Aufzucht von Schmetterlingen

Ein Beitrag von Helmut Thomas

Angeregt durch das Buch „Lasst Schmetterlinge fliegen" von Peter Lange entstand in mir vor einigen Jahren der Wunsch, selbst einmal Schmetterlinge aufzuziehen, um so die Entwicklung von der Raupe zum Schmetterling unmittelbar erleben zu können.
Schmetterlinge sind uns seelisch besonders nah. Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich nicht freut im Frühling den ersten Schmetterling zu sehen. Sie sind uns Boten des nahenden Sommers. Ihre Farbigkeit, ihre Schönheit, ihre Zartheit und Leichtigkeit erinnern uns daran, dass es möglich ist, sich von der Erdenschwere zu befreien. Ein besonderes Erlebnis ist es beobachten zu können, wie ein Schmetterling schlüpft. Doch nicht nur die Verwandlung von der Puppe zum Schmetterling ist in ihrer vollständigen Metamorphose ein Staunen erweckender Vorgang. Bereits die Verwandlung der Raupe in die vollkommen anders geartete Puppe verblüfft und fasziniert. In der freien Natur sind diese Vorgänge selten und schwierig zu beobachten. Anders ist dies bei der Aufzucht im Zimmer. Diese soll im Folgenden beschrieben werden.

Man braucht dazu einen geeigneten Käfig. Der von mir verwendete Käfig hat die Maße 60 x 40 x 40 cm und besteht aus 8-10 mm dickem Sperrholz. Die untere Bodenplatte und die obere Abdeckplatte sind massiv; in die drei Seitenwände wurden Öffnungen gesägt, so dass nur noch ein Rahmen übrig geblieben ist; die Tür besteht aus Plexiglas. Die ausgesägten Flächen in den Seitenwänden sind mit Fliegengitter bespannt. Dieses ist mit Hilfe von Heißklebeleim mit dem Sperrholz verklebt. Die Tür ist mit Scharnieren an der Seitenwand befestigt. Es ist wichtig, dass der Käfig luftdurchlässig ist, so dass sich keine Feuchtigkeit sammeln kann. Das verwendete Fliegengitter sollte einen Maschenabstand von nicht mehr als 1 mm haben, da ansonsten für die Raupen gefährliche Tiere wie Ameisen und Schlupfwespen eindringen können.

Der nächste Schritt besteht im Auffinden der Raupen. Dieser Schritt ist vielleicht der schwierigste, da Schmetterlingsraupen nicht so häufig zu finden sind. Am geeignetsten sind hierfür die Raupen des Tagpfauenauges und des kleinen Fuchses, da diese noch recht häufig vorkommen und relativ leicht zu finden sind. Beide Schmetterlingsarten benutzen als Wirtspflanze die Brennnessel. Ich habe allerdings bisher immer nur Raupen des Tagpfauenauges gefunden. Ende April heften die Weibchen des Tagpfauenauges ihre Eier an die Unterseite der Brennnesselblätter. Sie bevorzugen dafür größere Brennnesselbestände an offenen sonnigen und gerne auch feuchteren Stellen wie Entwässerungsgräben zwischen Wiesen und Feldern. Allerdings wird man in der Regel nicht die Eier finden, sondern erst im Laufe des Mais die Raupen erkennen, sobald diese geschlüpft sind. Auch später im Juni/Juli kann man noch bzw. wieder Raupen finden, da dann die zweite Generation Schmetterlinge schlüpft. Hat man einmal einen solchen Platz gefunden, so ist auch im nächsten Jahr die Wahrscheinlichkeit hoch, dort wieder Raupen zu finden. Die geschlüpften Raupen des Pfauenauges sind schwarzbraun und anfangs noch sehr klein. Sie bleiben als Gruppe in einem Gespinst zusammen und sind dadurch leicht erkennbar. Erst später, wenn sie größer werden, vereinzeln sie sich, werden tiefschwarz mit silbernen Punkten (mich erinnert es immer an einen Sternenhimmel) und bekommen die für das Tagpfauenauge typischen schwarzen Dornen (die jedoch völlig harmlos sind). Man sollte nicht zu viele Raupen mitnehmen. Je nach Vorkommen etwa zwischen 10 und 50. Dies ist abhängig von verschiedenen Umständen.

