Napoleon und seine Zeit
Ein Artikel von Johann Wagner (Ehemaliger Waldorflehrer an der Freien Waldorfschule Freiburg St. Georgen)
VORBEMERKUNG
Die Literatur über Napoleon ist grenzenlos. Mehr als zwei Tage wird man aber im Geschichtsunterricht dafür kaum verwenden können. Die folgende Zusammenstellung versucht deshalb in möglichst geraffter Form nicht nur die militärische Seite Napoleons aufzuzeigen, sondern auch seine zivilen Ideen und Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Napoleon einer der größten Diktatoren in der europäischen Geschichte war, bei dessen Kriegszügen etwa fünf Million Menschen ihr Leben lassen mussten.
Es wurde nicht der Versuch unternommen diese Inhalte didaktisch aufzubereiten, sprich konkrete Unterrichtsgestaltungen vorzuschlagen. Dies soll jedem Klassenlehrer selbst überlassen bleiben.
KAPITELÜBERSICHT
- Die Kaiserkrönung
- Die Situation vor der Französischen Revolution
- Der Sohn eines korsischen Landadeligen
- Sieg über Österreich
- Feldzug nach Ägypten
- Napoleon und seine Selbstinszenierung
- Der Mensch Napoleon
- Auf dem Weg vom Feldherrn zum Kaiser
- Zahlreiche Siege
- Der Kriegszug nach Russland-Verbannung und Tod
- Folgen für Europa und Wieder Kongress
DIE KAISERKRÖNUNG - HÖHER HINAUS GEHT ES NICHT MEHR
Nichts überlässt Napoleon an diesem Tag, es ist der 2. Dezember 1804, dem Zufall. Die Krönung zum Kaiser ist geplant wie ein Feldzug, als ob man Größe erobern könne. Die Kathedrale ist in einen neogriechischen Tempel verwandelt. Ein Triumphbogen wurde errichtet, dahinter führt die Treppe hinauf zum Thron. Die Wände sind mit Seide und Samt verkleidet, die Kostüme im Renaissance-Stil entworfen worden. Aus 56 Goldblättern hatte man den Lorbeerkranz geflochten, die Krone wurde aus vergoldetem Kupfer geformt. Die Krönungsmesse wird von vier Chören und 400 Musikern gestaltet. Man hat das Zepter von Karl dem Großen herbei geschafft, denn nur mit ihm, Cäsar und Alexander war er bereit sich zu vergleichen. Privathäuser riss man ab, um den Kutschen eine bessere Durchfahrt zu ermöglichen. Napoleon will wie Karl der Große vom Papst gesalbt werden, aber nicht in Rom, sondern in Paris. Nach Verhandlungen und wohl auch Drohungen hat der Papst zugestimmt, hoffte er doch dadurch auf Zugeständnisse und Gegenleistungen Napoleons.
50 000 Soldaten sorgen in Paris für Ruhe, 400 000 Menschen verfolgen die Zeremonie auf den Straßen. Lange lässt Napoleon die Gäste und vor allem den Papst warten, ehe er in einer vergoldeten Kutsche, gezogen von acht Pferden, vorfährt. Vierundzwanzig andere Kutschen begleiten ihn. Mit dem Triumphmarsch zieht er ein. Nach der Salbung setzt er sich den Lorbeerkranz selbst auf, er will kein Kaiser von Papstes Gnaden sein und demonstriert dadurch seinem Volk, dass er die Trennung von Staat und Kirche aufrecht erhalten wird.
Napoleon schwört die Glaubensfreiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die politische und bürgerliche Freiheit zu wahren und dass er nur zum Wohlergehen und Ruhme Frankreichs das Volk regieren wolle.
DIE SITUATION VOR DER FRANZÖSISCHEN REVOLUTION
Zwei Jahrzehnte früher wäre ein solch rasanter Aufstieg wohl nicht möglich gewesen. Frankreich hatte 25 Millionen Einwohner, davon waren 23 Millionen in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Bauern mussten ein Viertel, wenn sie Halbpachtverträge hatten 50% dem Grundherrn abgeben, 10% der Kirche und 5% dem Königshaus. Hinzu kamen die unterschiedlichsten Steuern. Die Landbevölkerung lebte in Armut.
