Begrabenes Sonnenlicht der Vorzeit - die Kohle

Zu allen Zeiten der Erdgeschichte wurde Kohle gebildet, niemals jedoch so viel und so wertvolle wie im Karbon. Die Entwicklung der Industrie und der Technik im Lauf der letzten 250 Jahre ist eng mit dem Rohstoff Kohle verbunden. Der wichtigste Schritt war die Einführung der Dampfkraft; der heutige Stand von Technik, Wirtschaft und Wissenschaft ist ohne die Kohle nicht denkbar. Am »eingesargten Sonnenlicht der Vorzeit«, an der Steinkohle, entzündete der Mensch »die Fackel der Kultur«.

Doch die Zeit schreitet vorwärts; mit dem Auftauchen neuer Energieträger scheint das Zeitalter der Kohle nach mehrhundertjähriger Dauer auszuklingen.

 

Ein Pflanzen-Dschungel liefert das Material für die Kohlebildung

Damit Kohle sich bilden kann, müssen sich zunächst große Mengen von Pflanzenresten ansammeln. Dafür bietet das Karbon günstigste Voraussetzungen, denn die Pflanzen entwickeln sich mit einer bis dahin nicht bekannten Üppigkeit und in riesenhaften Maßen. Zwar ist die Pflanzenwelt sehr formenarm, da ja höher entwickelte Pflanzen noch fehlen; die niederen Gefäßpflanzen erreichen jedoch den Höhepunkt ihrer Ent­wicklung. Es ist eine Wald-Moor-Vegetation, ein Dschungel aus Bäumen, Sträuchern und Kräutern, der sich in einem feucht-warmen Klima bildet und Ausgangsmaterial für die Steinkohlenflöze des Karbons wird.

Die Stämme der Bärlappgewächse (Lepidophyten) erreichen 30 m Höhe und bis zu 2 m Durchmesser. Die Siegelbäume (Sigillarien) haben einen mit Blättern besetzten Stamm und eine Krone mit langen, fleischigen Blättern. Die Wurzelstöcke werden bis zu 20 m lang. Ähnlich sehen die Schuppenbäume (Lepidodendren) aus, mit ihren sich nach oben gabelig verzweigenden Stämmen. An ihrem Ende tragen die Zweige große Frucht­zapfen.

Die Schäfte der Kalamiten, die zu den Schachtelhalmen (Artikulaten) zählen, besitzen einen mächtigen Luftgang und erreichen l m Dicke. Die Stämme - mit einer Höhe bis zu 12 m - ähneln Pfählen und sind zum Teil reich verzweigt. Manches Steinkohlenflöz besteht ausschließlich aus diesen Schäften. Auch die Farne (Filices) sind damals so groß wie Bäume; daneben kommen aber auch die niedrigen Bodenfarne vor. Im Allgemeinen haben Farne zwar nur wenig zur Bildung der Steinkohle beigetragen, doch bestehen einzelne Flöze vorwiegend aus Farnstrünken. Farnwedel findet man vor allem in den Schiefertonen, die die Flöze begleiten.

Eigentliche Nadelbäume (Koniferen) finden sich erst am Ende des Karbons und sind daher am Aufbau der Kohlenflöze nicht be­teiligt.

Die heutigen Nachkommen all dieser Pflanzen muten gegenüber den früheren Formen wie Zwerge an. Die Flora des Karbons ist gut bekannt. Durch den Verkohlungsprozess geht die Form der Pflanzen in den Flözen meist verloren. Darunter und darüber aber, in den Schiefertonen, liegen die Fundstätten für den Sammler von Versteinerungen.

 

Gebirgsbildung bringt Kohle

Pflanzenmassen allein ergeben noch keine Steinkohle. Um sie in dieser Menge ent­stehen zu lassen, müssen zahlreiche weitere Faktoren zusammenwirken. Das Karbon ist eine Zeit ausgeprägter Gebirgsbildung und gewaltiger Bewegungen der Erdrinde; ohne diese hätte die Steinkohlenbildung nicht in Gang kommen können. Im Karbon bildet sich das Variszische Gebirge, das Europa um ein gutes Stück Land vergrößert. Die Gebirgsbildung erfasst vorwiegend West- und Mitteleuropa und lässt die osteuropäische Tafel unberührt. Sie erreicht ihren Höhepunkt in der Mitte und gegen Ende des Karbons und klingt erst im Perm ganz aus.

