweilige Wort- und Rhythmuswahl ebenso wie die gewählten Motive nur sehr begrenzt erläutern, da sie sich zwar oftmals auf behandelte Unterrichtsthemen beziehen und von ihrer Intention her spezielle Eigenschaften oder Fähigkeiten fördern bzw. verändern wollen, doch habe ich die Sprüche stets ohne Vorplanung aus meinem inneren Empfinden heraus geschrieben und zwar in den meisten Fällen recht zügig quasi auf einer fließenden Seelenbewegung heraus.

In ausgiebigen Gesprächen mit befreundeten Kollegen kam ich allmählich zu der Überzeugung, dass es manchen Lehrern wohl doch eine Hilfe sein kann und so stelle ich im Vertrauen auf Ihre eigenen intuitiven Fähigkeiten diese Zeugnissprüche zur freien Verfügung und hoffe, dass es Sie inspirieren möge, auch manches selbst zu schreiben. Sollten Sie glauben, Sie hätten wenig Talent dazu, so vertrauen Sie darauf, dass, wie auch Rudolf Steiner immer wieder betonte, sich vieles aus der liebevollen Hinwendung zu den Kindern entwickeln kann und Sie feststellen werden, dass es mit der Zeit immer besser „fließen“ wird.

Soweit es mir möglich war habe ich die Kinder um Erlaubnis gefragt und sie waren damit einverstanden, dass ihre Sprüche veröffentlicht werden. Diese sind jeweils in bunt gemischter und beliebiger Reihenfolge, wie es einem Basar wohl entspricht, nach Klassen zusammengefasst.

Rolf Krauss

 

Ei, wie ist das junge Fohlen
Noch so wack`lig auf den Beinen
Und es sollte niemand meinen,
Dass es bald schon so behend
Wie der Sturmwind galoppiert.
Deshalb sei von ihm empfohlen,
Will man selber einmal springen,
Soll gar Großes dann gelingen,
Dass ein jeder, der es kennt,
Einfach übt und ausprobiert.

 

 

Schau das flinke Murmeltier,
Kaum ein Pfiff schon ist es hier.
Wachsam steht`s vor seinem Bau,
Merkt sich alles ganz genau.
Fleißig sammelt`s für den Winter
Vorrat ein für Frau und Kinder.
Treu steht es zu seinem Wort
Und bleibt aufmerksam am Ort.

 

 

Einst diente dem Herrn
Mit gar treuem Mut
Der gestiefelte Kater
Im Federhut.
Er scheute sich nicht
Vor großen Taten,
So ist ihm alles bestens geraten.
Den Zauberer besiegte er
Mit Klugheit und List,
So wie jede Katze
Die Maus halt gleich frisst.

 

 

In dem Garten zwischen Hecken
Hundert kleine Augen stecken.
Alles können sie so sehen,
Ob sie`s wirklich auch verstehen?
Darum spricht der alte Weise:
Zwerge, hört und seid schön leise!
Was ihr wisst, das dürft ihr zeigen,
Doch ansonsten sollt ihr schweigen.

 

 

Ei, so schau das Eichhorn droben,
Wie es springt von Ast zu Ast.
Munter sieht man`s spielen, toben,
Einfach tun, was ihm grad passt.
Doch trotz Spaß und wildem Necken,
Dort im grünen Tannenwald,
Sieht man`s vielerlei verstecken,
Denn der Winter, der kommt bald.
Darum muss es fleißig sein,
Will es Not nicht leiden.
Nüsse, Kerne, Sämereien
Sammelt es bei Zeiten.

 

 

Nur vorwärts streben mit aller Macht,
Der Welt entgegen – hei, wie es lacht.
So singen die Stürme, so brauset der Wind,
Wilde Wetter, die zügellos sind.
Doch da steht der Mensch in all seiner Kraft,
Besonnen fügt er, ordnet und schafft.
So setze die Segel mit sicherer Hand,
Trotze dem Sturm und steu`re zum Land.