1,4% der Adeligen und 0.2% der Kirchenmänner waren Nutznießer dieses Systems. Mit den Steuern des Volkes wurden die Kriegsschulden bezahlt, wie auch der Bau und Unterhalt des Schlosses von Versailles. Die Situation in Frankreich kann, in ähnlicher Form, für viele europäische Staaten gelten.
1775 kam es zu einer ersten Eskalation. Die Ernte war schlecht gewesen, die Getreidepreise, bestimmt durch Angebot und Nachfrage, kletterten beständig in die Höhe. Arbeiter und Tagelöhner mussten die Hälfte ihres Lohnes verwenden, um sich Brot kaufen zu können. Die Kleinbauern, die unter dürftigsten Bedingungen lebten, behielten von der Ernte gerade so viel übrig, dass sie überleben konnten. Jedes zweite Bauernkind erreichte nicht das 15. Lebensjahr.
Als die Getreidepreise weiter anstiegen, kam es in zahlreichen Orten zu Aufständen, dem sog. Mehlkrieg. Bauernhöfe werden geplündert, aber auch Getreidespeicher, Mühlen und Backstuben. Schließlich erreichen die Aufstände auch Paris. 25 000 Soldaten schlagen diese so schnell nieder, wie sie entstanden waren. Zwar werden die Getreidepreise nun wieder staatlich festgelegt, in den Augen des Volkes aber hat der König versagt. Ein anonymes Flugblatt spricht aus, was viele Franzosen denken: „Wenn der Preis nicht sinkt, werden wir den König und die Linie der Bourbonen vernichten." Die Unzufriedenheit und die Nöte führen schließlich zur Französischen Revolution. Frankreich wird durcheinander gewirbelt und einer der großen Gewinner dieser unruhigen, explosiven Zeit, ist eben jener Napoleon Bonaparte.
DER SOHN EINES KORSISCHEN LANDADELIGEN WIRD OBERBEFEHLSHABER IN DER FRANZÖSISCHEN ARMEE:
20 Jahre ist Napoleon alt, als der Sturm auf die Bastille zum Auftakt für die Französische Revolution wird. In Ajaccio, auf Korsika, wird er als zweiter Sohn eines Kleinadeligen geboren. Napoleon erhält ein Stipendium und landet als 9-jähriger auf der Militärschule in Brienne. Erst dort lernt er französisch und wird zum Militärdienst gedrillt. Er schließt sich der Artillerie an, dort zählt eher Können und Ehrgeiz, als bei der vom Adel dominierten Kavallerie. In der Folgezeit besucht er die Ecole Militaire in Paris. Als der Vater stirbt, sieht er sich als Oberhaupt der Familie und fühlt sich fortan für diese verantwortlich.
Mit 16 Jahren tritt er seinen Dienst als Unterleutnant an, er ist schüchtern, ungeschickt im gesellschaftlichen Auftreten, kämpft sich durch Bücher, ist ungeheuer ehrgeizig. Im Gegensatz zu vielen seiner Offizierskollegen ist er kein Glücksspieler und Trinker. Was er vom kargen Lohn entbehren kann, schickt er heim.
Inzwischen hat sich der Dritte Stand zur Nationalversammlung erklärt.
Napoleon denkt in erster Linie an seine Familie, kehrt nach Korsika zurück. Dort kämpfen und intrigieren die Clans gegeneinander. Napoleon wandelt sich schnell zu einem entschlossenen, rücksichtslosen Politiker. Korsika wird ihm zu eng, er entdeckt die „Liebe" zu Frankreich.
Inzwischen ist der König gefangen genommen worden und Napoleon schwört, wie alle anderen, einen Eid auf den Nationalkonvent. Noch einmal kehrt er für längere Zeit nach Korsika zurück. Seine Familie wird schließlich von dort vertrieben und siedelt sich in Südfrankreich an. Wir haben Juli 1793. War es sein Glück, dass er in der Zeit, in der die Hinrichtungen an der Tagesordnung waren, weit weg von Paris weilte?
