Spinning Jenny (Entwicklung und Funktionsweise)
Der Pionier der modernen industriellen Produktion war die Textilindustrie, genauer die Baumwollspinnerei. Sie bestimmte die erste Phase der Industrialisierung. Sie war aber zunächst nur in Großbritannien und auch dort nur in wenigen Regionen, wie zum Beispiel Liverpool oder dem nicht weit entfernt gelegenen Manchester wirkungsvoll. Die Dampfmaschine spielte in dieser ersten Phase eine untergeordnete Rolle.
Ein Preisausschreiben
Da das Weben auf dem Webstuhl schneller ging als das Spinnen mit dem Handspinnrad, entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts in der britischen Grafschaft Lancashire ein großer Garnmangel. Die Nachfrage nach Textilien wuchs stetig. Vier bis acht Spinnern versorgten einen Weber mit Garn. Man sann daher nun darüber nach, wie die Produktivität der Spinner im Verhältnis zu den Webern zu steigern sei. Die britische Society of Arts schrieb 1761 einen Preis aus, wonach eine Maschine gesucht wurde, welche „sechs Fäden aus Wolle, Flachs, Hanf oder Baumwolle auf einmal spinnen und nur eine Person brauchen würde, um mit ihr zu arbeiten und sie zu bedienen".
Diese Vorgaben wurden von der „Spinning Jenny" des Handwebers James Hargreaves (1720 - 1778) erfüllt. Mit ihr konnte eine Arbeiterin mit einer Handkurbel sogar acht Spindeln gleichzeitig antreiben.
Die Legende
Eine Legende besagt, dass eines Tages in seinem Haus ein Handspinnrad versehentlich umgestoßen wurde. Der Anblick von Rad und Spindel, die sich wie von selbst weiterdrehten, brachte Hargreaves auf die Idee, den Spinnvorgang zu automatisieren. 1764 entstand die erste Spinning Engine, in der Umgangssprache "Spinning Jenny", die acht Spindeln gleichzeitig betreiben konnte. Die unvorsichtige Spinnerin, die ihr Spinnrad umgeworfen hätte, sei - so erzählt man sich - Hargreaves Tochter Jenny gewesen.
Wie die Spinning Jenny funktionierte
Das Prinzip der Spinning Jenny beruht darauf, dass von einer Vorgarnspule (mit grob gesponnenem Material) ein Faden über eine Spindel gezogen wird, der weiter über einen Pressbalken auf einem beweglichen Wagen läuft. Zuerst bewegt sich der Wagen mit geöffneter Presse von der Spindel weg, wodurch er das Vorgarn von der Vorgarnspule wickelt und durch die Presse zieht. Das Vorgarn wird verstreckt, indem sich kurz vor Ende der Ausfahrt die Presse schließt und der Wagen bis zum Anschlag weiterfährt. Gleichzeitig wird durch Drehen der Spindel das Vorgarn leicht gefestigt. Bei geschlossener Presse wird die Spindel nun gedreht, bis der Faden durch Verdrillung die gewünschte Festigkeit erreicht. Durch eine kurze Drehung in entgegengesetzter Richtung lockert sich der Faden etwas und gleitet von der Spindelspitze auf die Spule. Der Wagen fährt langsam zurück, währenddessen dreht sich die Spindel, und der Faden wird unter gleichzeitigem Heben und Senken eines Aufwinders Lage für Lage aufgespult. Der Aufwinder sorgt auch für den notwendigen Wechsel des Winkels zwischen Spinnphase und Aufwickelphase (beim Spinnen muss der Winkel zwischen Spindelspitze und Faden > 90° sein). Hat der Wagen die Spindel erreicht, öffnet sich die Presse, und der Spinnvorgang beginnt von neuem. Mit der linken Hand wird dabei der Wagen hin- und herbewegt, mit der rechten das Antriebsrad.
Die Bedienung war anspruchsvoll
Die Neuerung machte den Spinnprozess wesentlich produktiver. Mit ihr konnte ein Spinner genau einen Weber mit Vormaterial versorgen. Die Spinning Jenny verbreitete sich schnell in der gesamten Textilindustrie, da sie im Gegensatz zu vielen anderen Textilmaschinen noch durch menschliche Muskelkraft angetrieben werden konnte. Der Arbeitsprozess war allerdings recht anspruchsvoll: das eigentliche, vom darauffolgenden Aufwickeln des fertigen Fadens getrennte Spinnen der Fasern erfolgte auf allen Spindeln gleichzeitig. Zudem konnte der Spinner die Zufuhr der Fasern nicht mehr mit den eigenen Fingern vornehmen, sondern musste an der Stelle ein Gespür für das Verhalten der eigenen Maschine entwickeln. Somit stiegen die Ansprüche an die Qualifikation des Spinners beträchtlich.
Weitere Entwicklung
In den folgenden Jahrzehnten der Industriellen Revolution ersetzten leistungsfähigere Spinnmaschinen die Spinning Jenny. Die wurden stets von einer fremden Energiequelle wie zunächst dem Wasserrad und später der Dampfmaschine angetrieben. Die Steigerung der Produktivität ist sprunghaft. Eine Spinning Jenny mit 60 Spindeln konnte etwa 25 Handspinner ersetzen, eine Mule Jenny mit 14 Spindeln etwa 175 Handspinner, und ein Selfactor, Baujahr 1880, konnte die Leistung der Mule Jenny nochmals verfünffachen.