 

 

Sieh, die schönen Schwalben fliegen
Hoch am Himmel, sonnennah.
Freudig zwitschernd sie umkreisen
Unsichtbare Engelschar.
So mit Leichtigkeit umgeben
Tanzt mein Herz und mein Gefühl
Hin zum Lichte, hin zum Leben
Wie in wunderbarem Spiel.

 

 

Hei, der bunte Schmetterling
Fliegt auf grünen Wiesen.
Wunderbares Flatterding,
Willst du nur genießen?
Nein, so schau, dort sitzt er stille,
Flüstert mit den Blumen leis,
Denn er spürt, in all der Fülle
Lernt nur, wer zu wählen weiß.

 

 

Gut geborgen in der Erde
Liegt der kleine Kirschenkern,
Träumt, dass er einst wachsen werde
Hoch hinauf zu seinem Stern.
Mag er jetzt auch schwach erscheinen,
Großes liegt in ihm verborgen
Und aus ihm, das will ich meinen,
Wird vielleicht ein Baum schon morgen.

 

 

Gehorsam war sie stets gewesen,
Sie fegte reinlich mit dem Besen
Die Stuben alle gründlich aus
Und ordnete das ganze Haus.
Die Betten schüttelte sie fein
Und ließ es draußen tüchtig schnein,
Da sprach Frau Holle sanft zu ihr:
Mein Kind, dies sei dein Lohn dafür!
So kam sie heim als Goldmarie
Und ward beschenkt so wie noch nie.

 

 

Wie schön ist die Blume,
Die leuchtend sich müht,
Zum Lichte zu kommen
Im Wachsen erblüht.
So rein sei mein Streben
In Schönheit und Licht -
Erblühendes Leben,
Ein lachend Gesicht.

 

 

Hei, wie springt der Ball so munter
Trepp hinauf und Trepp hinunter.
Flink, so flitzet die Forelle
Durch des Baches blaue Welle.
Unentwegt ist in Bewegung
Alles Leben voller Regung.
Groß jedoch ist Menschkraft
Die in Ruhe strebt und schafft.

 

 

Es reitet der Prinz mit Schild und Schwert
Zum Dornengeheck auf schneeweißem Pferd.
Ein kräftiger Schlag, ein starker Entschluss,
Das Schloss entzaubert ein einziger Kuss.
Dornröschen erlöste aus tiefem Schlaf
Ein tapferer Prinz, der mutig und brav.

 

 

Still nur – horch! Wir wollen lauschen
Auf der Bäume sanftes Rauschen.
Wenn ein Blatt vom Himmel fällt,
Tanzt mit ihm die ganze Welt.
Zwerge, Elfen, Zauberfeen
Sich im Kreise dazu drehen.
Still nur – horch! Ein leises Singen,
Auch in dir will es erklingen.

 

 

Schau der Sonne schönes Leuchten,
Wie es uns den Tag erhellt,
Alles Wachsen, alles Blühen
Uns vor`s frohe Auge stellt.
So will auch im Herzen drinnen
Strahlend leuchten Gottes Geist,
Seinem Lichte will ich folgen,
Weil`s die Liebe mir verheißt.

 

In Büschen und Bäumen,
An Bergen und Seen,
Dort leben die Elfen,
Die Zwerge und Feen.
Ganz sanft musst du sein
Und von stillem Wesen,
Dann lernst du im Herzen
Die Botschaft zu lesen:
Sei voller Friede, erfreu dich ganz
An Gottes Liebe, an unserem Tanz!

 

 

Hei, wie ein Pferdelein
Will ich laufen und springen
So froh wie die Lerche
Steigen und singen,
Frei wie die Schwalbe
Die Lüfte durchdringen -
Doch hier auf Erden,
Wenn ich es will,
Steh wie ein Baum ich,
Standhaft und still,
Werde zum Felsen, werde zum Stein
Lausche und übe schweigsam zu sein.

 

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