Zaunkönig

Der Zaunkönig ist nach dem Winter- und Sommergoldhähnchen der drittkleinste Vogel Europas. Lange Zeit wurde er „Schneekönig" genannt, da er auch im Winter lebhaft singt. In Erzählungen trägt der Zaunkönig den Ruf der Schlauheit und List. Diese Nachrede geht auf eine Fabel des Äsop zurück, nach der die Vögel einst beschlossen, denjenigen von ihnen zum König zu machen, der am höchsten flöge. Dies vermochte der Adler, aber dem Zaunkönig gelang es durch eine List, diesen zu übertreffen. Die Gebrüder Grimm verwandelten diese Fabel zu einem Märchen, was Sie weiter unten lesen können.

 

Aussehen

Der Zaunkönig ist von runder Gestalt mit meist hochgestelltem Schwanz. Der spitze, leicht gebogene Schnabel ist im oberen Teil schwarzbraun und im unteren Teil gelblich gefärbt. Die Iris des Auges ist nussbraun. Das Gefieder an der Oberseite ist rotbraun und an der Unterseite fahlbraun gefärbt. An Schwanz, Flügeln und Flanken befinden sich dunkelbraune Wellenlinien. Männchen und Weibchen sehen gleich aus. Die Füße sind fleischfarben bis bräunlich. Zaunkönige haben eine Körperlänge von 9,5 bis 11 Zentimetern. Das Körpergewicht liegt meist zwischen 7,5 und 11 Gramm.

 

Lebensraum

Der Zaunkönig lebt in Büschen, Hecken und im Dickicht von Wäldern, Gärten und Parks. Bei entsprechendem Angebot an Schlupfwinkeln ist er in der offenen Kulturlandschaft anzutreffen. Zu seinen bevorzugten Lebensräumen zählen Bachauen mit freigespültem Wurzelwerk und Schling- und Kletterpflanzen sowie unterholzreiche Wälder und Feldgehölze. Er besiedelt oft auch Gebiete in der Nähe von Gewässern. Der Zaunkönig überwintert in Wäldern, Parks und Gärten mit deckenden Sträuchern und einer Krautschicht, oft in der Nähe großer Gewässer. Er ist einzeln oft in Ställen und Scheunen zu finden, in naturnahen Gärten auch an berankten Hauswänden, meistens Gärten mit Gartenteich. Dort ist er auch nicht besonders scheu.
Der Zaunkönig kann einen Stamm mit den langen Zehen und den kräftigen Krallen senkrecht hinaufklettern, jedoch nicht kopfüber hinunterkommen. Er fliegt mit raschen Flügelschlägen gradlinig und direkt über den Boden.

 

Der Gesang

Der Gesang des Männchens ist schmetternd laut mit Trillern und Rollern und endet abrupt. Er setzt sich aus etwa 130 verschiedenen Lauten zusammen. Von höheren Singwarten vorgetragen, ist er bei einer Lautstärke von 40 bis zu 90 Dezibel auf eine Distanz von bis zu 500 Metern zu hören. Eine vollständige Strophe ist in der Regel vier bis fünf Sekunden lang, kann jedoch bis zu sieben Sekunden andauern. Sie wird in die Bestandteile „Einleitung - Schmettertour - Zwischentöne - Schmettertour - Zwischentöne - Roller" unterteilt. Weibchen singen weniger laute, einfache Lieder. Der Gesang kann sowohl aus der unteren Krautschicht als auch von erhöhten Singwarten aus vorgetragen werden. Dabei wechselt der Zaunkönig häufig durch hüpfende Bewegungen die Position. Während der Brutzeit beginnen die Männchen ihren Gesang bereits in den frühen Morgenstunden, häufig um kurz nach vier Uhr, erreichen am Vormittag ihren Höhepunkt, ehe der Gesang am Nachmittag deutlich abnimmt. In den frühen Abendstunden ist eine erneute Spitze zu beobachten. Der Gesang endet am späten Abend.

 

Nestbau

Im Frühjahr sucht das Männchen ein Brutrevier. Dort beginnt es bei der Ankunft sogleich mehrere Nester im Rohbau zu fertigen. Die Wahl der Neststandorte hängt sowohl vom Gelände als auch von der Vegetation ab. Die Nester befinden sich meist in einer Höhe von maximal zwei Metern unter Bruchholz und Baumwurzeln, unter ausgespülten Bachufern oder im dichten Buschwerk. Weiterhin stellen Verstecke in Hecken, unter Stegen, in alten Mauern oder in Stallungen geeignete Nistplätze dar.