Das revolutionäre Frankreich befindet sich inzwischen im Krieg mit Österreich, Preußen, England, den Niederlanden, Spanien und Italien. Jeder Offizier wird gebraucht, Napoleon zum Hauptmann befördert. Er tritt den Jakobinern bei, freundet sich mit dem Bruder Robespierres an, ist bald Major und als Toulon gegen die Revolutionsregierung aufbegehrt, mit englischer und spanischer Hilfe, zeigt Napoleon erstmals seine Fähigkeiten als Kriegsführer, mit gnadenloser Härte und großem Organisationstalent ist er wesentlich daran beteiligt, den Aufstand blutig niederzuschlagen. Kriege und Schlachten werden ihn auf seinem weiteren Weg ununterbrochen begleiten. Nachdem beide Brüder Robespierre hingerichtet wurden, verhaftete man auch Napoleon. Sein Aufstieg schien beendet. Frankreich braucht jedoch im Kampf mit seinen zahlreichen Gegnern jeden fähigen Offizier. So ließ man Napoleon wieder frei.
Im Oktober 1795 marschieren aufgebrachte Bürger auf Paris zu, weil der Nationalkonvent bestimmte Rechte außer Kraft setzen will. Napoleon reagiert blitzschnell. Unter seiner Führung wird die Revolte blutig niedergeschlagen. Er wird zum Oberbefehlshaber der Armee ernannt und macht sich, gerade einmal 26 Jahre alt, auf den Weg nach Italien.
DER SIEG ÜBER ÖSTERREICH
Mit einem Heer von 40 000 Mann besiegt Napoleon sechs österreichische Armeen in mehreren Schlachten. Er unterwirft Genua und das Königreich Sardinien-Piemont, die Republik Venedig, das Herzogtum Mailand. Er bedroht den Kirchenstaat und zwingt den Papst 100 Gemälde aus den berühmten Sammlungen heraus zu geben und 21 Millionen Livre Tribut zu bezahlen. Mit diesen Siegen, errungen durch Schnelligkeit und Wagemut, schafft er den Mythos des unbesiegbaren Feldherrn. Auch seine Soldaten werden belohnt, sie dürfen Pavia plündern. Napoleon zeigt aber auch zu welcher Brutalität er fähig ist. Als sich die Bewohner der Lombardei gegen die Besatzer auflehnen, lässt er ein Dorf niederbrennen und alle männlichen Einwohner erschießen.
Kurze Zeit später steht er 130 km vor Wien. Der österreichische Kaiser Franz II kapituliert. Ohne die Vollmachten des Direktoriums abzuwarten, handelt er einen Friedensplan aus. Frankreich erhält Belgien und das linke Rheinufer. Napoleon fühlt sich nun berufen eine Rolle in der Geschichte zu spielen. Das Direktorium spürt, dass Napoleon gefährlich wird, so erhält er den Ruf als Heerführer nach Ägypten zu ziehen.
FELDZUG NACH ÄGYPTEN
Großbritannien ist einer der Hauptgegner Frankreichs. England anzugreifen, dazu ist Frankreich zu schwach, aber, so Napoleons Idee, wenn es gelingt die Durchfahrt durch das Rote Meer zu blockieren, wird die Wirtschaft Englands entscheidend getroffen. Der Feldzug wird ein völliger Misserfolg. Die französische Flotte wird von den Engländern unter Admiral Nelson besiegt und auch im osmanischen Reich, zu dem Ägypten gehört, hat Napoleon keinen Erfolg. Heimlich verlässt er, per Schiff, mit wenigen Ausgewählten das Land um nach Paris zurückzukehren. Bei den Machtkämpfen in Frankreich will er ein entscheidendes Wort mitreden.
