Da wandern sie vom Gebirge herunter, Mann, Weib und Kind

Die Lebenssituation in der beginnenden Industrialisierung ist heute nur noch schwer vorstellbar. Oft brachten die Leinenweber mit Frau und Kind die gefertigte Arbeit in Hucken und Körben weit vom Lande in die Stadt. Nicht selten arbeitete die ganze Familie vierzehn bis sechzehn Stunden lang am hölzernen Tyrannen, dem Webstuhl, der sie ernährte und beherrschte. Nicht selten haben die Frauen hektische rote Flecken auf den Wangen, die Kinder sind fahl und schmächtig; die Not steht mit geschwungener Hetzpeitsche alle Tage vor ihrer Tür.

Sie arbeiteten auf eigenes Risiko, ohne Recht und ohne Ansprüche; der Fabrikant der Stadt nahm ihnen die Leinen- und Tuchballen ab, aber den Preis für die Elle bestimmte er selbst.

Vor dem Hause des Unternehmers stauen sich die Weber mit ihren Körben. Sie stehen stumm und harren, bis der Herr sie eintreten heißt. Dann pochen die Herzen der Armen: wird die Ware abgenommen, wird Bedarf sein?
Schließlich passiert das Unausweichliche: Die Kaufleute in den Städten wünschten das hiesige Leinen nicht mehr. Für schlesische Tuche sei kein Bedarf mehr auf den Märkten. Nun, da Napoleons Kontinentalsperre aufgehoben ist, strömt die Flut des irischen Leinens, der englischen Stoffe wieder ins Land. Das Risiko aber trägt der Ärmste; das Recht des Reichen ist es, sein Kapital zu schützen, wie es sein Recht war, Industrien zu schaffen und je nach der Marktlage wieder verkümmern zu lassen.

 

Wie hart ist doch das Leben!

Die Not drückt die Menschen zu Boden. Von Hunger und Lebensangst gezeichnet, rotten sich die Weber zusammen. Sie haben kein Programm, kein Ziel, keine Partei. Das Recht der gequälten Kreatur begehrt auf, die Notwehr der Darbenden ruft nach Gott, beschwört König und Vaterland: »Hier sehet eure Brüder, ihr Bürger im reichen Haus! Höret den Schrei aus der Tiefe, ihr Männer, die ihr von Christentum redet und Freiheitsideale verkündet.«

Die Weber marschieren, fahl und bleich folgen ihnen Weiber und Kinder. Arme und Fäuste recken sich empor, es kommt zu ersten Zusammenstößen. Die Staatsordnung ist gestört. Ein Befehl ergeht. Soldaten rücken aus den Kasernen, gehen gegen die Menge vor. Aber sie weicht keinen Fingerbreit.

Ein Offizier kommandiert, Gewehre fahren hoch, die Salve kracht, und das Elend versinkt, stumm geworden, in der Erde des Vaterlandes. Die Menge flüchtet in die Gebirgsdörfer zurück. Hier kauern sie vor den Webstühlen und weben mit dem Hunger um die Wette für ein Dasein, das nicht mehr lebenswert ist.

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