Die Stadt

In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters gewannen die Städte immer größere Bedeutung. Die Ritterburgen auf den Anhöhen sanken in Trümmer. Die Städte zu ihren Füßen wurden zu Herzkammern des fortschreitenden Lebens.

Die Burg – die Bürger
Von außen gesehen, glich die mittelalterliche Stadt selber einer ausgedehnten Burg, und ihre Bewohner hießen denn auch Burger, Bürger. Eine hohe, starke Mauer, dicke Wehr- und Tortürme und ein breiter Graben schützten sie vor Angriffen. Aus Kirchen, Klöstern und Kapellen ragten weitere Türme auf. Einsam außerhalb der Mauer stand das städtische Siechenhaus, und auf einem nahen Hügel erhob sich drohend der Stadtgalgen, von Raben umkreist.

Landwirtschaft
Wer am frühen Morgen durch eines der Tore trat, begegnete wohl zuerst dem Stadtvieh. Kühe wurden zur Tränke geführt. Ein Schäfer zog mit Hund und Herde durch die Gassen. Grunzende Schweine fuhren durch die Haustüren ein und aus. Auf den Miststöcken am Rand der Straße scharrten die Hühner. Gänse watschelten einher. Schwärme von Tauben schwirrten um Giebel und Dächer. An die meisten Wohnhäuser grenzten Ställe, Schuppen und Scheunen. Denn die Bürger trieben neben Handwerk und Handel auch noch Landwirtschaft. Ihnen gehörten die Wiesen, Äcker und Weinberge rings um die Stadt.

Handwerkergassen
Seit dem 13. Jahrhundert befanden sich aber Handwerk und Handel in lebhaftem Aufschwung. Das bäuerliche Leben wurde in die Seitengässchen und Hinterhöfe zurückgedrängt. Dafür traten Werkstätten und Verkaufsläden an die Hauptstraßen. Manchmal wohnten mehrere gleichartige Handwerker in der gleichen Gasse. Das war dann die Metzger-, Schmied- oder Gerbergasse. Die Gewerbetätigkeit verzweigte sich immer mehr. So gab es z. B. für die Bearbeitung von Metallen Schlosser, Spengler, Kessler, Kannegießer, Glockner, Waffen-, Pfannen-, Huf-, Nagel-, Messer-, Silber-, Gold- und Kup-ferschmiede. Die Handwerker schlossen sich zu Zünften zusammen, kauften ihre Rohstoffe gemeinsam ein und setzten gemeinsam Löhne und Preise fest. Wer einen zünftigen Beruf ausüben wollte, musste nach strenger Lehre und mehrjähriger Gesellenzeit durch ein Meisterstück beweisen, dass er sein Handwerk von Grund auf verstand. Jede Zunft hatte einen Zunftmeister und eine eigene Trinkstube, wo sich die Genossen nach Feierabend zum Gespräch oder Spiel einfanden.

Markttage
Lebhaftes Treiben erfüllte die Stadt an Wochen- und Jahrmarktstagen. Da strömte das Landvolk von allen Seiten herbei. Unter dem Stadttor entstand Gedränge, denn die Torhüter durchsuchten jeden Karren und verlangten den Torzoll. Nur unentbehrliche Lebensmittel durften frei eingeführt werden. Zum Jahrmarkt kamen ganze Handelskarawanen, von bewaffneten Reitern begleitet. Die schwer befrachteten Wagen wurden von mehreren Pferden gezogen; die Straßen waren schlecht. Mühsam wand sich der Zug durch die holprigen Gassen zum Marktplatz. Dort boten die Handwerker und Händler auf Ständen, Tischen und Bänken ihre Waren feil, und wer vom Lande kam, staunte über die Fülle begehrenswerter Dinge und fühlte die Macht des Geldes, mit dem dies alles zu erlangen war. Denn man kaufte jetzt nicht mehr mit Tauschwaren wie früher, sondern mit Geld. Grafen, Bischöfe und viele Städte hatten eigenes Münzrecht. Deshalb gab es auf dem Markt auch Geldwechsler, bei denen die Fremden ihr Geld umtauschen konnten. Den ganzen Tag wurde nun gehandelt und gefeilscht, bis am Abend die Marktfahne am Rathaus eingezogen wurde. Dann knarrten die Wagen wieder nach den Werkstätten und Stadttoren, und der Lärm verstummte allgemach.

Nachtwächter
Wenn die Nacht anbrach, wurde es finster und leer auf den Straßen. Wer noch ausgehen wollte, musste die eigene Laterne mitnehmen. Nur in den Trinkstuben dauerte das gesellige Leben noch eine Weile fort. Doch bald kündete auch hier die Ratsglocke Schlafenszeit. Die Gäste kehrten heim und schlossen ihre Haustür zu. Dann wandelte nur noch der Nachtwächter durch die Gassen, und der Torwächter spähte in die dunkle Landschaft hinaus.

Kirchen
Hoch über die Häuser und Gassen, hoch über alles Alltagsleben hinaus ragte die Kirche. Ihre Türme wiesen nach der Ewigkeit. Seit den Kreuzzügen baute man gern in gotischem Stil: mit schlanken Strebepfeilern, die über dem Dach als zierliche Türmchen endeten, mit Spitzbogen an Portalen, Fenstern und Deckengewölben. Das Portal mit seinen aus Stein gehauenen biblischen Gestalten und Szenen wurde zum mahnenden Sinnbild für die Pforte der Ewigkeit. In die hohen Fenster mit dem schön geformten steinernen Maßwerk wurden in Blei gefasste Glasbilder eingesetzt, die im einfallenden Licht in leuchtenden Farben vom Leben Jesu und seiner Mutter, vom Leben der Propheten, Apostel und Heiligen erzählten. Geschnitzte Altäre, Kanzeln und Chorstühle und kunstvoll geschmiedete Gitter, Leuchter und Weihgefäße erhöhten den feierlichen Eindruck des Kirchenraumes. Das Alltagshandwerk erblühte hier zur Kunst, vor der wir noch heute bewundernd stehen.

Mit Stolz fingen die Städte jetzt auch an, ihre Geschichte aufzuschreiben. Aus alten Urkunden und mündlicher Überlieferung entstand das Bild der Vergangenheit. In lebendiger Schilderung wurden die Gegenwartsereignisse festgehalten: Kriege, Erdbeben, Seuchen, Hungersnöte, aufregende Gerichtsfälle und vieles andere. 
 

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