Bei diesem Feldzug lässt sich jedoch eine andere Seite von Napoleon erleben. 167 Forscher begleiten die Truppen. Bedeutende Wissenschaftler aus allen Bereichen hat er mit auf diesen Feldzug genommen: Kunstsammler, Zoologen Physiker, Botaniker, Brückenbauer u.a. Er selber ist Mitglied des Institut de France. An Bord der Schiffe befinden sich komplette Laboreinrichtungen. Er konfrontiert die Wissenschaftler u.a. mit folgenden Fragen: Kann man die Öfen verbessern, in denen die Truppen ihr Brot backen? Lässt sich Bier ohne Hopfen herstellen? Wie kann man Schießpulver herstellen? Wie ist der Zustand des Landes? Was wollen seine Bewohner? Es werden Kommissionen gegründet, die darauf Antworten finden sollen. Weitaus intensiver gehen die Wissenschaftler jedoch den Fragen nach, die ihr Fachgebiet betreffen. Dies geht so weit, dass sogar Kugeln eingeschmolzen werden um Bleistifte herzustellen. Es wird geforscht, vermessen, entdeckt. Die Hieroglyphen, die Pyramiden, vor allem Theben lösen eine große Begeisterung aus. Selbst der Kopf der Sphinx wird genauestens vermessen. Ein Offizier findet einen ganz besonderen Stein, 112 cm lang und 762 kg schwer, den Stein von Rosette, mit dessen Hilfe einige Zeit später der Franzose Champollion die Hieroglyphenschrift entziffern wird. Von Frankreich ausgehend beginnt in der Folge eine ausgeprägte Ägyptenleidenschaft. Den Stein von Rosette müssen sie allerdings, nach der Niederlage an die siegreichen Engländer abgeben.
Napoleon gibt ein 20bändiges Werk über Ägypten und alle damit verbundenen Erforschungen in Auftrag. Wissenschaft und Propaganda ergänzen sich gegenseitig. Als der letzte Band erscheint, lebt Napoleon bereits nichts mehr. Trotz des Misserfolges dieses Feldzuges kann Napoleon den Anschein erwecken als Sieger heimzukehren. Er ist wohl der erste der großen Diktatoren, der es meisterhaft beherrscht die Medien einzusetzen.
NAPOLEON UND SEINE SELBSTINSZENIERUNG
Kameraleute konnte Napoleon nicht mit auf seine Feldzüge nehmen, aber Maler und die malten das, was der Feldherr sehen wollte. Beim Übergang über den Alpenpass, als er gegen die Österreicher kämpfte, sah man ihn auf einem Pferd, das sich wild aufbäumt, dunkle Gewitterwolken vermitteln das Bild eines Mannes, der sich durch nichts aufhalten lässt, ein Bild extremer Härte und Entschlossenheit. Tatsächlich hat er den Pass auf einem Maultier „bezwungen", bei strahlendem Sonnenschein. Beständig schrieb er Briefe nach Paris, Generäle schickte er zurück nach Frankreich um Vorträge über das Kampfgeschehen zu halten. Die Hindernisse übertrieb er, wie auch die Verluste der Gegner. Eigene Rückschläge verschwieg er. Mit erbeutetem Geld finanziert er zwei Zeitungen. Das Bild eines bescheidenen, einfachen Helden wird aufgebaut. Die Zeitungen sind gratis und erreichen so viele Leser.
Der Höhepunkt der Selbstinszenierung war seine Kaiserkrönung. Nachdem er Alleinherrscher geworden war, verbietet er 60 der 73 in Paris erscheinenden Zeitungen, sie seien Werkzeuge in der Hand der Republikfeinde. Sein Polizeiminister Fouche baut einen Polizeistaat auf. Es herrscht Briefzensur und über unzählige Personen werden Dossiers angelegt. In Frankreich und den besiegten Ländern herrscht ein ausgeprägtes Spitzelwesen. In Theaterstücken, Predigten und Gemälden lässt er sich feiern. Als neuen Alexander, Cäsar, Karl der Große lässt er sich besingen. Schüler müssen ein Glaubensbekenntnis ablegen, in dem sie schwören ihrem Kaiser Liebe, Achtung, Gehorsam, Treue und den Kriegsdienst zu schulden.
DER MENSCH NAPOLEON
Napoleon ist 1,68 cm groß, mit seinem breiten Hut, dem kurzen Hals und der untersetzten Figur , hat er keine Heldenstatur. Geprägt durch das Leben im Clanverband auf Korsika, für den er Verantwortung fühlt, versorgt er seine Geschwister mit zahlreichen hohen und höchsten Ämtern im eroberten Europa.
