Projekt: 1 km – Aktion

Ein Beitrag von Mathias Lumma

Grundgedanke:

Wie macht man die Entfernung eines Kilometers für den 3. Klässler erlebbar? Die tausend Meter sollen abgeschritten und durchgängig laut gezählt werden. Nach jeweils 20 Metern bleibt ein Schüler stehen, so dass sich eine Kette von mindestens 50 Schülern auf 1000 Meter bildet. Wie an der chinesischen Mauer damals Informationen von Turm zu Turm rasch über große Entfernungen weitergegeben werden konnten, wird dieses Prinzip der Informationsübertragung auch für die Oberstufenklasse, die dabei mitwirken soll, zu einem Erlebnis.

 

Einführende Geschichte:

In einer Zeit, in der noch Drachen auf der Erde lebten, gab es in China einen Kaiser mit Namen Chiang. Er hatte eine Tochter mit Namen Mei Li, deren Schönheit im ganzen Reich besungen wurde. Eines Tages jedoch wurde sie von einem gefährlichen Drachen geraubt, der sie von nun ab in seinem Hort wie einen Schatz hütete. Der Hofstaat war verzweifelt, doch der Kaiser beschloss, eine große Armee aufzustellen, um den Drachen zu besiegen und seine Tochter zu befreien. So zog man los und schlug das kaiserliche Lager 1000 Schritte vor dem Eingang des Drachenhortes auf. Am frühen Morgen des nächsten Tages ging es los: Sorgsam aufgestellt setzte sich die kaiserliche Armee in Bewegung. Um sich Mut zu machen und zu wissen, wann man den Eingang des Hortes erreicht haben würde, zählte jeder Soldat die Schritte laut mit. Der Kaiser hatte große Angst um seine Tochter, und so ließ er alle 20 Meter jeweils einen Posten aufstellen, der ihm Meldung zurückgeben musste, wie weit die Armee schon gekommen war. Auf diese Weise entstand eine lange Kette und der Kaiser wusste jeden Augenblick darüber Bescheid, was an der Spitze geschah. Den Drachen konnte ohnehin nur der Stärkste des Reiches allein besiegen. So stand es in den alten Schriften immer geschrieben.

Sollte der Kampf glücklich ausgehen und Mei Li befreit werden, war dem Kaiser dies sogleich über die Kette mitzuteilen. Dann wollte der Kaiser mit seinem Hofstaat seiner befreiten Tochter entgegeneilen. Zum Gedenken an diese Tat sollte jeder Mensch, der sich von nun an dem leeren Drachenhort näherte, die letzten 1000 Schritte laut zählend schreiten und man wollte zur Befreiung Mei Lis am Ort des Kampfes ein großes Fest feiern.

Die Befreiungsaktion gelang und alles geschah so, wie es der Kaiser geplant hatte.

Das Informationssystem über die Posten gelang so gut, dass man später, als die chinesische Mauer gebaut wurde, ihr in gleichen Abständen Türme einfügte, von denen man aus wichtige Informationen über eine Strecke von 4000 km in nie da gewesener Geschwindigkeit weiterreichen konnte.

 

Man benötigt:

  •  Neben seiner Klasse noch eine Oberstufenklasse. Ideal wäre eine Patenklasse, wenn es sie gibt (z.B. 3.+11. Klasse). Zusammen müssen es aber mindestens 50 Schüler sein; nach oben gibt es keine Begrenzung.
  • Insgesamt 4 Erwachsene, einen Drachenschüler und die Prinzessin aus der oberen Klasse
  • Eine Stunde Vorbereitungszeit des Projekts mit beiden Klassen. Die Vorbereitungszeit darf nicht am Tag der Aktion liegen.
  • Für die Durchführung der Aktion ca. 120 Minuten.

 

Vorbereitungsstunde:

Die Schüler werden durch den Klassenbetreuer der Oberstufenklasse und den Drittklasslehrer zusammen mit der Aktion vertraut gemacht (siehe die „einführende Geschichte“). Zuerst sollte die anschließende Reihenfolge der Schülerkette festgelegt werden. Es ist sinnvoll, darauf zu achten, dass sich Drittklässler und Oberstufenschüler immer abwechseln!

Die Reihenfolge wird in die Streckenkarte durch einen Lehrer oder einen Oberstufenschüler sauber eingetragen. Am Aktionstag müssen jedem Schüler eine Kopie der Streckenkarte, ein Buntstift und eine sinnvolle Schreibunterlage (am besten mit einer Klemmvorrichtung für das Blatt) vorliegen.

