Der Lebensweg unserer Kleidung
Ein Beitrag zweier Schülerinnen aus der Freien Waldorfschule Ludwigsburg (2013)
Als Thema unsere Jahresarbeit haben wir (Marleen) die „Hintergründe der Bekleidungsindustrie" und (Esther) „Life Cycle Assessment von Kleidung" gewählt. Bearbeitet haben wir diese Themen zwar unabhängig voneinander, zusammengeschlossen beschreiben sie jedoch den Lebensweg eines Kleidungsstückes von der Wiege bis zur Bahre.
Jener Prozess beginnt bei der Herstellung eines Stoffes, nun erläutert am Beispiel Baumwolle: Mit einem Wasserverbrauch von 25.000 Liter Wasser pro Kilo Baumwolle ist der Anbau dieser äußerst wasserintensiv. So kommt es in den Hauptanbaugebieten der Baumwollpflanze zu Versalzung von Böden und Sinken des Grundwasserspiegels. Der Aralsee, das einst viertgrößte Binnengewässer der Erde, hat durch die Bewässerung von Baumwollfeldern 70 Prozent seines Volumens aufgebraucht. Ein weiterer Negativfaktor neben dem enormen Wasserverbrauch ist die Belastung durch Pestizide. Vor allem in mittelgroßen und großen Baumwollplantagen, also in dicht bepflanzten Monokulturen, werden Pestizide zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Da Nützlinge, welche die Würmer, Motten und Käfer fressen würden, in Monokulturen keinen Unterschlupf finden, sterben sie aus. Stattdessen wird gespritzt. Dies hat zur Folge, dass laut Hilfsorganisationen durchschnittlich 77 Menschen am Tag durch die Vergiftung von Pestiziden sterben. Nach der Ernte wird die Baumwolle gewaschen, gekämmt und geglättet, sodass sie spinnfähig ist. Genäht werden 90 Prozent unserer Kleidung heutzutage in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Arbeitsbedingungen dort sind katastrophal: die meist weiblichen Näherinnen bestreiten einen Arbeitstag von 13-16 Stunden an sieben Tagen in der Wochen für umgerechnet ca. 45 Euro im Monat. In den Fabrikhallen wird auf engstem Raum genäht, es ist heiß, staubig und sauberes Trinkwasser ist selten vorhanden.
All diese Arbeitsschritte werden in den unterschiedlichsten Ländern durchgeführt und so tragen wir zum Beispiel mit einer Jeanshose ein Kleidungsstück, das rund 40.000 Kilometer hinter sich gelegt hat und durch die Hände zahlreicher Arbeiter gegangen ist.
Erschreckend ist hierbei, dass die Deutschen jährlich mit durchschnittlich 26 Kilogramm Textilien pro Kopf Weltmeister im Kleidungskonsum sind (zum Vergleich: der weltweite Durchschnittswert pro Person liegt bei 8 Kilogramm!)
Verbunden war meine Jahresarbeit mit dem Selbstversuch, während diesem Zeitraum keinerlei Kleidung zu kaufen, sondern nur selber zu nähen. Dieser Verzicht auf den Klamottenkonsum fiel mir aufgrund meiner Nachforschungen zum Thema unerwartet leicht und so war mein „Bedürfnis" nach neuen Kleidern deutlich gesunken.
Auch für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, kritisch zu konsumieren und Alternativen wie fair hergestellte Kleidung und Secondhand-Läden zu nutzen.
Zu Beginn war das Schreiben der Jahresarbeit für mich noch eher eine Last, gegen Ende dagegen hatte sich mein Interesse und auch meine Einstellung gegenüber dem Thema so gewandelt, dass diese Last kaum mehr vorhanden war. Somit lernte ich also, an einem Thema Interesse zu entwickeln, obwohl ich zu Beginn noch recht unsicher war. Nachdem ich jedoch einmal richtig begonnen hatte, entwickelte sich der Rest ganz von allein. Meine Arbeit nahm langsam Struktur an und während der Recherchen stieß ich immer wieder auf neue Informationen, die mir zu weiterem Schreibstoff dienten. So entstand langsam ein „roter Faden", der mir half, dieses Thema in seiner Gesamtheit zu erfassen und darzustellen.
Marleen, Klasse 13
Wie bereits zu Beginn dieses Berichtes erwähnt, ist das Thema meiner Jahresarbeit der „Life Cycle Assessment von Kleidung" gewesen, also die Beschreibung des Lebenswegs eines Produktes - in diesem Fall Kleidung - von der Wiege bis zur Bahre. Die in meiner Arbeit bearbeiteten Themen des Zyklus, angefangen beim Rohstoff, dessen Anbau, Gewinnung, Weiterverarbeitung, über die Fertigung der Textilprodukte bis hin zum Verkauf - selbstverständlich nicht zu vergessen alle mit sich führenden Folgen, sowohl für die Umwelt als auch für die betroffenen Menschen, sind auch Themen von Mar-leens Jahresarbeit gewesen, so dass ich Ihnen hier nur den Teil des Lebenszyklus näher bringen möchte, welcher darüber hinaus geht, und auch den eigentlichen Schwerpunkt meiner Arbeit ausmachte; das Thema Altkleider.