Erzählungen schildern ihn als aufbrausend. Seine Launen seien unstet wie das Wetter in den Bergen, ohne Übergang wechsle er von Lockerheit, Heiterkeit in Wut. Seine Zornesausbrüche werden im Laufe der Jahre immer gewalttätiger. Er wirft mit Geschirr um sich. Minister und Damen am Hofe zieht er an den Ohren, dass sie vor Schmerz aufschreien. Nach dem Essen wischt er sich die Hände am Tischtuch ab. Seine Handschrift ist kaum leserlich, seine Rechtschreibung fragwürdig. Eine Hofdame meint: „Niemals hat er sich irgendeiner Macht fügen wollen, nicht einmal der Grammatik." Selbst seine Brüder dürfen ihn nicht mehr duzen und ihn nur ansprechen, wenn er ihnen die Erlaubnis dazu gegeben hat.
Napoleon war ein harter Arbeiter. Er stand um 7.00 Uhr auf, studierte die Zeitungen und versah sie mit Kommentaren, keine Zeile entging ihm. Von 9-11 Uhr fanden die Audienzen statt, anschließend frühstückte er. Napoleon konnte mehrere Briefe gleichzeitig diktieren. Bis 18.00 Uhr lösten sich Sitzungen und Papierkrieg ab, dann arbeitete er alleine weiter. Er brauchte nur wenig Schlaf.
Für Napoleon zählt allein die Tat, subtile Regungen sind ihm nicht geheuer. Er kann sich nicht auf eine berühmte Familie stützen, auf keine Tradition. Von sich sagt er, er musste zu einer Zeit kommen, wo die Gewalt ein Bedürfnis geworden war. Und zu einem anderen Zeitpunkt: „Wenn ich gestorben bin, wird die Welt aufatmen."
AUF DEM WEG VOM FELDHERRN ZUM KAISER
Ein junger Feldherr, militärisch brillant, propagandistisch geschickt, dazu beim Volk und Militär beliebt, ausgestattet mit dem unbedingten Willen zur Macht, schaltet er sich in Paris in die Machtkämpfe ein. Wir schreiben das Jahr 1799.
Napoleon erringt die Macht, wird vom Volk zum Konsul auf Lebenszeit gewählt und der Krieger und Despot Napoleon zeigt seine andere Seite.
Napoleon erweist sich als fähiger Regierungschef. Unter seiner Führung wird das erste einheitliche Zivilrecht Frankreichs erarbeitet, der Code Civil. Darin wird die Gleichheit vor dem Gesetz festgeschrieben, wie auch der Schutz des Eigentums. Viele Passagen sind auch heute in Frankreich noch gültig. Er führt eine neue Währung ein, gründet die Banque de France und ordnet die Staatsfinanzen, baut also Schulden ab. Es folgt ein stetiges Wirtschaftswachstum. Napoleon setzt hierfür auf die Kaufleute und die Grundbesitzer. Im Parlament sitzen nur noch Menschen mit Vermögen. Ein internationaler Gerichtshof schwebt ihm vor.
Das Volk profitiert von den stabilen Getreidepreisen, die Truppenaushebungen verhelfen den Tagelöhnern zu regelmäßiger Arbeit, sie werden nun gebraucht. Napoleon reformiert das Schulwesen und zentralisiert die Verwaltung. In 100 Departements werden ortsfremde Präfekten eingesetzt, die von ortsbekannten Unterpräfekten unterstützt werden. So soll Korruption verhindert werden. Wer nicht zuverlässig arbeitet, wird abberufen. Schließlich sucht er auch den Kontakt zur Kirche, betont aber das Recht auf Religionsfreiheit.
Napoleon forciert den Straßenbau. Viele französische Alleen stammen ursprünglich aus dieser Zeit. Dadurch fördert er den Handel und Warenverkehr, aber auch das zügige Vorwärtskommen der Armeen, denn trotz dieser zivilen Erfolge ist Napoleon ein Herr des Krieges.
ZAHLREICHE SIEGE
1801 tritt Kaiser Franz II, nach mehreren österreichischen Niederlagen das linke Rheinufer an Frankreich ab.
