INDIANERSPIEL

Ein Beitrag von Dieter Reiser (Rudolf Steiner Schule Salzburg)

Dieses Indianerspiel war eine Idee von mir, die man sozusagen noch mit der Versionsnummer 0.0.1 beziffern muss. Vieles könnte verändert oder variiert werden. Wir spielten es eine Woche lang und Folgendes lässt sich darüber sagen:

 

PÄDAGOGISHES ZIEL war, die Aufmerksamkeit zu schulen und die Umwelt genau zu beobachten.

MATERIALIEN waren von den Kindern selbst beschnitzte kleine Stöcke (etwa eine Spanne lang), auf welchen die Initialen des jeweiligen Kindes und des "Stammes" (s.u.) vermerkt waren. Jeder "Stamm" besaß zudem noch einen großen "Stammesstock" (etwa eine Elle lang).

TEILNEHMER waren alle Kinder der 7. Klasse und ihr Klassenlehrer (also ich). Die Klasse wurde dazu in 4 "Stämme" aufgeteilt, genannt nach den
Himmelsrichtungen.

AUFGABE war, einerseits den eigenen Stock nicht aus den Augen zu lassen, andererseits möglichst unbemerkt andere Stöcke zu entwenden, bzw. zu finden. Legte also z.B. der Nachbar (Angehöriger eines anderen "Stammes") seinen Stock neben sich, las aber voller Interesse in einem Buch, konnte ihm der Stock unbemerkt entwendet werden. Die Regel dazu lautete: Der heimliche "Räuber" musste auf jeden Fall mindestens 7 Sekunden warten, ob der Besitzer des Stockes etwas bemerkte, erst dann durfte er den Stock als entwendet betrachten. Davor war er widerspruchslos zurückzugeben. Der "Stamm", der am Ende die meisten Stöcke erworben hatte, war Sieger (ein Stock = 1 Punkt, ein Stammesstock = 7 Punkte, der Lehrerstock = 14 Punkte)

Weitere REGELN waren: Die Stöcke sollten jetzt natürlich auch versteckt werden. Dazu musste er in der Hand und nicht unter den Kleidern oder in Taschen usw. transportiert werden. Im Schulhaus galten als Orte nur das eigene Klassenzimmer und die Flure, ansonsten keine Räume. Das Schulgelände wurde zudem noch etwas eingeengt. Der Stock musste in seinem Versteck in einem Abstand von einem Meter deutlich sichtbar sein. Daraus ergab sich, dass man ihn natürlich nicht vergraben durfte. Auch durfte der Stock zu keiner Zeit das Schulgelände verlassen. Alles musste gewaltlos und heimlich geschehen.

ERFAHRUNGEN nach einer Woche Spielzeit: Das Spiel machte den Kindern sehr viel Spaß, aber die Regeln müssen wirklich ernst genommen werden. Ich war noch nicht ganz zufrieden damit, weil die Besitzgier zu groß war. Es müsste vielleicht auch Stöcke geben, die so eine Art "Schwarzer Peter" wären, so dass vielleicht auch ein gewisses Risiko damit verbunden wäre, einen "zufällig" vor der Nase liegenden Stock zu nehmen. In diesem Sinne könnten viele Variationen von diesem Spiel entstehen.

 

 

Hier ein interessanter Zusatz aus dem Buch: Das Dschungelkind. Eine junge Frau, welche die ersten 17 Jahre mit ihren Eltern bei einem bis dahin völlig unbekannten Stamm gelebt hat, schrieb diese Buch. Wenn sie es lesen möchten, können Sie es HIER bestellen, wenn sie den Waldorf-Ideen-Pool unterstützen möchten.

"Die Entscheidung Häuptling Baous sicherte uns absolute Neutralität, keiner der Stämme konnte Papa somit als persönliches Eigentum in Anspruch nehmen oder sonst wie vereinnahmen. Nur so war garantiert, dass es keinen Streit um den weißen Mann geben würde.

Bevor er uns holte, flog Papa noch mehrere Male nach Danau Bira und zurück in den Dschungel, erstens, um das Vertrauen der Fayu in ihn zu stärken, ihre Kultur und Sprache näher kennen zu lernen, und zweitens, um unser neues Haus fertig zu stellen.

Dazu hatte Papa die Hilfe von ein paar Dani-Männern aus Danau Bira in Anspruch genommen. Kurz bevor sie für ihre Rückreise mit dem Hubschrauber abgeholt wurden, hatte einer der Dani sein Buschmesser draußen liegen lassen. Sofort nahm es einer der Fayu-Krieger an sich und stolzierte damit glücklich vor unserem neuen Haus herum. Papa hörte schon den Hubschrauber, als der Dani-Mann zu ihm zurückkam und sich beklagte, dass der Krieger sich weigere, sein Buschmesser herauszugeben. Papa ging nach draußen und versuchte zu vermitteln, doch die Antwort des Fayu war Hau: Nein. Papa wurde langsam ärgerlich, versuchte ihm zu erklären, dass das Messer nicht ihm gehöre, sondern dem Dani-Mann, der jetzt gleich wegfliegen würde und sein Eigentum mit sich nehmen wolle. Doch der Fayu-Mann tanzte vor Papa hin und her und meinte, wenn er das Messer unbedingt haben müsse, solle er es ihm doch wegnehmen. Jetzt war Papa sauer und erzwang die Übergabe ohne weitere Spielchen. Doch als der Hubschrauber weg war, kam der Fayu schnurstracks zu Papa zurück und verlangte ein neues Buschmesser. Papa war durcheinander und holte Nakire, seinen „Berater für Sprache und Kultur“.

„Stimmt es, es denn, dass ich diesem Mann nun ein Buschmesser geben muss?“, fragte er, und Nakire schaute ihn nur erstaunt an: „Was, hat er noch keines bekommen?“ „Aber nein“, antwortete Papa, „es war schließlich nicht sein Messer, warum sollte ich ihm ein neues geben?“ Da erklärte Nakire ihm Folgendes: Wenn jemand einen Gegenstand einfach liegen lässt, ohne ihn zu bewachen, so bedeutet das in der Fayu-Kultur, dass er ihm sehr wenig wert ist und dass derjenige der berechtigte Eigentümer wird, der ihn findet. Und da Papa den Fayu gezwungen hatte, sein neues „Eigentum“ aufzugeben, war er jetzt auch verpflichtet, es ihm zurückzuerstatten.

Ganz schön kompliziert, zumindest für unsereinen. Papa lenkte ein, ging nach draußen und gab dem Fayu-Mann ein neues Buschmesser. Dies war der Anfang eines langen Lernprozesses. Wir alle sollten noch viele Dinge dieser Art zu akzeptieren und umzusetzen haben, denn nun, im Januar 1980, war es endlich so weit: Meine Familie siedelte um zum Stamm der Fayu."

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