Die Stecke selbst sollte natürlich in unmittelbarer Umgebung der Schule liegen, so dass aufwendiger Zeitverlust vermieden wird. Von den Gegebenheiten des Weges (der Straße, des Bürgersteiges) hängt es ab, in welcher Art sich die Schüler am Start aufstellen können. Um eine größtmögliche Struktur (Dynamik und Disziplin) zu erreichen, sollten sich die Schüler in „Armeeordnung“ formieren. Ideal wären 5 Schüler jeweils nebeneinander, in 10 (oder mehr) Reihen hintereinander. Dies wird man den örtlichen Gegebenheiten anpassen müssen, da man ja leider keine Straßen für die Aktion sperren kann. Es sollten aber mindestens 3 Schüler nebeneinander Platz finden.

Jeder Schüler markiert, wenn er die Kopie der Streckenkarte am Aktionstag in den Händen hält, zuerst seinen Standpunkt, indem er seinen Namen farbig anmalt. Am besten er schreibt sich seine Meterzahl noch einmal groß daneben.

Nachdem die grundsätzliche Reihenfolge festgelegt wurde, muss nun die Aufstellung einmal in der Vorbereitungsstunde geprobt werden. Sie ist so durchzuführen, dass man sich von hinten nach vorne aufstellt. Nach jeweils 20 Meter muss immer der letzte Schüler stehen bleiben, um für die anderen Schüler kein Hindernis darzustellen. Dies sollte exemplarisch einmal geübt werden, damit allen deutlich ist, wie es funktioniert.

Alle Schüler beginnen mit dem rechten Fuß und halten den Gleichschritt bis zum Ende ununterbrochen bei. Mit der Schrittgröße passt man sich den Möglichkeiten der Drittklässler an. Dabei ist nicht entscheidend, dass der Schritt die Länge von einem Meter erreicht. Die Schüler zählen laut und gleichmäßig alle zusammen. Auch dies sollte einmal in der Aufstellung geübt werden. Dabei ist es wichtig in einen sinnvollen Rhythmus zu kommen, der nicht zu schnell ist. Vorsicht: von 120 auf 121 ändert sich der Sprechrhythmus. Der Schritt sollte hier verlangsamt werden, da man ansonsten die Zahlen nicht mehr ordentlich sprechen kann. Folgenden Hinweis muss insbesondere den Drittklässlern gegeben werden: Wenn man Atem holt, soll man mit dem Sprechen aufhören, um anschließend da einzusetzen, wo die anderen gerade sind (chorisches Atmen). Ansonsten könnte es dem ein oder anderen nach kurzer Zeit schwindelig werden.

Natürlich sprechen mit der Zeit immer weniger Schüler. Dies aus zwei Gründen: 1. weil objektiv immer weniger Schüler in der Gruppe laufen. Nach 20 Metern bleibt ja immer einer stehen und 2. ist es auch wirklich sehr anstrengend und nicht jeder wird es durchhalten. Man unterschätze nicht eine Länge von 1000 Metern. Man wird unter diesen Voraussetzungen etwa 20 bis 25 Minuten benötigen. Daher ist es gut, von vornherein die Möglichkeit zu eröffnen, zeitweilig mit dem Sprechen aufzuhören. Man wird die Motivation der Schüler sicher mehr herausfordern, wenn man sagt: „Ich bin gespannt, wer es die ganze Strecke über durchhält!“, als wenn man sagt: „Alle müssen die ganze Zeit laut mitsprechen!“ Wenn es gar keiner mehr durchhält, sollte es unverdrossen zumindest der Lehrer selbst schaffen!

Bei dieser Aktion sollten wenigstens vier Erwachsene dabei sein: Der erste Erwachsene sollte die Armee vorne anführen, zwei Erwachsene müssen gleich beim Start stehen bleiben (einer von ihnen ist der Kaiser). Der vierte Erwachsene läuft am Ende der „Armee“, um das richtige Stehenbleiben der Schüler nach jeweils 20 Metern zu gewährleisten. Er ist gleichzeitig mit Kreide bewaffnet, um immer ganz flink für den Schüler einen „Standpunkt“ auf die Erde malen zu können. Mit 3-4 schnellen Schritten wird er wieder in das Schrittmaß der Gruppe einfallen können.

