Leitfaden zur Architektur-Epoche
Ein Beitrag von Lea Inzenhofer (Freie Waldorfschule Wendelstein)
Die Architektur entwickelte sich parallel zur Menschheitsgeschichte. Wie eine Matroschka entspringt eine Epoche aus der anderen. Sie trägt die Vorangegangenen in sich und entwickelt sich durch die Verbindung des vorherrschenden Zeitgeists und der Rückbesinnung.
Somit beginnen wir in der Architektur-Epoche auch mit den ersten Grundzügen der Architektur, die bereits vor rund 400 000 Jahren in der Altsteinzeit ihren Ursprung haben. Dabei handelt es sich um einfache aus Ästen und Stämmen errichtete Behausungen. Erst im Zuge der Neolithischen Revolution verändert sich auch die Bauweise. Erste Pfahlbausiedlungen entstehen in der Jungsteinzeit. Die Häuser sind weiterhin überwiegend aus Holz, doch ein neuer Baustoff rückt in den Mittelpunkt: Lehm. Aufgrund der Skelettbauweise (die auch heute noch gerne genutzt wird) können geflochtene und anschließend mit Lehm verputzte Wände hochgezogen werden, da diese kein Gewicht tragen müssen.
Vor rund 9500 Jahren wurde die erste dauerhaft bestehende Siedlung in Anatolien gegründet. In ihrer Blütezeit soll die Stadt Çatalhöyük von rund 8000 Menschen bewohnt worden sein. Darauf folgen Profan- sowie auch Sakralbauten. Eines der bedeutendsten und sogleich faszinierendsten Bauwerke diese Zeit ist wohl Stonehenge.
Im vierten Jahrtausend v. Chr. schwappt die Kulturwelle von Vorderasien nach Ägypten über. Eine Hochkultur entsteht an den Ufern des Nils. Pyramiden von gigantischer Größe und einer unbeschreiblichen Präzision werden erbaut. Die Lebensweise der Menschen ist auf das Jenseits ausgerichtet, dies spiegelt sich in ihren schlichten Behausungen und den majestätischen Grabstätten wider.
Mit der Antike erfährt die Architektur noch einmal eine völlig andere Dynamik. Die Menschen versuchen, die Welt zu begreifen und zu beschreiben. Die Gesetzmäßigkeit des Goldenen Schnitts als Schönheitsideal wird entdeckt, ebenfalls die Kugelgestalt der Erde. Bei der Gestaltung des „Tempels der Athena Parthenos“ werden beide Phänomene vereint. Der Bau folgt einem genau berechneten Plan; nichts wird dem Zufall überlassen, dies verdeutlicht unter andrem auch die Säulenordnung (dorisch, ionisch und korinthisch).
Von den Römern werden viele Elemente aufgegriffen und in ihrer Weise umgesetzt. Symbolisch für die römische Architektur ist das Pantheon, ein Kuppelbau von 43,3m Durchmesser mit einer unverglasten Kuppelöffnung. Der gesamten Struktur liegt der geometrische Körper der Kugel zugrunde. Durch die neuartige Verwendung von Gussbeton, dem nach oben hin leichterer Stein beigemischt wird, kann die bis dahin größte Kuppel entstehen.
Anschließend befassten wir uns mit der frühchristlichen Basilika, die aus einem Mittelschiff und (je nach Größe) aus mehreren Seitenschiffen besteht. Der Brückenbau erfährt Aufschwung, ihm zugrunde liegt das Wissen um Rund- und Spitzböden und die damit verbundene Statik. Die Gebäude der Gotik sind aufwärtsstrebend, damit heben sie sich deutlich von der Romanik und auch von der Antike ab. Die Decke ist von einem Strukturgerüst getragen, Kräfte, die von oben nach unten wirken, werden über das Strebesystem abgeleitet. Bunte Glasfenster ermöglichen einen lichtdurchfluteten Innenraum. Bündelpfeiler verleihen dem Gebäude einen Gesamteindruck.
Die Romanik steht der Gotik als Pendant gegenüber. Die Gebäude wirken lastend und gedrungen. Mit ihren starken Mauern erscheinen sie wie eine Sicherheit gebende Burg. Das schlichte Erscheinungsbild wird durch Ornamente und kunstvolle Kapitelle unterbrochen.
Die Zeit ändert sich. Die Wissenschaft rückt in den Fokus. Jene Zeit ist geprägt durch die Erfindung des Buchdrucks, die „Entdeckung“ Amerikas und die Einführung des Heliozentrischen Weltbilds. Dieser Forscherdrang spiegelt sich sowohl in der Kunst als auch in der Architektur wider.
Die Renaissance nimmt direkten Bezug zur Antike, der goldene Schnitt wird wiederentdeckt. Städte südlich der Alpen verleihen dieser Epoche ihre Größe. Vor allem in Rom und Florenz sind viele Künstler beheimatet. Die von Brunelleschi konstruierte Kuppel des Doms in Florenz und seine Entdeckung der Zentralperspektive sind wegweisend. Der ideale Grundriss der Renaissance ist der Kreis. Der Zentralbau vermittelt einen ruhigen, in sich geschlossenen Gesamteindruck. Dieser wird durch die konkav-konvexen Ein- und Ausbuchtungen im Barock gebrochen. Die Pastelltöne im Rokoko lösten den Prunk und Pomp des Barocks ab.
Der Leitspruch des Klassizismus „Edle Einfalt- stille Größe“ drücken den Kontrast zu den vorangegangenen Epochen aus. Erneut wird die Antike zitiert, ein Beispiel hierfür ist der Königsplatz in München. Der vom britischen Architekten und Botaniker entworfene Kristallpalast zur Weltausstellung im Jahr 1851 fasziniert mit seinem Eisenskelett. Die durchgängig gläsernen Wände lassen jegliche Raumgrenzen verschwinden. Schon hierbei sind die Grundzüge der Ingenieurskunst nachvollziehbar. Ebenso entsteht der Eiffelturm in der Epoche des Historismus. Als Gegenströmung prägt sich der Jugendstil aus.
Angekommen in der Architektur der Moderne vereint der Leitspruch „Form follows function“ unterschiedlichste Strömungen. Neben dem Jugendstil steht die Reformarchitektur, der Expressionismus und die Art déco. Das Bauhaus, zunächst in Weimar, verkörpert diese Ideale. Architektur und Handwerk werden in der Bauhausschule wieder vereint. Neben der funktionalen Gestaltung war Ziel, die Gesellschaft zu schockieren. Des Weiteren strebten sie an, jedem ein lichtvolles Eigenheim zu ermöglichen Die Architektur wurde auf das Wesentliche zurückgeführt und beschränkt sich auf geometrische Körper. Flachdächer, große Glasflächen und weiße Wände sind charakteristische Ausdrucksformen.
Der Epocheninhalt wurde durch das praktische Arbeiten an Modellen, die aus Ästen oder Papier kreiert wurden, unterstützt.