Einen Teppich mit Erstklässlern filzen

Ein Beitrag von Christel Dhom (Freie Waldorfschule Otterberg)

Ziel: Gemeinschaftsförderung

In einer neuen ersten Klasse finden sich Kinder aus unterschiedlichen Kindergärten und Familien zusammen. Alle Jungen und Mädchen haben ganz unterschiedliches in ihren ersten Lebensjahren erlebt und vor diesem Hintergrund sollen sie nun eine neue Gemeinschaft bilden, eine Gemeinschaft, die zumindest an einer Waldorfschule 12 Jahre lang Bestand haben soll.

Gerade eine kleine Klasse von 13 Schülerinnen und Schülern bietet pädagogisch ganz andere Möglichkeiten als größere Klassen. Diese Möglichkeiten gilt es zu nutzen und so kam es zu dem Vorhaben, gemeinsam mit allen Kindern einen Teppich filzen zu wollen.

Zunächst haben wir aus naturfarbener Wolle einen Kreis auf einer transparenten Baufolie ausgelegt. Bei dieser Arbeit schauten die Kinder nur zu. Danach bekamen sie in zwei Blautönen ein Wollstück, welches in kleine Wollflöckchen gezupft auf der naturfarbenen Wolle verteilt wurde. Dabei liefen wir alle mal in die eine Richtung, mal in die andere Richtung um den Kreis herum. Das Blau wurde immer dichter, bis von der hellen Wolle nichts mehr zu sehen war. Die luftige Wolldecke war auf eine Höhe von 10- 15 cm angewachsen. Darauf durften nun alle barfuß laufen. Wir stellten uns vor, dass es so wohl sein müsse, wenn Engel über Wolken gingen.

Die trocken gestampfte Wolle wurde mit alten Nylongardinenteilen abgedeckt und mit warmem Seifenwasser begossen. Auch darauf durften dann mal die Buben und mal die Mädchen, mal die mit einem roten Kleidungsstück, mal die mit einem blauen Kleidungsstück laufen, trampeln, schleichen, stampfen, trippeln usw.

Als nächstes wurde die runde Scheibe mit grünem Gras versehen. Auf diesem Gras sollten dann noch Blumen wachsen, Käfer krabbeln, Menschen und Schafe laufen und sogar Schmetterlinge und Störche fliegen. Alle Figuren wurden erst trocken auf die Bank gelegt und dann auf der nassen Wolle platziert. Nachdem die Figuren abermals mit Nylongardinen abgedeckt waren, galt es ganz vorsichtig mit den Händen zu reiben. Die Hände mussten von allen Kindern gut kontrolliert werden, denn ein zu frühes festes Reiben führt nicht zum Gelingen einer Figur. Es musste also sehr fein abgespürt werden, wie fest gerieben werden konnte. Damit die Kinder bei dieser Arbeit nicht nass wurden, schlupften alle in große Mülltüten.

Hatten sich die Figuren mit dem Untergrund verbunden, war es wieder möglich, barfuß die Wolle zu stampfen. Ein imaginärer Ausflug zum Zoo verwandelte diese Arbeit in eine kurzweilige Angelegenheit. Die Kinder hatten Freude über den Teppich zum Zoo zu fahren, um dann als Löwe, Elefant ... darauf zu laufen.

Danach wurde der Teppich gewalkt, da er ja noch fester und stabiler werden sollte. Zusammen mit der Baufolie wickelten wir den Teppich auf eine Röhre und verschnürten alles gut mit zwei Springseilen. Um die doch recht stupide Arbeit des Rollens - einmal mit der Gruppe der Ameisen und einmal mit der Gruppe der Bienen - etwas spannender zu machen, zählten wir bis 25 und wieder zurück auf 1, dann von 25 bis 50. Eine weitere Aufgabenstellung war es, bis 30 zu klopfen, klatschen, stampfen, entweder im Wechsel oder aber hintereinander. In der Tonlage eines Zwerges oder eines Riesen die Zahlen zu sprechen, bereitete die größte Freude.

Zum Schluss wurde unser Teppich, der nun durch das Walken ca. 20% geschrumpft war, in einer Zinkwanne auf dem Pausenhof gründlich ausgewaschen.

Zwei Wochen lang hatten wir täglich 30 - 45 Minuten an unserem Teppich gearbeitet. Es gab viele sehr nette Augenblicke, die sich gar nicht in Worte fassen lassen. Man hätte sie miterleben müssen. Auf Grund zahlreicher Äußerungen, wie zum Beispiel „Schade, dass der Pepe heute nicht da ist, der hätte bestimmt auch gerne eine Blume gemacht", glaube ich, dass dieses eindrückliche gemeinsame Erlebnis von den Kindern nicht mehr vergessen wird. Der Teppich wird die Kinder viele Jahre der weiteren Schulzeit begleiten. Alle Kinder sind stolz, gemeinsam dieses Kunstwerk geschaffen zu haben. Jeder hat seinen Teil zum Ganzen beigetragen und identifiziert sich damit.

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