Zweifelderwirtschaft - Dreifelderwirtschaft

Ein Beitrag von Silke Keller

Bleibt die Natur sich selbst überlassen, so bildet sie geschlossene Kreisläufe, aus denen sie ihr Leben immer wieder neu schöpft. Einen solchen Kreislauf kann man im Wald sehr gut beobachten: Die Bäume und Pflanzen entziehen dem Boden Mineralien und Nährstoffe für ihr Wachstum. Die wichtigsten sind Stickstoff, Phosphor, Kalium, Schwefel und Calcium. Hinzu kommt der Kohlenstoff aus der Luft. Im Herbst sinkt das Laub zu Boden und das Holz des Baumes wird zersetzt, sobald der Baum morsch geworden ist und umfällt. Die einst aufgenommenen Mineralien gelangen somit wieder in den Boden und stehen neuen Sprösslingen zur Verfügung. Besonders wertvoll ist die Humusschicht, die je nach Bodenbeschaffenheit etwa 10-30 cm dick ist. Man könnte sie mit dem Magen des Menschen vergleichen. In ihr wird alles organische Material durch Kleinstlebewesen und Bakterien zerkleinert und zersetzt.

Sesshaftigkeit

Nachdem der Mensch sesshaft wurde, war er darauf angewiesen, Nahrung auf Feldern in seiner unmittelbaren Umgebung anzubauen. Der Feldanbau unterbricht den natürlichen Kreislauf der Mineralien. Mit jeder Ernte werden die Nährstoffe buchstäblich vom Feld getragen. Von Jahr zu Jahr wird der Boden nährstoffärmer, der Boden laugt aus, der Bauer erntet immer weniger.

Anders als beim Nil

In den ersten großen Kulturen der Menschheit hatte man dieses Problem nicht. Kulturen entstanden am Nil in Ägypten oder am Euphrat und Tigris im Zweistromland. Diese großen Flüsse traten nach der Schneeschmelze ihrer Quellgebiete über die Ufer und ließen tonnenweise nährstoffreichen Schlamm aus den Gebirgen als dünne fruchtbare Schicht auf den Feldern zurück. Die Böden konnten dadurch ununterbrochen genutzt werden, ohne die Bodenfruchtbarkeit zu gefährden. Jedes Jahr brachten die Flüsse neuen „Dünger“.

Feldgraswirtschaft

So bequem hatte man es im Europa des Frühmittelalters nicht. Zunächst praktizierte man die sogenannte Feldgraswirtschaft. Dafür rodeten man ein Stück Wald in Dorfnähe, um es für den Feldanbau zu nutzen. Getreide wurden jährlich ausgesät und geerntet. Nach zwei bis drei Jahren war der Boden jedoch ausgelaugt, er warf keine Erträge mehr ab. Das „alte“ Stück Land wurde der Verwilderung überlassen. Es folgte auf die Ackerkultur eine längere Periode (einige Jahre) der Brache, in der das Land dem Graswuchs überlassen blieb und zur Weide benutzt wurde. Um ausreichend ackerfähige Flächen für diese Wirtschaftsweise zu erhalten, wurden immer neue Flächen für die Ackernutzung urbar gemacht.

Zweifelderwirtschaft

Schon die Römer kannten die Zweifelderwirtschaft („Landwechsel“) und wandten diese auch nördlich der Alpen an. Im frühen Mittelalter waren es die Klöster, die die überlieferten Kenntnisse der Antike und der Araber über Ackerbau, Viehzucht und die Fischzucht nutzten und verbreiteten. So auch das Wissen der Zweifelderwirtschaft. Hier wurden die Felder in zwei Hälften geteilt. Auf der einen Hälfte baute man Getreide an und die andere Hälfte lag brach und sollte sich ein Jahr lang erholen. Die Brachlegung half der Anbaufläche, sich zu regenerieren. Durch Verwitterung lösen sich Mineralien im Boden und stehen so dem Ackerbau in begrenztem Maße wieder zur Verfügung. Im darauffolgenden Jahr wechselte man die beiden Hälften. Durch die Zweifelderwirtschaft wurde zwar das Auslaugen der Böden etwas verzögert, aber nicht verhindert. Die Ernteerträge blieben insgesamt relativ niedrig. In Folge dessen rodeten die Bauern immer wieder neue Flächen, um Ackerboden zu gewinnen.

Dreifelderwirtschaft

Abhilfe schaffte erst die Dreifelderwirtschaft. Seit dem 11. Jahrhundert hatte sie sich in weiten Teilen Mitteleuropas durchgesetzt. Die Ackerfläche wurde hier nicht in zwei, sondern in drei gleichgroße Bereiche geteilt.

  • Auf dem ersten Teil, dem Winterfeld, baute man mit Roggen oder Weizen ein Wintergetreide an. Die Aussaat fand im Frühherbst statt, geerntet werden konnte im nächsten Sommer.
     
  • Auf dem zweiten Teil, dem Sommerfeld, baute man Gerste, Hirse und Hafer an, durch den die Pferdehaltung erleichtert wurde, eventuell auch Erbsen, Ackerbohnen und Linsen. Hülsenfrüchte banden nämlich den Stickstoff aus der Luft und nach der Ernte konnten die Reste der Pflanze untergepflügt werden. Somit gelangte neuer Stickstoff in den Boden. Die Aussaat vom Sommergetreide erfolgte im Frühjahr, geerntet wurde im gleichen Sommer
     
  • Auf dem dritten Teil lag die Ackerfläche brach. Bis zum nächsten Herbst wurde die Fläche sich selbst überlassen und begrünte sich von alleine. Hier konnten die Tiere des Bauern grasen und zugleich mit ihrem Kot den Acker düngen.

Jährlich rotierte die Einteilung in Winterfeld, Sommerfeld, Brache. Da nicht mehr die Hälfte, sondern nur ein Drittel der Ackerfläche brach lag, konnten insgesamt höhere Getreideerträge erzielt werden. Das Sommergetreide und das Wintergetreide beanspruchten den Boden in unterschiedlicher Weise, was ihn nicht so schnell auslaugte. Ebenso war man stärker gegen Missernten gefeit, da auf eine vernichtende Wintersaat noch eine gute Sommersaat folgen konnte.

Zusätzlich wurde systematisch immer wieder neues Ackerland erschlossen: Bis 1200 n. Chr. waren die besten Böden bebaut. Technische Errungenschaften trugen zum Erfolg der Dreifelderwirtschaft bei. Mit Hilfe des neuerfundenen Kummets lösten Pferde im Hochmittelalter die Ochsen als Zugtiere ab. Außerdem effektivierte der Räderpflug die Bodenbearbeitung ungemein. Als Folge höherer Ernteerträge nahm auch das Bevölkerungswachstum stark zu.

Fruchtfolgewirtschaft

In Holland und Belgien entwickelte man die Fruchtfolgewirtschaft, welche ganz ohne Brache auskam. Getreide wurde systematisch im Wechsel mit Hülsenfrüchten angebaut. Wie schon oben erwähnt, binden Hülsenfrüchte den Luftstickstoff und können so die Ackerböden mit dem wichtigen Nährstoff Stickstoff anreichern. Erst mit der Erfindung des künstlichen Düngers Anfang des 20. Jahrhunderts konnte der Ernteerfolg weiter maximiert werden.

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