Altkleider haben ihren Anfang dort wo unser Gebrauch von ihnen endet. Meist landen sie in einem Sack in einem Altkleidercontainer. Wir spenden sie an Arme, Bedürftige, an Menschen in Katastrophengebieten. Doch ist das wirklich so? Oder was geschieht tatsächlich mit unseren Altkleidern nachdem wir sie in einen Container geworfen haben? Zunächst einmal sollte man darauf achten in was für einen Container man seine Altkleider gibt. Unterscheiden sollte man zwischen bekannten karitativen Organisationen, wie zum Beispiel dem DRK und unbekannten (privaten) Unternehmen. Im Endeffekt macht es jedoch keinen Unterschied für den weiteren Weg der Kleider, denn auch für die Container des DRK ist nicht mehr der Wohlfahrtsverband selbst zuständig, sondern ein Weiterverwertungsunternehmen (EFIBA), welches die Altkleider in Sortierbetriebe gibt. Der einzige Unterschied, und auch das einzig wohltätige an der Sache, besteht darin, dass dem DRK 5 Cent pro Kilogramm gezahlt werden, was im Jahr etwa 12 Millionen Euro ausmacht, welche nun für wohltätige Zwecke eingesetzt werden. Dies ist zwar Handeln im karitativen Sinne, jedoch liegt eine Täuschung gegenüber den Spendern vor; ihre vermeintliche Sachspende wird zu einer sehr geringen Geldspende.
Zurück zu den Altkleidern; mit 4000 Tonnen Altkleider und 20000 Paar Schuhen pro Tag betreibt SOEX in Deutschland das weltweit größte Sortierwerk. Von den jährlich ca. 750.000 Tonnen gesammelten Altkleidern sind noch etwa 40% wiederverwertbar und gehen nun nach Afrika und Osteuropa. Jedoch eben nicht als Spende. Afrikanische Händler kaufen die Altkleider für ca. 1,20 €/Kilo, nach Osteuropa wird das Kilo für ca. 3,00 € verkauft. In Osteuropa entstehen durch den Handel mit Altkleidern keine allzu großen Probleme. Doch was ist mit Afrika? Dort beherrschen „Mitumba", wie die Altkleider hier genannt werden, den einheimischen Markt. Die Textilprodukte sind von hoher Qualität und meist gut erhalten, sie entsprechen der westlichen Mode und sind zu dem relativ billig. Auf afrikanischen Mitumbamärkten kostet eine Jeans ca. 10 €, ein T-Shirt ca. 3€. Doch selbst diese „fairen" Preise sind für die Einheimischen immer noch schwer erschwinglich, da hier die meisten mit weniger als 1€ am Tag auskommen müssen. Trotzdem sind die Kleider sehr billig und vor allem auch sehr beliebt. Bis hierher hört sich also doch alles gut an - natürlich abgesehen davon, dass die Kleider nicht gespendet, sondern verkauft werden. Die Betroffenen rechtfertigen die entstandenen Preise durch Sammlung, Sortierung, Transport, Zölle, Verkauf und Änderungsarbeiten, so dass man auch hiergegen eigentlich nichts sagen kann. Vielmehr sind hierdurch sogar viele neue Arbeitsplätze, sowohl in Deutschland als auch in Afrika, geschaffen worden. Auch ist es auf jeden Fall nachhaltig und ökologisch, sowie sozial sinnvoll bereits produzierte Kleidung so lange wie möglich weiter zu verwerten und nicht einfach in den Textilmüll zu geben.
Des Weiteren sind die Menschen auf Afrikas Straßen sehr froh darüber, sich relativ billig mit Kleidung von hoher Qualität einzukleiden. Bis hierher also nur positive Effekte des Altkleider-handels. Wo ist nun das Problem, welches den Altkleiderhandel zu zwiespältig macht? Das Problem liegt in der Zerstörung der einheimischen Textilindustrie. Durch die Billigware „Mitumba" haben die einheimischen Textilfabriken keinerlei Überlebenschance. Die ehemaligen Arbeiter gehören nun der ohnehin schon sehr großen Arbeitslosenrate an. Die Armut steigt immer weiter. Man hindert Entwicklungsländer daran eine eigene Industrie aufzubauen, ohne welche sie wohl ewig Entwicklungsländer bleiben werden.
Meine kurze Zusammenfassung dieses komplexen Themas abschließend, möchte ich noch die bereits angedeutete Problematik des Altkleiderhandels hier in Deutschland aufgreifen; die Transparenz, sowohl von Seiten der karikativen Unternehmen, als auch von Seiten der zuständigen Politiker fehlt eindeutig. Es wird versucht zu „vertuschen", „schönzureden" und auch zu „täuschen". Erfreulicherweise zeigen sich gegenwertig jedoch Besserungen, welche hoffentlich erfolgreich zu Ende geführt werden.
Esther, Klasse 13