1803 Kirchlicher Besitz wird säkularisiert, Nutznießer sind vor allem Baden, Württemberg, Bayern und Hessen-Darmstadt. Sie werden zu Napoleons Verbündeten, stark genug Österreich in Schach zu halten, zu schwach um Napoleon gefährlich werden zu können. Aus diesen und anderen deutschen Staaten entsteht der Rheinbund.
1806 16 deutsche Reichsstände und vier Kurfürsten unterzeichnen die Rheinbundakte in Paris. Anschließend treten sie aus dem Verband des Alten Reiches aus. 23 weitere Staaten schließen sich dem Rheinbund an. Preußen ist nicht darunter. Diese Verbündetet haben Soldaten zu stellen und die finanziellen Belastungen der Kriege zu übernehmen. Der Code Civil gilt auch in diesen Staaten, d.h. die rechtliche Gleichheit der Bürger, die Gewerbefreiheit und außerdem wird die Leibeigenschaft aufgehoben.
Kaiser Franz II tritt als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurück, bleibt aber österreichischer Kaiser. Im Oktober des gleichen Jahres, nach den Siegen bei Jena und Auerstedt, marschiert Napoleon mit seinen Truppen in Berlin ein. Niemand scheint ihm gewachsen zu sein. Das stolze Vierergespann, die Quadriga, auf dem Brandenburger Tor, wird nach Paris transportiert, welche Demütigung für Preußen.
Sein eigentlicher Hauptgegner aber ist Großbritannien, er verhängt die sog. Kontinentalsperre. Keine Waren dürfen nach England gelangen, dieser Gegner soll ausgehungert werden. Als der russische Zar Alexander dagegen verstößt, erklärt ihm Napoleon den Krieg. Russland soll besiegt werden, um Sieger über England zu werden.
DER KRIEGSZUG NACH RUSSLAND-VERBANNUNG UND TOD
Am 16.05.1812 eröffnet er in Dresden den Feldzug mit einem beeindruckenden Staatsakt. Fast alle deutschen Könige und Fürsten, sowie der österreichische Herrscher nehmen daran teil. Zar Alexander soll eingeschüchtert werden.
600 000 Mann hat Napoleon mobilisiert, 420 000 gehören zu ersten Angriffswelle, 80 000 Reiter nehmen an diesem Feldzug teil. Soldaten aus den besiegten Ländern stellen ein bedeutendes Kontingent, allein aus Polen müssen 95 000 Soldaten mit nach Russland ziehen. Man könnte sagen Europa gegen das zaristische Russland. Allein die Versorgung mit Lebensmitteln und der Nachschub von Waffen verlangt eine geniale Logistik. Wie immer werden aber die Gegenden ausgeplündert durch die das Heer zieht.
Der Feldzug wird zu einer Katastrophe. Das russische Heer weicht zurück, stellt sich erst nach Monaten zum Kampf, bei Borodina. Ohne Schlacht ist das napoleonische Heer bereits um ein Drittel geschrumpft durch katastrophale Witterungsbedingungen. Napoleon siegt und zieht kampflos in Moskau ein. Die Verteidiger haben selbst ihre Stadt angezündet, ein Drittel einer der schönsten Städte Europas brennt nieder. Napoleon ist verunsichert, der Zar will keinen Frieden schließen, zu lange zögert der sich für unbesiegbar haltende Feldherr, ehe er den Rückmarsch befiehlt. Zu spät. Der Winter bricht an, die Soldaten sind ohne entsprechende Kleidung unterwegs, Tausende erfrieren, die Nachzügler werden von der Bevölkerung oder nachrückenden russischen Soldaten getötet.
Ehe die Nachricht von der Niederlage bekannt wird, will Napoleon in Paris sein. Wie bereits beim Ägyptenfeldzug verlässt er heimlich das Heer. In Paris benimmt er sich so als sei nichts geschehen. Lediglich der grausame Winter habe zum Rückzug geführt. Er verschweigt, dass der größte Teil des Heeres bereits vernichtet war, ehe der Winter begann. 400 000 napoleonische Soldaten sind umgekommen, eine noch größere Zahl russischer Verteidiger. (Soldaten und Zivilisten)
Napoleon stellt ein neues Heer auf, 200 000 Mann. Aber er ist nicht mehr unbesiegbar. Auf der Stelle schließt der preußische König einen Vertrag mit dem Zaren. Kurze Zeit später auch der österreichische Kaiser.
