Die komplexeste Struktur des Universums

Das Gehirn gilt als die komplexeste Struktur des uns bekannten Universums und gibt der Wissenschaft immer noch große Rätsel auf. Das Gehirn braucht mehr Energie als jedes andere Organ. Obwohl beim Erwachsenen das Gehirn nur 2 % der Körpermasse ausmacht, verbraucht es rund 20 % unserer gesamten Energie. Deshalb ist der Kopf auch wärmer als der Rest des Körpers. Auf den ersten Blick erscheint das Gehirn als ein seltsames Gebilde: Gelblich-braun und verrunzelt wie eine Walnuss und von innen von ähnlicher Konsistenz wie ein Pilz.
Die Funktionsweise unseres Gehirns ist faszinierend, aber auch verwirrend kompliziert.

 

Neuronen - unsere Gehirnzellen

Eine Gehirnzelle heißt Neuron. Wenn man es sich in 10.000facher Vergrößerung anschaut, scheint es so wie eine sich verästelnde Wurzel auszusehen. Neuronen sind die kleinsten Bausteine unseres Gehirns. Eine erstaunliche Eigenschaft macht sie zum Auslöser all unserer Gedanken. Sie feuern elektrische Impulse ab. Die Ladung breitet sich innerhalb der Neuronen mit einer Geschwindigkeit von 400 km/h aus. In Sekundenbruchteilen ist das Neuron erneut einsatzbereit. Unser Gehirn besteht aus Milliarden solcher Neuronen. Zusammengenommen könnte ihre Energie eine Glühbirne zum Leuchten bringen. Die Gesamtlänge aller Nervenbahnen unseres Gehirns wird auf etwa 5,8 Millionen Kilometer geschätzt. Das entspricht 145 Erdumrundungen.

Aber nicht nur die Anzahl, sondern auch die Vernetzung ist beachtlich. Jedes Neuron ist mit tausend anderer Neuronen verbunden. Die Komplexität dieses Netzwerkes ist schwer zu begreifen. Man muss sich eine Großstadt wie New York vorstellen (8,2 Mio.). Jeder Bewohner erhält 10.000 Schnüre und gibt jedes einzelne Ende an eine andere Person weiter. Das Ganze noch tausend Mal größer und dieser Wirrwarr entspricht ungefähr der Struktur unseres Gehirns.

 

Nicht Computer, sondern eher Termitenhügel

Die meisten Leute vergleichen das Gehirn mit einem Computer, aber der Vergleich mit einem Termitenhügel ist treffender, denn hier gilt: Das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile. Eine Termitenkolonie handelt wie eine intelligente Macht. Sie kontrolliert ganze Buschgebiete und errichtet hochkomplexe Bauwerke. Diese Städte beeindrucken durch gewaltige Säulen und Gänge und ausgeklügelte Belüftungsschächte. Aber woher stammt der Plan für das Wissen und die außergewöhnliche Organisation? Sicher nicht von einer einzelnen Termite. Arbeiterinnen sind eher schlicht. Ihr Gehirn ist so groß wie ein Stecknadelkopf. Das der eierlegenden Königin ist noch kleiner. Das komplexe Verhalten einer Kolonie entsteht durch das Zusammenwirken aller Termiten. Eine Gruppe Arbeiterinnen errichtet zum Beispiel eine neue Wand. Keine einzige Termite besitzt einen Bauplan davon, aber durch die Zusammenarbeit entsteht die Wand einfach.

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einem menschlichen Gehirn und einem Termitenhügel, aber eine Gemeinsamkeit bleibt. Die außerordentlichen Höchstleistungen entstehen durch das Zusammenwirken kleiner Teile, die alle auch ein Eigenleben besitzen. Es macht keinen Sinn, den Ursprung des Wissens in einem winzigen Neuron oder einer einzelnen Termite zu suchen. Beide sind lediglich Elemente in einem unglaublich komplexen System. Erst das Zusammenspiel von Neuronengruppen verleihen dem Menschen intelligente Fähigkeiten. Jede dieser Gruppen übernimmt in unterschiedlichen Regionen unseres Gehirns spezielle Aufgaben. Das Ergebnis reicht von hochentwickelten Begabungen wie Sprache und Erinnerungen, wie scheinbar simplen Fähigkeiten wie Bewegung. Wenn wir gehen, laufen oder greifen, müssen wir nicht denken. Alles geschieht scheinbar automatisch. Dabei ist jede Bewegung mit einem unglaublichen Aufwand verbunden. Die Fähigkeit neue Bewegungen zu erlernen und später abzurufen liegt im Kleinhirn an der Schädelbasis. Hier sind sämtliche erlernten Bewegungsabläufe gespeichert: vom Radfahren bis zum Klavierspielen.

 

Erinnerung - Gedächtnis

Gedanken, die man durch Wiederholung einprägt, wandern als Erinnerungen in die Großhirnrinde, dem kompliziertesten Bereich unseres Gehirns. Hier sitzt u.a. unser Langzeitgedächtnis. Bis heute weiß die Wissenschaft nicht genau, wie es funktioniert. Man nimmt an, dass sich bestimmte Neuronen Verbindungen merken. Mit der Zeit verstärken sich diese Verbindungen und bilden Muster. Deshalb können wir Freunde und Verwandte erkennen und uns an bedeutende Ereignisse erinnern.
Einige Menschen können sich unglaublich viele Dinge merken. Bei der 13. Gedächtnisolympiade in London trafen solche Menschen aufeinander, um ihr Erinnerungsvermögen zu demonstrieren. Die Teilnehmer kamen aus allen Lebensbereichen. Sie waren Feuerwehrmänner, Offiziere, Beamte und Studenten ... Sie alle haben eines gemeinsam. Sie besitzen ein unglaubliches Gedächtnis und können sich tausende Nummern oder Begriffe in kürzester Zeit einprägen. Es ist ein Wettbewerb der Superhirne. So hat man zum Beispiel 40 Sekunden Zeit, um sich die Reihenfolge aller Karten eines zuvor gemischten Kartenspiels zu merken. Anschließend muss man sie in drei Minuten nennen können. Eine scheinbar unmögliche Aufgabe. Die Wissenschaft hat untersucht, was das Gehirn dieser Menschen vom Normalbürger unterscheidet. Das Ergebnis: Sie fanden keinen Unterschied. Die Superhirne haben ein ganz normales Gehirn, sie nutzen es nur besser. Ein gutes Gedächtnis ist daher auch eine Frage des Trainings.

 

Verschiedene Bereiche

Wir können heute verschiedenen Bereichen des Gehirns bestimmte Funktionen zuordnen. Das Kleinhirn ist für unbewusste Bewegungsabläufe zuständig, der hintere Teil der Großhirnrinde für den Sehsinn und der Frontallappen für Erinnerungen. Weitere Areale steuern Sprache und soziale Fähigkeiten. Trotzdem gibt es auf diesem Plan leere Stellen. Was fehlt ist der Sitz jener Eigenschaft, die uns zu dem macht, was wir sind. Wir nennen es Bewusstsein.

Bewusstsein macht unser Gehirn zu mehr, als einen elektrisch gesteuerten Zellhaufen. Es macht uns erst zum Menschen

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