Zum einen ist der Naturschutz zu berücksichtigen. Prinzipiell helfe ich den Schmetterlingen, da die Überlebenschancen der Raupen in der Aufzucht um ein vielfaches höher sind als in freier Wildbahn, wo eine große Zahl von Fressfeinden wie Vögel, Spinnen und Käfer auf die Raupen warten sowie Parasiten wie die Schlupfwespe, die ihre Eier in die Raupen legen. Aus diesem Grunde ist das Sammeln und Aufziehen von Raupen auch naturschutzrechtlich erlaubt. Allerdings hat sich der Schmetterling gerade diesen Platz für seine Raupen ausgesucht und insbesondere, wenn der Aufzuchtort räumlich weit entfernt vom Fundort ist, greife ich in die Fauna ein, indem ich die Schmetterlingspopulation vor Ort verringere. (Dass ich die Schmetterlingspopulation am Aufzuchtort erhöhe, ist meines Erachtens nicht als bedenklich zu werten, da insgesamt der Bestand an Tagpfauenaugen aufgrund der Umweltbedingungen eher am Abnehmen und eine Überpopulation nicht zu befürchten ist.)

Mein Fundort ist ein Entwässerungsgraben zwischen zwei Feldern und liegt etwa 500 m von meinem Aufzuchtort entfernt. Meist finde ich dort auch mehrere Gespinste mit Raupen. Von daher erlaube ich mir viele Raupen mitzunehmen, da noch eine große Anzahl von Raupen am Fundort verbleibt und die bei mir geschlüpften Schmetterlinge am gleichen Lebensort wieder in die Natur zurück gelangen (auch wenn Schmetterlinge sehr zerbrechlich und schwach wirken, darf man sich ihren Aktionsradius nicht zu klein vorstellen. Der Admiral zum Beispiel überwinterte aufgrund der kalten Winter bis vor einigen Jahrzehnten nicht in Mitteleuropa, so dass jede neue Generation von Schmetterlingen im Frühsommer erst einmal über die Alpen fliegen musste, um zu uns zu gelangen). Was ich nicht empfehlen kann, ist Raupen verschiedener Gespinste zusammen zu tun. Sie werden sich in der Regel in der Größe unterscheiden. Ich sammelte einmal zwei unterschiedlich große Raupengruppen. Als die größere (und damit ältere) Raupengruppe sich verpuppte, hörten auch die jüngeren Raupen auf zu fressen und blieben in ihrer Entwicklung stehen. Sie gelangten nicht zum Stadium des Verpuppens, sondern starben nach einigen Tagen. Außer den Naturschutzgründen gibt es noch einen anderen Aspekt bei der Frage: Wie viele Raupen nehme ich mit? Insbesondere wenn die Raupen noch klein sind, unterschätzt man schnell, wie viel Platz und wie viel Futter die Raupen brauchen, sobald sie größer werden. Bei 50 Raupen bin ich in der Endphase des Raupenstadiums zwei bis dreimal täglich damit beschäftigt, frische Brennnesseln als Futter zu beschaffen. Insbesondere wenn die Raupen im Klassenzimmer gehalten werden, darf dieser Aspekt nicht außer acht gelassen werden. Doch dazu mehr im nächsten Abschnitt. Abschließend nur noch ein Wort zum Transport der Raupen vom Fundort zum Aufzuchtort. Der dafür verwendete Behälter darf nicht hermetisch abgeschlossen sein, da sich z.B. in einem Marmeladenglas mit zugeschraubten Deckel zum einen schnell Feuchtigkeit bildet, zum anderen aber auch bei Sonneneinstrahlung rasch hohe Temperaturen erreicht werden. Beides ist unbedingt zu vermeiden.