Das Nest ist oval und kugelförmig geschlossen mit seitlichem Eingang; Größe und Material variieren je nach Standort. Das Kugelnest wird normalerweise aus Moos, trockenen Blättern,Farnwedeln, Stängeln und kleinen Ästen sowie Wurzeln gebaut. Das Männchen bildet durch feuchte Blätter zunächst Nestboden und Hinterwand und verstärkt das Ganze schließlich mit Halmen, Wurzeln und Ästen. Nachdem etwa eine Halbkugel gefertigt ist, baut es überwiegend mit feuchtem Moos weiter, bis die Kugel geschlossen ist. Manche Nester werden gänzlich nur aus Moos gefertigt. Wichtig ist, dass das Material feucht ist, damit es beim Trocknen die Form festigen kann. Das Nest ist in der Regel etwa 16 Zentimeter hoch und 13 Zentimeter breit. Das seitliche Einschlupfloch hat einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern und ist an den Rändern besonders verstärkt. Das Männchen baut bis zu acht Rohbauten.

 

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Aus Brehms Tierleben:

Zaunkönig

Die Zaunkönige bilden eine eigene Familie, die rund 250 Arten zählt. Es sind durchweg kleinere, gedrungen gebaute Vögel mit schwachem, pfriemenförmigem Schnabel und rötlichbraun gefärbtem Gefieder, das durch schwärzliche Bänderung gezeichnet ist.

Unser Zaunkönig hat nur eine Länge von 10 cm (Spann¬weite 16 cm). Das Weibchen ist etwas blasser als das Männchen. Man hat den Zaunkönig in allen Ländern Europas und außerdem in Nordwest- und Mittelasien gefunden. In Deutschland gibt es keine Gegend, in welcher er nicht beobachtet worden wäre.

Am liebsten bewohnt er Täler, deren Wände mit Gebüsch bedeckt sind und in deren Grunde ein Wässerchen fließt. Er kommt bis in die Dörfer und selbst in die Gärten der Städte hinein und siedelt sich in unmittelbarer Nähe der Wohnungen an. Auf höheren Bäumen sieht man ihn selten, regelmäßig vielmehr nah am Boden das Gestrüpp durchkriechen und alle Winkel und Höhlungen durchspähen. Sein Wesen ist höchst anziehend. Er hüpft in geduckter Stellung überaus schnell über den Boden dahin, so dass man eher eine Maus als einen Vogel zu sehen glaubt, zeigt sich nur auf Augenblicke frei, dann aber in einer Stellung, welche ihm ein keckes Aussehen verleiht: die Brust gesenkt, das kurze Schwänzchen gerade empor gestelzt. Reizt etwas besonders seine Aufmerksamkeit, so deutet er dieses durch rasch nacheinander wiederholte Bücklinge an und wirft den Schwanz noch höher auf als gewöhnlich. Seiner Schwäche im Fliegen ist er sich durchaus bewusst und verlässt sein schützendes Gebüsch niemals freiwillig; im Notfalle verkriecht er sich lieber in eine Höhlung, als dass er den gefährlichen Flug wagt.

Die Stimme, welche man am häufigsten vernimmt, ist ein verschieden betontes „Zerr" oder „Zerz", der Warnungsruf, auf welchen auch andere Vögel achten, eine Verlängerung dieser Laute, oder auch wohl ein oft wiederholtes „Zeck zeck zeck". Der vortreffliche und höchst angenehme Gesang besteht „aus vielen, anmutig abwechselnden, hell pfeifenden Tönen, welche sich in der Mitte der nicht eben kurzen Weise zu einem klangvollen, gegen das Ende im Ton sinkenden Triller gestalten"; letzterer wird oft auch gegen das Ende des Gesanges wiederholt und bildet dadurch gewissermaßen den Schluss des Ganzen. Die Töne sind so stark und voll, dass man erstaunt, wie ein so kleiner Vogel sie hervorbringen kann. In den Wintermonaten macht dieser Gesang einen außerordentlichen Eindruck auf das Gemüt des Menschen.

Kerbtiere in allerlei Zuständen ihres Lebens, Spinnen und anderes Kleingetier, im Herbst auch mancherlei Beeren bilden die Nahrung des Zaunkönigs.