Die Völkerschlacht bei Leipzig führt zur nächsten Niederlage Napoleons. Der Rheinbund löst sich auf. Die Kämpfe werden erstmals nach Frankreich getragen. Zar Alexander und der preußische König reiten als Sieger in Paris ein. Als sie die Integrität Frankreichs in den Grenzen von 1792 garantieren, fallen die Franzosen von Napoleon ab. Dieser schluckt Gift, stirbt aber daran nicht. Gott - so glaubt er, will, dass er überlebt. Er reist nach Elba in Exil, kehrt aber nach wenigen Monaten zurück, begeistert empfangen, zieht in seine letzte Schlacht, nach Waterloo, verliert erneut und am 22. Juni 1815, nach weiteren 100 Tagen, dankt er endgültig ab.
Er wird von den Engländern nach St. Helena gebracht, 8000 km von Frankreich entfernt und 2400 km vom Festland. Drei Offiziere, eine Arzt und 12 Bedienstete darf er mitnehmen. Diese Getreuen zeichnen seine Gespräche auf, Napoleon entwirft seine eigene Geschichte. Der Mythos Napoleon wird ausgebaut. Er macht sich zum Vorkämpfer für Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker, in völliger Verkennung der Tatsache, dass seine Regierungszeit vor allem durch Kriege und Schlachten geprägt war.
Am 5. 5. 1821 stirbt der Mann, der sich zum Herrscher eines Reiches gemacht hatte, wie es seit der Zeit der Römer in Europa nicht mehr gegeben war. Der mächtige Emporkömmling prägte als Feldherr, Politiker und Tyrann das Abendland wie kaum ein anderer. Bis 1900 gab es bereits 200 000 Bücher über Napoleon, 33 000 Briefe von ihm sind bekannt. Der Sarkophag im Invalidendom, in dem seine Überreste sich befinden, ist die dritthäufigst besuchte Sehenswürdigkeit in Frankreich.
FOLGEN FÜR EUROPA-WIENER KONGRESS
Die Siegermächte hatten es sich zur Aufgabe gemacht Europa neu zu ordnen. Es begann ein langwieriges Verhandeln und Schachern darüber, wer welche Ländereien abgeben musste und wer welche erhielt. Viele Kleinstaaten in Deutschland waren von Napoleon abgeschafft und zu großen modernen Staaten zusammengefasst worden. Dies sollte so bleiben.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, bestanden seit 962, gehörte der Geschichte an. Die Deutschen sahen sich jetzt zum ersten Mal als eine Nation der Deutschen. Der Code Napoleon wurde in Europa übernommen, d. h. begrenzte Grundrechte und eine gewisse Rechtssicherheit. Die Enteignung der Kirchen wurde nicht zurückgenommen. Deren Besitztümer waren von Napoleon den Herzögen und Königen übertragen worden, die keinerlei Interesse hatten, diese Vermögenswerte wieder zurück zu geben.
Die Kriegsführung hatte sich verändert, statt Söldnerarmeen wurden nun überall Berufsarmeen eingesetzt. Auch der Zunftzwang wurde nicht mehr eingeführt, es herrschte Gewerbefreiheit. Die Freiheit der internationalen Flussschifffahrt wurde gewährleistet. Auf Betreiben der Engländer, die inzwischen dadurch reich geworden waren, wurde die Sklaverei abgeschafft. Frankreich durfte in die Völkerfamilie zurückkehren und wurde als Großmacht anerkannt. Der Deutsche Bund wurde gegründet mit Österreich als führender Stimme.
Noch einmal gelang es die Herrschaft der Fürsten und Könige zu stärken, bzw. neu aufleben zu lassen. Die liberal-bürgerliche Bewegung war aber nicht mehr ganz auszuschalten. Europa hatte sich verändert.
Verwendete Literatur:
Geo spezial, verschiedene Spiegelartikel, DIE ZEIT-Geschichtslexikon