3D-ART
Ein Beitrag von Jörg Frenzel (Freie Waldorfschule Kaltenkirchen)
Wir kamen auf dieses spannende Thema in der Kunstgeschichtsepoche der 10. Klasse.
Anfang des 15. Jahrhunderts krempelt eine bahnbrechende Erfindung die Kunstwelt um, die Erfindung der Perspektive. Dieses Ereignis wird von vielen Historikern als so bedeutend eingestuft, dass sie (mit) als Markstein für den Beginn der Renaissance angesehen wird, also der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
Was aber ist Perspektive und warum heißt sie so?
Ganz knapp gesagt ist die Perspektive ein zeichnerisches Verfahren, das mir ermöglicht, Räumlichkeit auf einer Fläche so darzustellen, dass sie dem natürlichen Seheindruck sehr nahekommt. Dass dies zum ersten Mal mathematisch exakt konstruierbar geschehen konnte, muss auf die Künstler damals geradezu elektrisierend gewirkt haben, wie man an der „Idealen Stadt“ von Francesco di Giorgio aus dem Jahre 1495 gut ablesen kann.
Diese Stadt hat es so natürlich nie gegeben. Sie müsste exakt wie ein Schachbrett aufgebaut sein. Alle in die Tiefe führenden Kanten verlaufen parallel und treffen sich in einem Punkt – dem Fluchtpunkt. Die grüne Linie bezeichnet den Horizont.
Perspektive ist lateinisch und heißt wörtlich übersetzt „durchgucken“.
Warum? Das kann man sich an folgerndem Beispiel gut klarmachen:
Nur mal angenommen: Ich stehe mit einer Staffelei auf einem Bahngleis, das schnurgerade bis zum Horizont führt. (zugegeben – keine gute Idee, aber man kann es sich ja zumindest vorstellen) Auf meiner Staffelei steht statt einer Leinwand eine Glasscheibe. Was würde ich sehen? Die beiden Schienenstränge laufen scheinbar in einem Punkt auf dem Horizont (der meiner Augenhöhe entspricht) zusammen und die Abstände der Schwellen würden immer kleiner werden. Ich schaue also durch die Scheibe (denn nichts anderes ist im Grunde genommen ein Bild) auf die Szene und kann direkt mit einem Stift (Edding) aus das Glas zeichnen. Das würde dann etwa so wie in der Zeichnung oben aussehen.
An der Zeichnung erkenne man gut, dass sich die Breite der Schwellen (von oben) und die Abstände der Schwellen zueinander auf der Scheibe (Bild, Bildebene) gesetzmäßig verringern. Man erkennt auch gut, dass sich die gedachten Linien (rot) vom Betrachter zu den Schwellen immer mehr der Mittellinie mit dem Pfeil annähern (von oben) und immer mehr der Höhe des Horizontes (von der Seite).
Man könnte sich den Flucht-„punkt“ also wie eine unendlich lange ungekochte Spaghetti vorstellen, auf die ich direkt von vorne draufschaue. Verbinde ich Breite und Höhe, erhalte ich die exakte perspektivische Abbildung des Gleises bezogen auf meinen Standpunkt.
Ein zweites Beispiel ist auf der Zeichnung rechts abgebildet:
Unser Betrachter B schaut - wieder durch eine Scheibe (blau markiert) - auf ein Schachbrett vor ihm auf dem Boden. Wir sehen die Situation einmal von oben (rote Linien) und von der Seite (grüne Linien). Klammer 1 zeigt, wieviel B in der Höhe von dem Schachbrett sieht, Klammer 2 zeigt die Breite. In der Verbindung ergibt sich wieder die genaue perspektivische Ansicht, wie sie sich B aus seiner Position heraus darbietet.
Übrigens haben wir so ein Schachbrett tatsächlich bei uns auf dem Schulhof. Darauf steht ein Tischtennistisch. Ich habe eine Folie darübergelegt und auf dieser die Perspektivkonstruktion verdeutlicht. Man kann so ein Schachbrett recht einfach konstruieren, wie man auf den folgenden 4 Zeichnungen erkennen kann. Die Höhe des Horizontes bestimmt den Winkel, in dem ich auf das Brett schaue. Man kann sich vorstellen, wie ein Maulwurf oder ein großer Mensch die gleiche Situation sehen würde.
Unten links auf dem Bild kann man gut erkennen, wie die Höhe des Horizonts – sie allein wird verändert – die Ansicht des Hauses verändert. Ist die Höhe sehr niedrig wie im ersten Bild (Untersicht), spricht man von Froschperspektive, ist sie dagegen sehr hoch (Aufsicht), von Vogelperspektive.
Dieser kleine einleitende Überblick zur Perspektive erschien mir notwendig, um unser eigentliches Thema, die 3D-Art zu verstehen. Wir wissen nun, was Perspektive ist, wozu sie dient und warum sie so heißt. Die einfachste Form der Perspektive ist die mit einem Fluchtpunkt wie bei dem Haus rechts. Alle Teile, die nach vorne zeigen, bleiben hier unverändert und die Teile, die in die Tiefe führen, richten sich auf einen Fluchtpunkt aus und werden verkürzt. Natürlich gibt es auch Ansichten mit mehreren Fluchtpunkten, wenn z.B. ein Gebäude nicht parallel zum Bild steht und gleichzeitig Tiefe oder Höhe dargestellt werden soll wie bei dieser Schülerarbeit aus der 9. Klasse. Hier gibt es 3 Fluchtpunkte (außerhalb des Bildes), die ihr leicht findet, indem ihr die Kanten nach „hinten“ verlängert.