Die Mauren

Im Anfang des achten Jahrhunderts drangen neue welterobernde Stämme nach Westen, die Nordküste Afrikas entlang, jeden Widerstand niederwerfend, die Araber. Für sie, die früher in vielerlei einfache Reli­gionen zerspalten waren, bedeutete der Islam eine Erlösungsreligion. Durch die Lehre Mohammeds wurden alle Brüder, verloren sie ihre Todesfurcht, Allah wird niemanden vergessen, wird ihn heimholen in sein Jenseits höchster Freuden. Dieses Freiheitsgefühl gab dem kriegeri­schen Volk die ungestüme Kraft, die Begeisterung zu weltweiter Er­oberung. Sie wurde noch erhöht, dass die Araber bei geringstem Wider­stand in Afrika in kühnem Siegeslauf zu ungeahnten Erfolgen gelangten. Dem Islam schlossen sich die Berber an, eine Völkergruppe in Nord­afrika, die zu den fanatischesten Verfechtern der neuen Religion wurden. Natürlich waren dabei auch wirtschaftliche Erwägungen beteiligt. Denn die Nichtmuselmanen zahlten eine Kopfsteuer, die Übergetretenen waren eine Zeitlang davon befreit. Die aus den Berbern und den vor­gestoßenen Arabern vermischte Bevölkerung des Atlasgebietes führten den Namen Mauren.

 

Die Schönheit Spaniens

Diese mohammedanischen Völker hörten von der Schönheit Spaniens, der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens, von dem heiteren Himmel und dem milden Klima, von den großen prachtvollen Städten mit ihrem märchenhaften Reichtum. Aber sie erfuhren auch von dem Zwist der Bewohner untereinander, den Intrigen am Königshofe. Seit dem Jahre 710 regierte König Roderich das Westgotenreich, von ihm ist historisch nichts mehr als der Name bekannt. Die Araber beabsichtigten anfangs gar nicht die Eroberung des Reiches oder die Entthronung Roderichs. Ihr ganzer Zug war vielmehr ursprünglich nichts anderes als ein etwas größerer Raubzug, dem schon andere ähnliche Unternehmungen vorangegangen waren, nur war diesmal das Ergebnis nicht bloß überraschend, sondern über Erwarten erfolgreich.

 

Überraschend erfolgreich

Die Araber unternahmen Plünderungsfahrten über die Meerenge. Zuerst erfolgte eine solche mit einigen hundert Arabern, nachher eine andere durch den Berber Tarik, der als Feldherr 7000 Berber und 300 Araber führte. Er landete mit diesem kleinen Heer im Auftrage des arabischen Statthalters von Nordafrika, Musa ihn Nusayr im Jahre 711 im Süden der iberischen Halbinsel. Noch jetzt wird der Felsen, an dessen Fuße er aus dem Schiff stieg und ein festes Kastell anlegte, nach seinem Namen Gibraltar genannt, das sich von der maurischen Bezeichnung „Dschebel al Tarik" = Berg des Tarik ableitet. Sogleich fielen einige gotische Adelige ab und gingen zu Tarik über. Weder dieser noch Musa dachten an eine dauernde Besetzung. Roderich, im Bewusstsein der Größe der Gefahr, bot den ganzen gotischen Heerbann, 90.000 Mann, auf. Aber die alte Kraft und der kühne Angriffsgeist waren längst geschwunden. Zudem hassten viele Roderich wegen seines Willkür­regiments. Er zog nach Süden, wo auch Tarik lagerte. Nach arabischer Überlieferung begann am 19. Juli 711 am Wadi Becca (jetzt Salädo) die sieben Tage währende Schlacht. In einer zeitgenössischen Quelle heißt es wörtlich: »Tarik und seine Gefährten zogen gegen Roderich aus, sie waren alle zu Fuß, es war kein Reiter unter ihnen. So fochten sie vom frühen Morgen bis zum späten Abend und glaubten, dass ihr Untergang bevorstehe. Aber Gott tötete Roderich und seine Gefährten und gab den Muslimen den Sieg. Und es war niemals im Westen eine blutigere Schlacht als diese. Die Muslimen hoben ihr Schwert drei Tage lang nicht von Roderich und seinen Gefährten weg.«

Das Ende dieser Schlacht bedeutete, gewiss zur allgemeinen Überraschung, besonders zu der des arabischen Feindes, der an Zahl ja weit unterlegen war, zugleich auch das Erlöschen des westgotischen Reiches. Das germanische Heer wurde von Berbern und Arabern vernichtet. Von einem zusammenhängenden oder entschlossenen Widerstand war fortan nicht mehr die Rede.

Im Jahre 712 setzte Musa selbst mit 10.000 Arabern und rund 8.000 Mauren über, belagerte und nahm Sevilla und Merida, tadelte Tarik, weil er seine Befehle überschritten hatte, und ließ ihn in den Kerker werfen. Aber der Kalif berief Musa zurück und ließ Tarik wieder frei. Dieser setzte seinen Siegeszug nach Norden fort. Bald war ganz Spanien von den Arabern unterworfen. Die Westgoten ergaben sich zum Teil durch Vertrag den Arabern, um ihren Grundbesitz zu behalten, zum Teil erfolgte die Unterwerfung gewaltsam, wobei der größte Teil des Landes den neuen Eroberern zufiel, während die bisherigen Bewohner fortan zu entweder unfreien oder doch zinspflichtigen Bauern herabsanken. In solchen Fällen kamen ein Fünftel an den Staat und vier Fünftel an die Soldaten. Auch hier zeigte namentlich die niedere Bevölkerung wenig Neigung, dem Einfall der Fremden Widerstand entgegenzusetzen, da die Araber einerseits die freie Religionsausübung nicht beschränkten und keine höheren Steuern als die Westgoten erhoben, anderseits unter ihnen die drückende Last des Kriegsdienstes aufhörte, da nur die Muslimen fortan Waffen tragen durften. Soweit bei der arabischen Invasion noch ein Unterschied zwischen Goten und Romanen bestanden hatte, so verschwand er nun vollkommen in den Kämpfen der christlichen Bevölkerung, die den Arabern als eine gleichartige Masse von Romanen entgegentrat.

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