Das Nest wird gebaut nach des Ortes Gelegenheit und deshalb außerordentlich verschiedenartig ausgeführt; auch der Standort wechselt vielfach ab: auf Baumwipfeln, auf dem Boden, in Erd- oder Baumhöhlen, im Gestrüpp, in Holzstößen usw. Einzelne Nester bestehen nur aus grünem, andere aus vergilbtem Moose; ihre Gestalt ist kugelförmig, und ein hübsches Schlupfloch führt ins Innere. Andere gleichen einem wirren Haufen von Blättern und sind im Inneren mit Federn ausgefüttert. Ebenso muss bemerkt werden, dass der Zaunkönig Nester baut, welche nur als Schlafstellen, nicht aber zum Brüten dienen. Sie sind stets kleiner als die Brutnester, meist nur aus Moos und innen nicht mit Federn ausgefüttert. Boenigk beobachtete, dass ein Zaunkönigmännchen von April bis August viermal ein fast vollkommenes Nest baut, bevor es ihm gelingt, eine Gefährtin zu finden. Dieses Einzelarbeiten eines Zaunkönigs scheint mit einer anderen Eigentümlichkeit des Vogels zusammenzuhängen. Durch Beobachtungen von Ogilby ist es nämlich festgestellt, dass die Zaunkönige sehr gern in ihren alten Nestern Nachtruhe halten, und zwar nicht bloß einer oder ein Pärchen, sondern die ganze Familie. Unter regelmäßigen Verhältnissen brütet das Zaunkönigspaar zweimal im Jahre, das erste Mal im April, das zweite Mal im Juli. Das Gelege besteht aus 6-8 Eiern, welche auf rein- oder gelblichweißem Grunde mit kleinen Pünktchen von rotbrauner oder blutroter Farbe, am dicken Ende oft kranzartig gezeichnet sind. Beide Eltern brüten abwechselnd 13 Tage lang und füttern gemeinschaftlich die Jungen groß. Diese bleiben lange im Neste, halten, wenn sie schon ausgeflogen sind, noch geraume Zeit zusammen, besuchen auch wahrscheinlich allnächtlich ihre Kinderwiege wieder, um in ihr zu schlafen.

Man gewöhnt den Zaunkönig nicht leicht an die Gefangenschaft. Gelingt dies aber, so hat man seine wahre Freude an dem auch im Käfig außerordentlich anmutigen Geschöpf.

 

Gebrüder Grimm:

Der Zaunkönig

In den alten Zeiten, da hatte jeder Klang noch Sinn und Bedeutung. Wenn der Hammer des Schmieds ertönte, so rief er »smiet mi to! smiet mi to!« Wenn der Hobel des Tischlers schnarrte, so sprach er »dor häst! dor, dor häst!«, Fing das Räderwerk der Mühle an zu klappern, so sprach es »help, Herr Gott! help, Herr Gott!« und war der Müller ein Betrüger, und ließ die Mühle an, so sprach sie hochdeutsch und fragte erst langsam »wer ist da? wer ist da?« dann antwortete sie schnell »der Müller! der Müller!« und endlich ganz geschwind »stiehlt tapfer, stiehlt tapfer, vom Achtel drei Sechter.«

Zu dieser Zeit hatten auch die Vögel ihre eigene Sprache, die jedermann verstand, jetzt lautet es nur wie ein Zwitschern, Kreischen und Pfeifen, und bei einigen wie Musik ohne Worte. Es kam aber den Vögeln in den Sinn, sie wollten nicht länger ohne Herrn sein und einen unter sich zu ihrem König wählen. Nur einer von ihnen, der Kiebitz, war dagegen: frei hatte er gelebt und frei wollte er sterben, und angstvoll hin- und herfliegend rief er »wo bliew ick? wo bliew ick?« Er zog sich zurück in einsame und unbesuchte Sümpfe und zeigte sich nicht wieder unter seinesgleichen.

Die Vögel wollten sich nun über die Sache besprechen, und an einem schönen Maimorgen kamen sie alle aus Wäldern und Feldern zusammen, Adler und Buchfink, Eule und Krähe, Lerche und Sperling, was soll ich sie alle nennen? selbst der Kuckuck kam und der Wiedehopf, sein Küster, der so heißt, weil er sich immer ein paar Tage früher hören lässt; auch ein ganz kleiner Vogel, der noch keinen Namen hatte, mischte sich unter die Schar. Das Huhn, das zufällig von der ganzen Sache nichts gehört hatte, verwunderte sich über die große Versammlung. »Wat, wat, wat is den dar to don?« gackerte es, aber der Hahn beruhigte seine liebe Henne und sagte »luter riek Lüd,« erzählte ihr auch, was sie vorhätten. Es ward aber beschlossen, dass der König sein sollte, der am höchsten fliegen könnte. Ein Laubfrosch, der im Gebüsch saß, rief, als er das hörte, warnend »natt, natt, natt! natt, natt, natt!« weil er meinte, es würden deshalb viel Tränen vergossen werden. Die Krähe aber sagte »Quark ok,« es sollte alles friedlich abgehen.

Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem schönen Morgen aufsteigen, damit niemand hinterher sagen könnte »ich wäre wohl noch höher geflogen, aber der Abend kam, da konnte ich nicht mehr.« Auf ein gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze Schar in die Lüfte. Der Staub stieg da von dem Felde auf, es war ein gewaltiges Sausen und Brausen und Fittichschlagen, und es sah aus, als wenn eine schwarze Wolke dahinzöge. Die kleinern Vögel aber blieben bald zurück, konnten nicht weiter und fielen wieder auf die Erde. Die größeren hielten es länger aus, aber keiner konnte es dem Adler gleich tun, der stieg so hoch, dass er der Sonne hätte die Augen aushacken können. Und als er sah, dass die andern nicht zu ihm herauf konnten, so dachte er »was willst du noch höher fliegen, du bist doch der König,« und fing an sich wieder herabzulassen. Die Vögel unter ihm riefen ihm alle gleich zu »du musst unser König sein, keiner ist höher geflogen als du.« »Ausgenommen ich,« schrie der kleine Kerl ohne Namen, der sich in die Brustfedern des Adlers verkrochen hatte. Und da er nicht müde war, so stieg er auf und stieg so hoch, dass er Gott auf seinem Stuhle konnte sitzen sehen. Als er aber so weit gekommen war, legte er seine Flügel zusammen, sank herab und rief unten mit feiner durchdringender Stimme »König bün ick! König bün ick!«

»Du unser König?«, schrieen die Vögel zornig, »durch Ränke und Listen hast du es dahin gebracht.« Sie machten eine andere Bedingung, der sollte ihr König sein, der am tiefsten in die Erde fallen könnte. Wie klatschte da die Gans mit ihrer breiten Brust wieder auf das Land! Wie scharrte der Hahn schnell ein Loch! Die Ente kam am schlimmsten weg, sie sprang in einen Graben, verrenkte sich aber die Beine und watschelte fort zum nahen Teiche mit dem Ausruf »Pracherwerk! Pracherwerk!« Der Kleine ohne Namen aber suchte ein Mäuseloch, schlüpfte hinab und rief mit seiner feinen Stimme heraus »König bün ick! König bün ick!«

»Du unser König?« riefen die Vögel noch zorniger, »meinst du, deine Listen sollten gelten?« Sie beschlossen, ihn in seinem Loch gefangen zu halten und auszuhungern. Die Eule ward als Wache davor gestellt: sie sollte den Schelm nicht herauslassen, so lieb ihr das Leben wäre. Als es aber Abend geworden war und die Vögel von der Anstrengung beim Fliegen große Müdigkeit empfanden, so gingen sie mit Weib und Kind zu Bett. Die Eule allein blieb bei dem Mäuseloch stehen und blickte mit ihren großen Augen unverwandt hinein. Indessen war sie auch müde geworden und dachte »ein Auge kannst du wohl zutun, da wachst ja noch mit dem andern, und der kleine Bösewicht soll nicht aus seinem Loch heraus!« Also tat sie das eine Auge zu und schaute mit dem andern steif auf das Mäuseloch. Der kleine Kerl guckte mit dem Kopf heraus und wollte weg witschen, aber die Eule trat gleich davor, und er zog den Kopf wieder zurück. Dann tat die Eule das eine Auge wieder auf und das andere zu, und wollte so die ganze Nacht abwechseln. Aber als sie das eine Auge wieder zumachte, vergaß sie das andere aufzutun, und sobald die beiden Augen zu waren, schlief sie ein. Der Kleine merkte das bald und schlüpfte weg.

Von der Zeit an darf sich die Eule nicht mehr am Tage sehen lassen, sonst sind die andern Vögel hinter ihr her und zerzausen ihr das Fell. Sie fliegt nur zur Nachtzeit aus, hasst aber und verfolgt die Mäuse, weil sie solche böse Löcher machen. Auch der kleine Vogel lässt sich nicht gerne sehen, weil er fürchtet, es ginge ihm an den Kragen, wenn er erwischt würde. Er schlüpft in den Zäunen herum, und wenn er ganz sicher ist, ruft er wohl zuweilen »König bün ick!«, und deshalb nennen ihn die andern Vögel aus Spott Zaunkönig.

Niemand aber war froher als die Lerche, dass sie dem Zaunkönig nicht zu gehorchen brauchte. Wie sich die Sonne blicken lässt, steigt sie in die Lüfte und ruft »ach, wo is dat schön! schön is dat! schön! schön! ach, wo is dat schön!«

Jacob und Wilhelm Grimm

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