König Heinrich IV

Das folgende Kapitel ist den zwei Bänden "Denkwürdige Vergangenheit" entnommen.

Der deutsche König Heinrich IV. wagte zu trotzen. Auch die Königskrone sei in Gottes Hand, nicht in der des Papstes, schrieb er nach Rom und forderte Gregor auf, vom Heiligen Stuhl herabzustei­gen. Als ihn Gregor aber hierauf durch den Bannfluch aus der Kirche stieß und allen Christen verbot, ihn weiterhin als König zu betrach­ten, fielen Volk und Fürsten massenhaft von ihm ab, und er sah sich genötigt, mitten im Winter über die Alpen nach Italien zu reisen und den Papst um Verzeihung zu bitten.

Von wenigen Menschen - der Königin, ihrem Söhnchen und eini­gen treuen Kammerfrauen und Dienern - begleitet, trat er die bittere Bußfahrt an. Da ihm die abgefallenen Fürsten alle deutschen Alpen­pässe versperrten, blieb ihm nur der weite Umweg über den Mont Cenis. Die Alpen waren verschneit, vereist. Der Aufstieg bereitete größte Mühe. Der Abstieg war fast unmöglich. Die Pferde wurden mit zusammengebundenen Füssen, die Frauen auf Ochsenhäuten hinabgeschleift. Auch die Männer mussten oftmals auf dem Bauch kriechen, um nicht abzustürzen. So gelangte der König im Januar 1077 nach unsäglicher Mühsal in die Po-Ebene zum Schlosse Canossa, wo sich der Papst zurzeit aufhielt. Aber Gregor wollte nichts von ihm wissen. Drei Tage und Nächte ließ er den König im Büßerhemd, barfuß und barhaupt vor dem Tore warten und achtete seines Flehens nicht. Erst als auch die Schlossbewohner, von Mitleid überwältigt, um Erbarmen baten, gewährte er dem Unglücklichen Einlass. «Durch die Beharrlichkeit seiner Zerknirschung und durch das dringende Flehen aller dort Anwesenden besiegt, lösten wir ihn von der Fessel des Bannes und nahmen ihn wieder auf in die Gnade der Gemeinschaft und den Schoß der heiligen Mutter Kirche», berich­tete Gregor in einem Brief an die deutschen Fürsten.

 

Zwei Jahrhunderte

Der Kampf zwischen dem Papst und den Kaisern und Königen um die Vorherrschaft dauerte zwei Jahrhunderte und brachte viel Zwietracht und Krieg unter die Völker. Die Menschen wussten nicht mehr, wem sie zu gehorchen hatten, und sahen sich doch gezwun­gen, Partei zu ergreifen. Die Päpste gewannen ungeheure Macht. Nicht nur entzogen sie den meisten Herrschern Europas die Wahl der Bischöfe und Äbte ihres Landes. Mit dem Anspruch, allein Gottes Stellvertreter zu sein, nahmen sie sich auch das Recht, Könige ein- und abzusetzen. Das Papsttum war zu einer Weltmacht geworden.

 

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