Heinrich I (919 - 936)

Mit Heinrich I., beginnt die Königsherrschaft der Sachsen oder, wie sie die Historiker später nennen werden, der Ottonen.

Ironie der Geschichte: Rund 120 Jahre nach der Unterwerfung und Missionierung der Sachsen und ihres Stammesführers Widukind durch den Karolinger Karl den Großen wird einer von ihnen zum späten Erben des Siegers gewählt.

Heinrich I. wurde von den nationalistischen Historikern des 20. Jahrhunderts gern als der König charakterisiert, mit dem Deutschlands Geschichte beginnt. Dies vor allem, weil es ihm gelungen sei, mit der Einverleibung Lothringens, mit seinem Sieg über die Ungarn 933 und der Befestigung der Ostgrenzen durch seine gepanzerten Reiterheere das „deutsche Königreich" zu etablieren und zu sichern. Genau 1000 Jahre später übernimmt Adolf Hitler, ein die Geschichte völlig einseitig deutender Emporkömmling, die Macht in Deutschland.

 

Schwierigen Umständen

Heinrich trat die Königsherrschaft unter äußerst schwierigen Umständen an. Innere und äußere Bedrohungen des Reichs und eine gleichzeitig schwache karolingische Königsgewalt förderten zu Beginn des 10. Jahrhunderts deutlich das Bestreben der Großen, ihre Macht in den einzelnen Herrschaftsbereich zu verfestigen und die Führung innerhalb des „Stammes" zu beanspruchen. In Lothringen, Schwaben und Franken wurden Adelsfehden um die regionale Führungsrolle geführt. Heinrichs Vorgänger Konrad versuchte vergeblich, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Er konnte seine Königsherrschaft weder in Schwaben noch in Bayern durchsetzen und blieb am Ende seiner Herrschaft ganz auf Franken beschränkt. Es gelang ihm trotz verschiedener Kriegszüge nicht, den Verlust Lothringens an Karl den Einfältigen zu verhindern. Heinrichs dringendste Aufgabe als König war es, sein Verhältnis zu den Adelsgruppen in den einzelnen Herzogtümern zu regeln und den Adel wieder mit dem Königtum zu verbinden.

 

Ungarneinfälle

Neben den Adelsfehden wurden Frieden und Stabilität im Reich durch die Ungarneinfälle erschüttert, die zu einem Verfall der Herrschaftslegitimation führten. Das karolingische Heeresaufgebot erwies sich gegen den schnell einfallenden und wieder abziehenden Feind mit seinen Bogenschützen als zu schwerfällig. Seit dem Ende des 9. Jahrhunderts bedrohten die Ungarn zunächst den Osten des Reiches. Die Einfälle dehnten sich schließlich von Italien, dem Mährerreich und der Ostmark auch nach Bayern, Schwaben, Lothringen und Sachsen aus. Die lokalen Gewalten standen den Einfällen der Ungarn bis in die 920er Jahre weitgehend machtlos gegenüber.

 

„Königsherrschaft ohne Staat"

Anders als seine karolingischen Vorgänger musste Heinrich seine Königsherrschaft mit anderen Mitteln praktizieren. Zur Durchsetzung seiner Königsherrschaft standen Heinrich nicht mehr die Verwaltungsmechanismen aus der Karolingerzeit zur Verfügung. Der Stellenwert von Schriftlichkeit, Amt und Zentralität ging zurück. Schriftlichkeit verlor als Instrument der Herrschaftspraxis und Kommunikation an Bedeutung. Der Königshof trat als Ausgangspunkt wichtiger Überlieferung zurück. Bereits unter Ludwig dem Deutschen verschwand das Verfassen und Verbreiten von Kapitularien als ordnend-lenkende Herrschertätigkeit aus dem Reich. Die Institution der Königsboten, die vor Ort die Kontrollfunktion über die königlichen Amtsträger ausüben sollten, bestand nicht mehr. Die Grafenwürde, die vom König je nach Verdienst und Eignung verliehen wurde, hatte ihren königlichen Amtscharakter verloren und sich zum vererbbaren Adelsbesitz entwickelt. Dafür gewannen Akte ritueller Kommunikation an Bedeutung. Das Ergebnis dieses Strukturwandels ist eine „polyzentrische Struktur der Herrschaftsordnung", die sich nicht mehr instrumentell vom König her deuten lässt. Das Fehlen von Elementen moderner Staatlichkeit wie Gesetzgebung, Verwaltung, Ämterorganisation, Gerichtswesen und Gewaltmonopol wird von Gerd Althoff überspitzt als Übergang von der „karolingischen Staatlichkeit" zur ottonischen „Königsherrschaft ohne Staat" aufgefasst.

 

Heinrich macht Kontrahenten zu Freunden

Heinrich löste Spannungs- und Konfliktsituationen mit dem Adel, indem er seine Kontrahenten zu Freunden machte. Das Verhältnis zwischen Königtum und den Herzögen von Schwaben, Franken und Bayern wurde durch Freundschaft und weitgehende Selbstständigkeit bestimmt, allerdings erst nach einem demonstrativen Akt der Unterordnung. Anders als sein Vorgänger Konrad versuchte Heinrich nicht, sich die Vorrechte und Machtmittel des karolingischen Königtums anzueignen, sondern überließ diese außerhalb seines eigenen Herrschaftsbereiches den Herzögen, die in ostfränkischen Bereichen die Führungsposition übernommen hatten. Die bestehenden Machtverhältnisse und der Herrschaftsverzicht außerhalb Sachsens wurden von Heinrich zwar anerkannt, allerdings verpflichteten sich ihm die Herzöge zu dauerhafter Unterstützung und leisteten Heeresfolge auf Kriegszügen.

Ihr Kommentar