Die »Paläozoischen Alpen« erstrecken sich in zwei großen Faltenzügen vom heutigen französischen Zentralmassiv nach Nordosten und Nordwesten. Der östliche Flügel, der Variszische Bogen, zieht sich bis nach Polen hin,- er teilt sich in Schlesien in die Sudeten und in das polnische Mittelgebirge. Reste dieses großen Gebirges sind die Vogesen, der Schwarzwald, der Odenwald, das Rheinische Schiefergebirge, der Harz, der Thüringer Wald, der Frankenwald und das Erzgebirge. Der nordwestliche Faltenzug reicht, eben­falls vom französischen Zentralmassiv ausgehend, über Wales bis nach Irland; er wird Armorikanisches Gebirge genannt, nach dem lateinischen Namen Armorika, der heu­tigen Landschaft Bretagne in Westfrankreich.

Vor diesen Faltenzügen entstehen Vortiefen. Sie werden teils mit mehrere tausend Meter messenden Schichten ausgefüllt. In diesen Mulden, die sich mit wechselnder Geschwin­digkeit senken, liegen auch die meisten der mitteleuropäischen Steinkohlenlager. Die Erdoberfläche senkt sich so langsam, dass sie dem Pflanzenwuchs Spiel lässt; immer wieder versinken Pflanzen langsam im Sumpf und reichern die Torfschicht an. Das Roh­material aber erhält sich dadurch, dass es unter den Grundwasserspiegel absinkt. Bei größerer Senkungsgeschwindigkeit wird der Torf durch Geröll, Sand und Schlamm über­deckt und dadurch konserviert. Auf den angeschwemmten Sedimenten bildet sich neuer Pflanzenwuchs - eine Erscheinung, die heute noch dadurch nachweisbar ist, dass sich im Gestein unterhalb der Flöze Wurzeln von Bäumen und Pflanzen finden. Auf diese Weise wechseln Torfbildung und Überdeckung mit mineralischem Material mehrfach ab; und so entstehen schließlich auch die Steinkohlenflöze. Im Prinzip läuft dieses Stadium der Kohlebildung in Süßwasser- und Salzwasserbecken gleichermaßen ab.

 

Hohe Temperatur veredelt das Material

Aber auch Absenkung des Landes und Luftabschluss führen noch nicht zur Bildung der Steinkohle. Zunächst vertorfen die Pflanzen. Dabei werden Sauerstoff und Wasserstoff frei, und Kohlenstoff wird dadurch relativ angereichert. Dies ist entscheidend bei der Kohlebildung. Allmählich verliert sich die Struktur des Pflanzenmaterials; der Torf wird zu Braunkohle. Deren Bildung ist also mehr oder weniger ein natürlicher Alterungs­prozess. Damit aber aus Braunkohle Steinkohle und Anthrazit werden kann, müssen die Torfschichten in große Tiefen absinken. Hier werden sie höheren Temperaturen und großem Druck ausgesetzt, veranlasst durch Gebirgsbildung und Landsenkungen in den Vortiefen. Ohne Druck und Temperatur verbleiben selbst älteste Kohlelager, wie die des Moskauer Karbons, im Braunkohlenstadium; andererseits können junge Kohlelager, die nach der Zeit ihrer Bildung tektonisch stark beansprucht wurden, nach kurzer Zeit einen hohen Reifezustand erreichen, wie ihn einige Steinkohlenlager am Rande der Alpen auch tatsächlich aufweisen.

Allerdings werden durch Faltungen, Verwerfungen und Überschiebungen die Kohlelager auch oft selbst erfasst und in ihrer Lagerung stark gestört, teilweise regelrecht zerstückelt. Der Abbau solcher Flöze ist schwieriger, kostspieliger und auch gefährlicher als bei ungestörter oder wenig beeinflusster Lagerung. So sind also Anhäufung von Pflanzen­material, sinkende Becken, rasche Konservierung durch Wasser und Sedimente, Druck und Wärme die Faktoren, die die Bildung der Steinkohle veranlassen.

Der Vorgang ist kompliziert, fast möchte man sagen: von der Natur sehr durchdacht. Steinkohlen sind meist an dem Ort entstanden, wo die Pflanzen wuchsen, sie zeichnen sich durch eine besondere Reinheit aus. Es gibt jedoch auch schwächere Flöze, bei denen das Pflanzenmaterial zusammengeschwemmt wurde. Die so entstandene Kohle ist durch Beimengungen stark verunreinigt.

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