Preußen siegt gegen Frankreich 1870/71

Deutsch-Französischer Krieg

Das von Bismarck einkalkulierte Ereignis war eingetreten. Für die süddeutschen Staaten war der Bündnisfall aufgrund der Verträge von 1866 gegeben. Frankreich war international iso­liert, so fanden sich die Sympa­thien der europäischen Völker zu­nächst auf preußisch-deutscher Seite. Die Großmächte blieben neutral.

Die erste Phase des Krieges gipfel­te in der Kapitulation der französi­schen Armee im September 1870 bei Sedan, wobei Napoleon III. in Gefangenschaft geriet.

Die zweite Phase begann mit der Ausrufung der französischen Re­publik und dem damit verbunde­nen Volkskrieg, der sich internatio­naler Sympathie erfreuen konnte. Bismarck wollte deshalb eine ra­sche Beendigung des Krieges auch gegen den Widerstand der Militärs. Am 26. Februar 1871 kam es zum Vorfrieden von Versailles. Der end­gültige Friede (von Frankfurt) kam am 10. Mai 1871 zustande und beinhaltete die Abtretung Eisass- Lothringens sowie französische Reparationszahlungen.

Zusammen mit Prinz Lulu und seinem Stabe fährt der Französische Kaiser am anderen Morgen ostwärts. Er muss die Kutsche benützen, sein Zustand hat sich abermals verschlimmert, an Reiten ist nicht zu denken. Selbst das Rütteln des Wagens verursacht ihm entsetz­liche Schmerzen. Das Bild der Truppen, die er überholt, ist wenig erfreulich.

Alle von Paris gegen die Champagne und gegen Châlons füh­renden Straßen sind von Transporten verstopft. Der Aufmarsch der Armee vollzieht sich nur langsam. Es herrscht größte Ver­wirrung; der Kaiser muss feststellen, dass Kommandeure ihre Truppenteile, Bataillone ihre Divisionen, Trosskolonnen ihre zu­gehörigen Korps suchen, ohne dass irgendwer eine Ahnung hätte, wo sie aufmarschiert sind. Auch der Zustand, in dem sich Beklei­dung und Schuhwerk der Truppen und auch der Wagenpark be­finden, ist jämmerlich. Die Herren Lieferanten haben alle sehr viel Geld an den Heereslieferungen verdient. Das schlechte Ma­terial spricht dafür und auch für die Bestechlichkeit der Intendan­turbeamten.

»Auf den Bahnhöfen sieht er undisziplinierte Haufen, die be­rauscht sind, >Berlin< brüllen und verbotene Revolutionslieder singen ...«

Besonders wüst sieht es im Lager Châlons-sur-Marne aus, wo die Rheinarmee ihre Reserven sammelt. Hier treiben sich die Schlachtenbummler aller Nationen zwischen den riesigen Zelten und Baracken herum; unwillige Horden von mobilisierten Pari­sern lungern auf den Appellplätzen.

»Obschon in drei Tagen die Wogen einer Armee, gefolgt von den Scharen des grimmigen Feindes hereinbrechen mögen, obschon in Frankreich jedermann das fühlt und weiß, sind die Ausschwei­fungen ebenso begehrt und die Vergnügungen ebenso groß wie nur je.«

In Metz trifft der Kaiser, der von Châlons aus die Bahn benützt hat, am Abend ein. Er steigt in der Präfektur ab, der Generalstab liegt im Hotel de l'Europe. Dort hat es gestern einen Skandal gegeben, als sich herausstellte, dass der liebenswürdige »Marquis«, mit dem die Herren des Generalstabs am selben Tisch ge­speist hatten, der Chef des deutschen Spionagedienstes gewesen ist. Der »Marquis« ist zwar verhaftet worden, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es auch unter den Hausdienern, Kellnern und Gepäckträgern verkleidete Spione gibt.

 

1. August

Von den vorgesehenen 350.000 Mann der Rheinarmee sind am 1. August - dem Datum, das Moltke als den Stichtag bezeichnet hat, um von der Verteidigung in den Angriff übergehen zu kön­nen - 200.000 Mann versammelt! Die Deutschen haben inzwi­schen über ihr dichtes Eisenbahnnetz mehr als eine halbe Million herangeschafft und sind mit ihren Kavalleriespitzen bereits im Vorgehen auf die Gegend von Saarbrücken.

