Essen ist Heimat

Kochbuch hilft Flüchtlingskindern

Wenn man auf eine Waldorfschule geht, fertigt man in der achten Klasse eine „Jahresarbeit“ an. Dieses Projekt besteht aus einem Thema, welches man praktisch und theoretisch bearbeitet. Das Thema sucht sich der Schüler selbst aus, zum Beispiel den Bau einer Gartenhütte, das Programmieren einer Webseite oder das Verfassen einer Geschichte.

Als ich in der siebten Klasse war, entstand neben unserer Schule ein ´Container-Dorf´ für Flüchtlinge. Unsere Klassenlehrerin sprach mit uns über dieses Thema, konnte uns aber nicht wirklich viel dazu sagen. Kontakt hatte man nicht. Sie waren zwar da, die neuen Nachbarn und überquerten unser Schulgelände, aber sonst bekam man von ihnen nicht viel zu sehen oder zu hören.

Zum Ende des Schuljahres macht ich mir dann immer mehr Gedanken, was für ein Thema ich als Jahresarbeit wählen sollte. Mir fiel lange Zeit gar nichts ein - bis sich die Idee verfestigte, etwas gemeinsam mit den Asylbewerbern von nebenan zu machen. Ich überlegte mir, wie das für sie sein mochte, hier in Deutschland, fern von ihrer Heimat. Sie waren zwar in Sicherheit, doch hier bei uns fehlte ihnen sicherlich das Gefühl von Heimat. Ich machte mir Gedanken darüber, was Heimat für mich ist und was es bedeutet, wenn ich nur mit dem Nötigsten mein Land eiligst verlassen müsste.

Und so kam ich auf das Essen. Klar, jeder liebt das Essen, das die Großmutter oder die Mama für einen kocht: Frikadellen, Schnitzel, Kartoffelsalat oder Streuselkuchen sind für die meisten Deutschen typische Gerichte, die man gleich mit Heimat verbindet. So musste es auch für die Flüchtlinge sein, nur dass sie eben ihre ganz eigenen Gerichte mit dem Gefühl Heimat assoziieren. Und so entschloss ich mich ein Kochbuch zu machen, welches aus den Lieblingsrezepten der Asylbewerber bestehen sollte und das ich selbst gestalten und managen wollte. Damit hatte ich schon mal eine Idee für die Jahresarbeit - jetzt musste ich nur noch Kontakt zu den Flüchtlingen herstellen ...

Zum Glück arbeitet eine Freundin meiner Mutter beim Wiesbadener „Amt für Zuwanderung und Integration – Ausländerbehörde“ und diese arrangierte ein Treffen mit einer irakischen Frau, welche wohl große Lust hatte, an einem solchen Projekt teilzunehmen. Zudem sprach sie wohl gut Englisch, beste Aussichten also! Wir trafen uns kurz darauf mit dieser Frau, mit der ich mich schnell gut verstand. Das Gespräch lief super und ich bekam die ersten Rezepte. Am Ende des Treffens fragte ich, ob sie glaube, noch weitere Leute in dem Heim überzeugen zu können, an dem Projekt teilzunehmen. Sie versicherte mir, dass es kein Problem wäre, mehr Leute zu finden. Sie meinte, dass sie sogar schon welche wüsste, die bestimmt Lust hätten, an dem Projekt teilzunehmen.

Jetzt kam die Sache ins Rollen und ich traf Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Ländern: aus Syrien, Äthiopien, dem Iran und Afghanistan. Wir kauften zusammen in exotischen Läden ein und kochten zusammen bei uns Zuhause. Gleichzeitig konnte ich so Fotos für das Kochbuch machen. Außerdem konnte ich auf diese schmackhafte Art testen, ob die Mengenangaben der Rezepte korrekt waren. Die gesammelten Rezepte und Fotos habe ich mithilfe meiner Tante, die Grafik-Designerin ist, am Computer erst zu einem groben Gerüst und dann immer mehr zu einem Kochbuch entwickelt. So nahm mein Projekt immer konkretere Formen an - inzwischen ist es so gut wie fertig.

Mein Ziel ist es, bis Mitte April 500 Exemplare des Kochbuchs zu veröffentlichen. Dafür nehme ich am Frühlingsmarkt bezahlte Bestellungen entgegen. Das Buch wird dann spätestens Ende April ausgeliefert. Also auf neudeutsch hieße das „Crowdfunding“. Für 10 € pro Buch unterstützen die Sponsoren mein Projekt und dafür gibt es später ein Buch mit leckeren Rezepten. Das damit eingenommene Geld werde ich zu 100% an eine Hilfsorganisation für Flüchtlingskinder stiften. Die Flüchtlinge unterstützen mein Projekt mit großer Anteilnahme und Begeisterung!

Pablo, 8. Klasse, Freie Waldorfschule Wiesbaden

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