Orchester-Projekt einer dritten Klasse

Ein Beitrag von Frau Linden (Freie Waldorfschule Benefeld)

 

Es war ein bisschen wie Vorweihnachtszeit mitten im September. Gespannt warteten die 26 Schüler der dritten Klasse, aber auch Frau Neumann, Herr Grunwald-Deyda und die Klassenlehrerin auf die ersehnte Ankunft der Instrumente. Als es dann endlich im Oktober soweit war und die Kinder Ihre Geigen und Celli das erste Mal in den Händen hielten, war das Leuchten in den Augen aller Beteiligten, inklusive der Lehrer, durchaus zu vergleichen mit dem, welches man ansonsten nur am Weihnachtsabend erleben kann.

Und tatsächlich, auch jetzt, einige Monate später, da sich nun alles im wahrsten Sinne des Wortes „eingespielt“ hat, ist das was ich als gewisse Ehrfurcht dem Instrument gegenüber bezeichnen würde, geblieben. Der Dienstag, an dem die Drittklässler ihre Instrumente zur Schule mitbringen, hat nach wie vor etwas „Zauberhaftes“. Sie betreten morgens die von den Orchester-Lehrern liebevoll vorbereitete Festhalle und blicken zunächst auf den Stuhlhalbkreis, in dem jedes Kind seinen festen Platz im Klassenorchester genau kennt.

Anschließend werden mit großer Vorsicht und Behutsamkeit alle Geigen und Celli so platziert, dass Herr Grunwald-Deyda noch während des Hauptunterrichts die Möglichkeit hat, jedes einzelne Instrument zu stimmen. Wenn dann die dritte Stunde beginnt, sieht man, wie sich die Drittklässler mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit, erst die Hände waschen und sich dann nach Instrumenten geordnet vor der inneren Tür der Festhalle hintereinander aufstellen. Auch das anschließende Betreten der Festhalle hat auf eigenartige Weise immer noch etwas Feierliches.

Die Schüler sehen das frisch gestimmtes Instrument an ihrem Platz und dürfen nun ihre Bögen mit Kolophonium bestreichen, auch dies geschieht mit großer Sorgfalt. Wenn auch natürlich nicht jede Orchesterstunde nur von höchster Disziplin und Aufmerksamkeit geprägt ist, so folgt doch der gesamte Ablauf, inklusive der freundlichen Begrüßung, des Unterrichts und der Verabschiedung, festen Ritualen, die die Kinder genauestens kennen und die ihnen auch außerordentlich wichtig zu sein scheinen.

Die Schüler befinden sich alle im neunten oder zehnten Lebensjahr, welches in der Waldorfpädagogik bekanntermaßen als „Rubikon“ bezeichnet wird. Eine sehr aufregende Zeit für die Kinder, in der sie spüren, nicht mehr wie selbstverständlich im absoluten Einklang mit der Welt einfach „paradiesisch“ mitzuschwingen. Stattdessen erleben sie eine Art Abgrenzung von ihrer Umwelt und auch eine gewisse Einsamkeit, die sie in der vorangegangenen Zeit ihrer Kindheit nicht kannten. Sie sind sozusagen in der Welt angekommen und müssen sich nun hier zurechtfinden.

Als Klassenlehrerin, die dieses Projekt „hautnah“ miterleben und begleiten darf, muss ich sagen, dass ich die Orchesterarbeit gerade in dieser Umbruchszeit der Kinder als ausgesprochen hilfreich und wichtig erlebe. Durch den gemeinsam erzeugten Klang entsteht im wahrsten Sinne des Wortes „Einklang“, der sich nachhaltig positiv auf jedweden Unterricht auswirkt. Es wird geübt aufeinander zu hören und auch einmal abwarten zu können. Persönlicher Einsatz wechselt sich ab mit Geduld und Rücksichtnahme. Regeln und Rituale helfen den Drittklässlern sich auf der Welt zurechtzufinden und der gemeinsame „Einklang“ hilft das Gefühl der Einsamkeit aufzufangen.

Was kann man sich als Klassenlehrer mehr wünschen, als dass die eigene Klasse während der Zeit des Rubikons auf solch wunderbare Weise begleitet wird? Ein großes Dankeschön an Frau Neumann und Herrn Grunwald-Deyda für ihr kolossales Engagement! 

 

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