Die Schüler, die am Anfang der Kette stehen bleiben, müssen scheinbar am längsten warten. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn wir den weiteren Verlauf betrachten. Alle werden genau gleich lang warten. Es ist aber trotzdem sinnvoll, bei der Festlegung der Reihenfolge das Temperament der Schüler ein wenig zu berücksichtigen. Vielleicht wählt man zuerst diejenigen aus, die ein bisschen mehr Geduld aufbringen können. Nun kann man allerdings nicht von den Schülern verlangen, dass sie zwanzig Minuten auf ihrem Standpunkt brav verharren. Deshalb haben sie Folgendes zu tun:
Immer wenn ein Schüler seinen Standpunkt erreicht hat, muss er dies in Richtung Anfang (Kaiser) melden: „Hannes angekommen!“ Da jeder Schüler die Streckenkarte mit allen Namen vorliegen hat, gibt er zuerst die Information weiter und macht neben den Schüler auf seiner Streckenkarte einen Punkt. So kann er einerseits verfolgen, wie weit die „Armee“ schon gelaufen ist und er hat andererseits etwas zu tun.

Das Rufen in der Reihe sollte auch in der Vorbereitungsstunde geübt werden. Hierbei wird es darauf ankommen, dass laut und langsam gesprochen wird und dass niemand in der Reihe übersprungen wird, auch wenn der Übernächst die Mitteilung schon längst verstanden hat. Dies ist wichtig und erfordert Disziplin. Aber schließlich handelt es sich ja um die kaiserliche Armee!

Ist die Armee schließlich am Ziel angekommen (Drachenhort) dann findet der Kampf gegen den Drachen statt. Hier könnte sich ein 11. Klässler im Drachenkostüm von einem Drittklässler, der mit einem Holzschwert bewaffnet ist, eindruckvoll besiegen lassen.

Nun steht die Reihe von vorn bis hinten auf einem Kilometer. Welche Informationen könnten durchgegeben werden:

  • Beim Hort angekommen
  • Lee (der stärkste Kämpfer) kämpft tapfer
  • Drache wurde besiegt
  • Mei Li lebt
  • (Richtungswechsel) Kaiser fragt: geht es ihr gut?
  • Ja, Mei Li weint vor Glück
  • (Richtungswechsel) Kaiser sagt: Der Kaiser kommt, seine Tochter zu empfangen.


Nun rollt sich das Ganze von hinten nach vorne wiederum auf. Der Erwachsene an der Startposition (Kaiser) beginnt den Marsch. Wenn ein Posten erreicht wird, ruft er seinen Namen in die Richtung des Zieles (Drachenhort). Er wird durch die noch verbleibende Kette bis zum Ziel weitergeben, sodass auch hier verfolgt werden kann, wann der Kaiser erscheint. Auch der Kaiser läuft zählend und im Gleichschritt. Jeder erreichte Posten fädelt sich nun hinten ein, damit der Gleichschritt nicht gestört wird. Während der Kaiser vorne läuft, ist der letzte Erwachsene wiederum hinten und übernimmt die Koordination, falls jemand nicht von allein weiß, wo und wie er sich einfädeln soll. Am Ende kommen alle jubelnd und die Prinzessin umarmend am Ziel an.

Hier wäre es natürlich sehr erfreulich, wenn durch Eltern für jeden Schüler eine kleine Leckerei bereitstünde, um das Fest zu feiern. Natürlich muss man zeitlich bedenken, dass die Schüler den Kilometer auch wiederum zurückgehen müssen.

 

Ein anderes Beispiel zur Übermittlung von Nachrichten über weite Strecken aus dem Buch „Dschungelkind“. Die Autorin Sabine Kuegler lebte die ersten 17 Jahre ihres Lebens bei dem Stamm der Fayu im Dschungel:

Die Fayu hatten ein hervorragendes „Fernmeldesystem“ entwickelt, zu dem man weder Kabel, Apparate noch Geld benötigte; man musste nur laut rufen können. Es war ein Sys¬tem, mit dem Nachrichten kilometerweit übertragen werden konnten. Der einzige Nachteil war, dass nichts geheim blieb. Sandte man eine Nachricht mit dem Dschungeltelefon, so wusste auch der ganze Dschungel davon. Es funktionierte so: Nakire stellte sich am Ufer des Flusses auf und rief mit eigenartiger Stimme, die mehr einem Geheul glich: »Wo ist Fusai, Nakire sucht Fusai!« Später wurde mir klar, dass die Stimme durch den Heulton viel weiter trägt, als wenn man nur ruft oder schreit.

Nakire wiederholte diese Sätze ein paar Mal. Nach einigen Minuten ertönte plötzlich eine zweite Stimme weiter flussaufwärts: »Wo ist Fusai, Nakire sucht Fusai«, so kam es von dort. Wiederum wurde der Satz wiederholt, bis jemand in noch größerer Entfernung sich meldete und die Nachricht weiterleitete, und so fort – bis die Kunde den Häuptling vom Stamm der Tigre erreichte. »Fusai ist bei ihrer Familie«, so schallte die Antwort zurück, auf dem gleichen Weg, den die Frage zuvor genommen hatte.

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