Das große Sterben

Der folgende Beitrag ist den zwei Bänden "Denkwürdige Vergangenheit" entnommen.

Immer wieder berichten die Chronisten des Spätmittelalters von der Pest und dem großen Sterben, das diese unheimliche Seuche mit sich brachte. Sie wurde 1348 durch Schiffe von Asien nach Europa eingeschleppt, verbreitete sich hier mit Windeseile und raffte innerhalb 50 Jahren 25 Millionen Menschen, den vierten Teil der damaligen Bevölkerung, dahin. Wer von ihr angesteckt wurde - die Berührung mit dem Atem oder mit der Kleidung eines Kranken genügte - war verloren. Plötzlich bedeckten schwarze Beulen seinen Körper, und nach einigen Stunden, spätestens nach drei Tagen, war er tot. Kein Mittel half und keine Flucht. Die meisten Betroffenen fanden darum auch keine Pflege und blieben verlassen irgendwo liegen. Totengrä­ber luden sie eilends auf einen Wagen, führten sie weg ohne Geleit und verscharrten sie, oft massenhaft im selben Grab.

Wie ein Schnitter ging der «Schwarze Tod» durch die Völker. Am schrecklichsten war das erste Pestjahr 1348/49. Die Insel Zypern, die Insel Island, ganze Städte Russlands starben vollständig aus. Italien verlor seine halbe Bevölkerung. In Südfrankreich blieb kaum der vierte Teil übrig. In dem kleinen Bern begrub man eine Zeitlang täg­lich 60 Tote, in Wien 1200. In Basel forderte das große Sterben in diesem einzigen Jahr 14.000 Opfer; nur drei Familien blieben ganz. Acht Jahre später, 1356, wurde die Stadt durch ein Erdbeben zerstört. Weitere Pestwellen folgten, zahlreich bis etwa 1500, dann all­mählich seltener, die letzten im 18. Jahrhundert. Die prächtige Ha­fenstadt Venedig verlor noch zweimal fast ihre ganze Einwohner­schaft, Anno 1630/31 über 500.000 Menschen. Auch unser Land litt viele Male. 1509 starb in Schaff hausen, 1611 in Zürich die halbe Be­völkerung. Eine Kirchhofmauer im sanktgallischen Rheintal trägt die Inschrift: «Klag über Klag! Siebenundsiebzig in einem Grab!» Auch die bekannte Linde von Linn im Aargauer Jura steht über einem Massengrab aus der Pestzeit.

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