Hat man einmal die Raupen, fängt das Füttern an. Dazu schneidet man frische Brennnesseln und stellt sie in einem Glas mit Wasser in den Käfig, damit sie möglichst lange frisch bleiben. Die Raupen mögen nämlich keine verwelkten Brennnesseln. Dabei ist darauf zu achten, dass zwischen den Stielen der Brennnesseln und dem Rand des Glases keine Lücken bleiben, durch welche die Raupen ins Wasser fallen und ertrinken könnten. Man nimmt deshalb entweder ein Glas mit einer sehr engen Öffnung, die ganz durch die Brennnesselstiele ausgefüllt wird oder füllt die Zwischenräume mit zerknülltem Papier o.ä. aus. Auch ein Glas mit Deckel kann verwendet werden, indem man in den Deckel einige Löcher in der Größe der Stiele macht, durch welche die Brennnesseln gesteckt werden. Die Brennnesseln sollten nicht nur frisch sondern auch trocken sein. An einem Regentage stellt man die geschnittenen Brennnesseln am besten erst einmal eine Zeit lang zum Trocknen ins Zimmer. Ebenso dürfen an den Brennnesseln keine Spinnen oder Ameisen mehr sein. Es ist erstaunlich, mit welchem Appetit und mit welcher Geschwindigkeit sich die Raupen über ihr Futter hermachen. Dabei wechseln sich Tage des Fressens mit einer Zeit der Ruhe ab, während der sich die Raupen häuten, da die Raupenhaut nicht mitwächst. Den Boden des Käfigs kann man mit Zeitungspapier bedecken, um den Kot der Raupen aufzufangen und den Käfig leichter reinigen zu können. Der Kot der Raupen besteht aus kleinen Kugeln, die anfangs noch leicht feucht sind, dann aber sehr schnell ganz trocken werden. Die Raupen sollten möglichst nicht mit ihm in Berührung kommen. Es empfiehlt sich deshalb den Käfigboden immer wieder zu reinigen. Dies ist in der Praxis jedoch nicht so leicht, da sich die Raupen bei Erschütterung auf den Boden fallen lassen oder aber auch erstaunlich schnell durch die geöffnete Käfigtür ins Freie entwischen. Dies ist auch beim Wechseln des Futters manchmal ein Problem. Für das Wechseln des Futters stellt man am besten einen neuen „Strauß" mit Brennnesseln neben den alten in den Käfig, so dass sich die Blätter berühren und der neue Strauß im Licht steht. Die Raupen wechseln dann von alleine auf den neuen, da sie frisches Futter und lichte Plätze bevorzugen. Runtergefallene oder entwischte Raupen möglichst nicht anfassen, da sie sehr empfindlich sind und leicht verletzt werden können. Am besten streicht man sie auf ein Blatt Papier und trägt sie so wieder zurück. Fühlen sie sich bedroht, scheiden die Raupen oftmals einen grünen Körpersaft aus. Dieser ist jedoch, außer dass er Flecken verursachen kann, harmlos. Die ausgewachsenen Raupen verlassen schließlich die Futterpflanze, um sich an der Decke des Käfigs kopfüber fest zu spinnen, manchmal auch an einem Stängel der Futterpflanze.

Nach zwei Tagen verwandelt sich die Raupe. Die schwarze Raupenhaut platzt auf und darunter kommt die neongrüne Puppe zum Vorschein. Ein faszinierender Moment und die erste vollkommene Metamorphose, hat doch die Puppe weder farblich noch von ihrer Form her Ähnlichkeit mehr mit der vorherigen Raupe. Insgesamt dauert die Raupenphase je nach Alter der eingesammelten Raupen etwa drei Wochen, die Puppenphase etwa ein bis zwei Wochen. Während dieser Zeit verwandelt sich die Farbe der neongrünen Puppe immer mehr zu einem schimmernden Braun. Etwa zwei Tage vor dem Schlüpfen kann man dann bereits die durchscheinenden Flügelaugen des zukünftigen Schmetterlings in der Puppe erkennen.

Das Schlüpfen schließlich erfolgt meist an einem sonnigen Tag im Laufe des Morgens. Es vollzieht sich sehr schnell. Vom Aufbrechen der Puppenhülle bis zum zum Aufpumpen der Flügel vergehen nur wenige Minuten. Dann allerdings müssen die Flügel eine halbe Stunde trocknen, bis sie fest genug für die ersten Flugversuche sind. Bevor der Falter losfliegt, scheidet er ein rot-weißes Körpersekret ab. Dieser „Blutstropfen" ist eine Art Kot, der bei der Entwicklung des Schmetterlings in der Puppe entsteht. Erfahrungsgemäß schlüpfen alle Schmetterlinge im Laufe von zwei, selten drei Tagen. Es genügt die Käfigtür offen zu lassen und ein Fenster in der Nähe zu öffnen. Die Falter finden dann von alleine den Weg ins Freie.

Auch wenn im Vergleich zur freien Natur sich viel mehr Schmetterlinge aus den Raupen entwickeln (aus 100 abgelegten Eiern schlüpfen wahrscheinlich nur 1-3 Schmetterlinge), ist doch auch bei der Aufzucht im Käfig mit Verlusten zu rechnen. Einige Raupen sind bereits durch parasitäre Insekten befallen und sterben nach kurzer Zeit, da sie durch Maden von innen aufgefressen werden. Andere Raupen vollziehen die Verwandlung von der Raupe zur Puppe nicht oder nur unvollständig. Auch können die Puppen in ihrer Entwicklung gestört werden oder herunterfallen. Sofern daraus später Schmetterlinge schlüpfen, sind diese dann oftmals nicht fähig zu fliegen, da sie zum Beispiel einen kleineren nicht völlig ausgebildeten Flügel haben. Doch sind dergleichen Verluste zum Glück recht selten, so dass man davon ausgehen kann, dass bei guter Pflege aus 10 Raupen etwa 8 Schmetterlinge schlüpfen.

Ich wünsche allen Nacheiferern viele schöne Momente bei diesem wundervollen Naturereignis!

 

Buchtipp:

"Lass Schmetterlinge fliegen", von Peter Lange, Verlag Freies Geistesleben

 

Interessante Links:

http://www.bund-bawue.de

http://www.schmetterlingeinwildauundberlin.de/raupen%20tagpfauenauge.htm

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