Der großmächtige Gugelhupf
Es war einmal ein geiziger Bauer. Der sagte eines Tages zu seiner Bäuerin: „Hör du! Du sollst mir heut einen Gugelhupf backen. Der muss so groß sein, dass ich dich nicht seh, wenn er mitten auf dem Tisch steht und du mir gegenüber sitzest. Spar die Eier und den Zucker nicht und tu auch gehörig Weinbeeren hinein. Aber merk dir’s, ich will ihn ganz allein essen. Drum tu heimlich und lass niemand etwas sehen.“
Die Bäuerin versprach alles und buk einen großmächtigen Gugelhupf. An dem hätte sich eine siebenköpfige Familie eine Woche lang satt essen können. Ihre Diensten [Dienstboten] schickte sie inzwischen alle fort, dass sie nichts merken sollten. Wie sie nun den Gugelhupf auftrug, sagte der Bauer: „Sitz nieder, damit ich seh, ob der Kuchen so groß ist, wie ich dir’s gesagt hab.“
Sie setzte sich gegenüber und obgleich sie eine große Frau war, konnte der Bauer sie nicht sehen. Da war er’s zufrieden und sagte: „Du hast’s recht gemacht. Hol jetzt ein Messer, dass ich den Gugelhupf anschneiden kann.“ Die Bäuerin ging und blieb eine Weile aus, weil sie das Messer erst schleifen musste. Derweil ging der Duft von dem Kuchen zur Tür hinaus und zog sich heimlich durch das ganze Haus.
Da kam aus dem Stall das Schwein, streckte den Kopf zur Tür herein und grunzte: „Gro, gro! Was schmeckt hier so? Gib mir einen Happen, ich will’s berappen!“ „Fällt mir nicht ein“, sagte der Bauer, „hab selbst kaum genug. Pack dich fort, altes Schwein und lass mich allein!“
Kam die Katze geschlichen, schmiegelte und schmeichelte, buckelte und schnurrte: „Mein Herrlein, hab dich so lieb! Eins, zwei, drei süße Bröckelein gib!“ Doch da half kein Geschmatz und Geschmeichel. Unwirsch sagte der Bauer: „Was fällt dir ein? Der Gugelhupf ist ohnehin viel zu klein. Geh hinaus, falsche Katz, und fang dir ’nen Spatz!“
Da kam der Hund und bellte: „Wuwuwu! Was schmausest denn du? Bin treu auf dem Posten, drum lass mich kosten!“ Sprach der Bauer: „Was fällt dir ein? Geh in die Küche und such dir ein Bein!“
Kam das Huhn und machte „Gagagack! Ich möchte ja nur einen kleinen Zwack!“ Sprach der Bauer: „Pack dich, dumme Henne, und scharr auf der Tenne!“
Inzwischen aber war der süße Kuchenduft bis ins Feld hinausgezogen und hatte die Leute heimgelockt. Frieder, den Knecht, und Meieli, die Magd, und Lenz, den Buben. Und sie kamen in die Stube und schnupperten und machten lange Hälse. Der Bauer aber sagte zornig: „Bildet euch nur ja nichts ein, den Gugelhupf ess ich ganz allein.“
Und jetzt kam auch noch aus seinem Stübchen das alte Mütterchen herein, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rief: „ Ei, welch ein prächtiger Gugelhupf! Da könnte mich auch noch ein Stück gelüsten.“ Aber auch ihr antwortete der Bauer mürrisch: „Was fällt euch ein! Den Gugelhupf ess ich ganz allein! Und wenn jetzt auch noch der Herrgott kommt, so kriegt er auch keine andere Antwort von mir.“
Da gab es mit einem Mal einen Donnerschlag und alle wunderten sich, weil keine einzige Wolke am Himmel stand. Indem kam die Bäuerin und brachte das gewetzt Messer. Der Bauer machte sich daran, den Gugelhupf aufzuschneiden. Aber siehe da, dass Messer ging nicht hindurch, er mochte sich noch so plagen. Alle merkten es jetzt und sahen sich an voll Entsetzen: Der Gugelhupf war zu Stein geworden.
Der Bauer aber blieb selbst jetzt noch in seinem Geiz und sagte: „Und ist der Gugelhupf auch aus Stein, ich ess ihn dennoch ganz allein!“
Und er plagte sich mit dem Schneiden, dass ihm der Schweiss in großen Tropfen auf der Stirn stand. Und wenn er inzwischen nicht gestorben ist, so schneidet er noch heute dran.
Irmgard Prestel