Welche Stellung hat der Papst?

Das folgende Kapitel ist den zwei Bänden "Denkwürdige Vergangenheit" entnommen.

Im Gottesstaat Karls des Großen waren Staat und Kirche eins wie Leib und Seele. Der König war als Herr des Reiches auch Herr der Kirche; die Bischöfe und Erzbischöfe waren Reichsbeamte wie die Grafen und Königsboten. Reich und Kirche hatten ja das gleiche Ziel: «dass Gott alles in allem sei und der Name unseres Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt verherrlicht werde».

Das wurde in der Folgezeit anders. Nach der Teilung des Frankenreiches blieben wohl auch die Könige von Frankreich und Deutschland Her­ren ihrer Landeskirche. Aber keiner konnte mehr wie Karl als Herr der Gesamtkirche gelten. Wer war denn nun der Hüter der Herde Christi?

Jesus hatte seinen Jünger Simon - dem er schon bei der Berufung den Zunamen Petrus, Fels, verlieh - mit dem Hirtenamt betraut. Dreimal hatte er ihn gefragt: «Hast du mich lieb?», und allemal hatte Petrus geantwortet: «Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.» Da hatte ihn Jesus beauftragt: «Weide meine Lämmer!»

Und demselben Jünger hatte Christus nach dem Bericht des Mat­thäus-Evangeliums auch die Schlüssel des Himmelreiches verheißen:

Jesus fragte seine Jünger: Was saget ihr, wer ich sei? Simon Petrus antwortete: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Da sprach Jesus zu ihm: Selig bist du, Simon, denn das hat dir mein Vater im Himmel geoffenbart. So sage auch ich dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, und was du binden oder lösen wirst auf Erden, wird im Himmel gebunden und gelöst sein.

Petrus hatte denn auch die Führung der ersten Christengemeinde in Jerusalem übernommen und war laut alter Überlieferung als füh­render Ältester der Christengemeinde von Rom gekreuzigt worden.

Waren nun nicht die Päpste als seine Nachfolger die von Christus selbst beauftragten Hirten und Schlüsselbewahrer?

Hervorragende Päpste wie Leo I. (um 450) und Gregor I. (um 600) hatten dieser Ansicht energisch und mit Erfolg Geltung ver­schafft. Doch war sie nie allgemein und uneingeschränkt anerkannt worden. Der Ire Kolumban - Zeitgenosse Gregors I. - hatte sein Apostelamt unabhängig von Rom ausgeübt und nach seiner Ankunft in Italien an den Papst - einen Nachfolger Gregors - geschrieben:

Jedermann weiß, wie unser Heiland dem heiligen Petrus die Schlüssel des Himmelreiches übergab. Wenn Ihr Euch aber deshalb maßgebende Würde und Gewalt in göttlichen Dingen beimesst, so vergesset nicht: Der heilige Petrus hat das Schlüsselamt nur deshalb erhalten, weil er das rechte Bekennt­nis hatte. Eure Macht währt nur so lange, als das rechte Bekenntnis auf Eurer Seite ist.

Päpstlicherseits hielt man diesem Einwand entgegen, Jesus habe versprochen, der Heilige Geist werde seine Jünger in alle Wahrheit leiten; das gelte gewiss auch für die Nachfolger Petri.

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