Napoleon erlässt in Metz einen anfeuernden Aufruf an die Armee:

»Ihr werdet eine der besten Armeen Europas bekämpfen, doch auch andere, die ebensoviel wert waren wie sie, konnten eurer Tapferkeit nicht widerstehen. Das gleiche wird heute der Fall sein. Der Krieg wird lange währen und mühselig sein, denn er wird Gegenden zum Schauplatz haben, die von Hindernissen und Fe­stungen starren; aber nichts übertrifft die zähe Kraft der Soldaten Afrikas, der Krim, Chinas, Italiens und Mexikos. Welche Wege wir immer außerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes einschlagen, wir finden dort die ruhmreichen Spuren unserer Väter. Ihrer werden wir uns würdig zeigen.«

Tags darauf greift ein vom Kaiser persönlich geführtes Armee-Korps die schwache preußische Besatzung von Saarbrücken an.

Napoleon arrangiert eine Szene für den Thronerben. Lulu feuert die erste Mitrailleuse gegen den Feind; der Tag endet mit einem Sieg der französischen Waffen.

Eine Depesche geht an Kaiserin Eugenie nach Saint-Cloud.

»Lulu hat soeben seine Feuertaufe erhalten. Er war wunderbar kaltblütig, hat sich gar nichts daraus gemacht, als wenn er im Bois du Boulogne spazierenginge... Die Preußen haben wenig Widerstand geleistet... Wir waren in der ersten Linie; aber Ka­nonen- und Flintenkugeln sind zu unseren Füßen eingeschlagen. Lulu hat eine Kugel aufgehoben, die nahe bei ihm einschlug. Einige Leute vergossen Tränen, als sie ihn so ruhig sahen ...«

 

Eine Woche später

Das geschieht am 2. August. Eine Woche später sind alle franzö­sischen Frontarmeen geschlagen, auf dem Rückzug oder in die Fe­stungen geflüchtet. Der Kaiser übergibt den Oberbefehl an Mar­schall Bazaine, die Kaiserin überlässt die Regentschaft dem greisen Grafen von Palikao. Weitere acht Tage vergehen, dann ist Mar­schall Bazaine mit dem Gros der Rheinarmee im Raume von Metz eingeschlossen, das Schicksal des Krieges hängt an seidenem Faden.

Nur noch ein kühnes Umgehungsmanöver der letzten, in ihrer Bewegungsfreiheit ungehinderten Entsatzarmee von Châlons unter Marschall MacMahon kann Bazaine und damit das Kaiser­reich retten.

Endlose Truppenschlangen wälzen sich auf den Straßen hin. Über die bewaldeten Argonner Höhen fluten die Flüchtlinge aus den Schlachten von Metz, Mars-la-Tour, Gravelotte und Saint- Privat - Trosswagen, Artillerie und Infanterie in wirrem Durch­einander. In den Straßengräben liegen verendete Pferde, wegge­worfene Tornister, Gewehre und Helme; seitwärts wandern kleine Trupps von Marodeuren von Dorf zu Dorf.

Unten im Tal dehnt sich die Marne-Ebene. Châlons' Kirchen läuten, und ganz fern im Dunst zeichnen sich die stumpfen Tür­me der Kathedrale von Reims ab. Dort wandert eine andere Heer­schlange nach Nordosten. Das ist MacMahons Armee, die vielleicht noch Frankreich zu retten vermag.

Am 30. August ist Napoleon über die Maas gegangen. Als er Kanonendonner im Nordosten hört, glaubt er zuerst an ein ört­liches Gefecht. Als aber die Nacht hereinbricht, weiß er, dass eine große Schlacht bei Beaumont stattgefunden hat.

Die preußische Heeresleitung hat das Manöver MacMahons durchschaut und der letzten Entsatzarmee Frankreichs eine starke Kräftegruppe entgegengeworfen. Der über die Maas vorgetrie­bene Keil, der Bazaine in Metz heraushauen sollte, ist nach Nor­den abgebogen und auf die Festung Sedan geworfen. Von drei Seiten drängen die siegreichen Preußen nach.

Man rät dem Kaiser, den nächsten Zug zu benützen. Nur der Weg nach Sedan ist noch frei. Tief in der Nacht hält der kaiserliche Salonzug auf dem kleinen Bahnhof von Toroy, einem Vorstädtchen von Sedan. Der Sta­tionsvorstand öffnet die Tür. Der Kaiser kauert, in seinen Mili­tärmantel gehüllt, in einer dunklen Wagenecke, sein von Krank­heit gezeichnetes Gesicht ist verfallen.

»Sire - Sedan!« sagt der Beamte mahnend, »oder wünschen Majestät weiterzufahren?« - »Weiter?« antwortet eine hohle, kaum hörbare Stimme, »gibt es ein Weiter? Die Straße ist zu Ende.«

Irgendwo in der schwarzen Nacht grollen Kanonen. Aus der dü­steren, vor ihnen liegenden Festung dringt das Lärmen der flüch­tenden Soldateska. Alles will in die Stadt, als sei das die Rettung für immer.

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