Die Großkaufleute - ein neuer Stand
Im Mittelalter hatte jeder Mensch seinen ihm bestimmten Platz in der Gesellschaft. Dem einen ging es dabei besser, dem anderen schlechter - aber jeder akzeptierte im Großen und Ganzen seine Rolle als gottgewollt. Kaiser, Papst, Ritter, Priester, Bauer und Bürger - alle hielten sich an ihre standesgemäße Aufgabe im Dienst der gesamten Gemeinschaft und, letztlich, im Dienste Gottes. Das gemeinsame Ziel verband alle miteinander.
Mit dem Beginn der Renaissance wurde dies anders. Die Menschen begannen ihre Rolle in der Gesellschaft zu hinterfragen. Sie wollten unabhängiger leben. Sie fühlten sich mündig, wie Jugendliche, die der Schule entwachsen sind; sie begehrten Handlungsfreiheit.
Dafür zeugen besonders auffällig die Großkaufleute, die sich jetzt aus dem Bürgerstand erhoben: Geschäftsunternehmer, wie es sie bisher nicht gegeben hatte. Sie erkannten die großen Möglichkeiten der Geldwirtschaft, die seit den Kreuzzügen aufgekommen war, und gewannen durch Reichtum unerhörte Macht. Selbst Kaiser und Könige wurden von ihnen abhängig. Sie waren die ersten «Kapitalisten».
Händler
Italiener gingen auch hier voran. Der Mittelmeerhandel blühte. Ein Dichter - Petrarca, der erste Humanist - berichtet aus Venedig:
Ich sehe Schiffe so groß wie mein Haus, mit turmhohen Masten. Sie gleichen schwimmenden Bergen. Sie befahren jeden Teil des Erdkreises und trotzen unermesslichen Gefahren. Sie bringen Wein nach England, Honig nach Russland, Safran, Öl und Leinwand nach Assyrien, Armenien, Persien und Arabien, Holz nach Ägypten und Griechenland. Sie kehren schwer beladen zurück mit Erzeugnissen aller Art, welche von hier aus in alle Weltgegenden verschickt werden.
Großer Reichtum
Es entstand also durch Handel und Geldwirtschaft eine ganz neue gesellschaftliche Schicht. Der Händler entstammte in der Regel dem Bürgertum und nicht zwangsläufig dem Adel. Besonders wenn Handelsmonopole vergeben wurden, konnten Handelsfamilien ungeheuer reich werden. Manche von ihnen betrieben nicht nur Handel, sondern begannen auch selber Waren in großen Mengen herzustellen - vor allem Tuch. Schon im 14. Jahrhundert bauten einzelne Händler in Florenz eine organisierte Zusammenarbeit von bis zu 30.000 Heimwerkern auf, die Wollstoffe herstellten.
Das meiste Geld konnte man jedoch mit Bergwerken erzielen. Wenn der Landesfürst einem Großunternehmer die Ausbeutung von Bergwerken übertrug, so konnte dieser schnell steinreich werden. Dies geschah in Deutschland sogar noch mehr als in Italien, da hier die Erzvorkommen besonders groß waren.
Die Geldwirtschaft hatte sich gegenüber der Naturalwirtschaft endgültig durchgesetzt. Das rief u.a. eine Familie auf den Plan, die meisterlich mit dem Geld umzugehen vermochte. Die Fugger in Augsburg waren zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Art Familienbank, die ein Geldimperium aufbaute. Ihr Einfluss wurde so groß, dass man den Fuggern nachsagte, selbst die Kaiserwahl beeinflusst zu haben. Tatsächlich hatten ihre Darlehen zur Bestechung der Kurfürsten - über 500.000 Gulden - die Wahl Karls V. entschieden.
Die Geldausleihe gegen Zins wurde trotz des kirchlichen Verbotes zu einem sehr einträglichen Geschäftszweig aller Geldmächtigen. Auch Bischöfe, Kardinale und Päpste bezogen Darlehen. Die Geldherren erwiesen anderseits der Kirche eine offene Hand durch Stiftung von Kapellen, Bildern und Altären. «Pro Dio», für Gott, überschrieben sie solche Ausgaben in ihrer Buchhaltung.
Kunst und Wissenschaft
Viele dieser steinreichen Handelsfamilien war aber auch große Förderer von Kunst und Wissenschaft. Die Kulturblüte von Florenz wäre undenkbar ohne das Haus der Medici. Aber auch die Fugger besaßen nicht nur Truhen Gold, sondern waren zudem eifrige Sammler von Kunstwerken. Ihre Augsburger Häuser glichen Königssitzen:
Gewölbte Räume, auf marmornen Säulen ruhend, nach antiker Art mit Standbildern verziert. Das wundervolle Schlafgemach des Hausherrn mit vergoldeter Felderdecke. Anschließend die Kapelle aus kostbarstem Material. In allen Gemächern die erlesensten Gemälde aus Italien und Porträts von der Hand Lukas Cranachs. In den Gärten Brunnen mit aus Erz gegosse¬nen Götterbildern. Man erzählt uns, die Kunstwerke seien fast aus der ganzen Welt zusammengetragen.