Panzerreiter - Ritter
Ein Beitrag von Silke Keller
Die Vorfahren der Ritter waren die Gefolgsleute der germanischen Herzöge und Könige gewesen, die Edlen, Getreuen, die ihrem Herrn in jedem Kriege Gefolgschaft leisteten. Bei der Eroberung neuen Landes erhielten sie zur Belohnung ein Stück Land samt den darauf wohnenden Leuten als Lehensgut, und nur selten mussten sie dieses Lehen (geliehenes Land) zurückgeben. Es ging in ihren dauernden Besitz über und wurde erblich. Später bauten sie hochragende Burgen, von denen aus sie ihr Besitztum bequem überblicken konnten, dienten aber ihrem Herrn - dem König, Herzog oder Grafen - weiterhin als Ritter und Beamte.
Nach der Völkerwanderung
Während der Völkerwanderungszeit haben die Germanen im Krieg größtenteils noch Fußtruppen eingesetzt. Jeder Freie hatte die Pflicht zum Kriegsdienst. Als aber die ins weströmische Reich eingedrungenen Völker dort sesshaft wurden, bildeten sich besonders bei Ostgoten und Franken Reitertruppen heraus, die die Schlagkraft ihrer Armeen gegen die nachdrängenden Steppennomaden maßgeblich verstärkten. Neben dem bisherigen Volksheer aus leicht bewaffneten, wehrpflichtigen Bauern trat also mehr und mehr ein berittenes Berufskriegerheer.
Die fränkischen Panzerreiter waren speziell ausgebildete, schwer bewaffnete und mit metallenen Rüstungen gepanzerte Reiter. Sie gelten als Vorläufer der mittelalterlichen Ritter. Die Bezeichnung Ritter kommt ursprünglich von Reiter. Der Aufbau des fränkischen Imperiums, das die Fundamente des mittelalterlichen Europas legte, ist im Wesentlichen auf den massiven Einsatz dieser Panzerreiter zurückzuführen. Durchschlagskraft und Schnelligkeit waren ihre wichtigsten Eigenschaften. Ein Fußsoldat konnte am Tag etwa 20 km marschieren, ein Reiter hingegen in gleicher Zeit etwa 50 km zurücklegen. Die Panzerreiter wurden von Karl dem Großen anfangs gegen die Muslime eingesetzt. Die Krieger waren jedoch so erfolgreich, dass Karl und seine Nachfahren sie z.B. auch gegen die Wikinger einsetzten.
Ausrüstung des Panzerreiters
Ein Panzerreiter trug einen Schuppenpanzer, der aus Leder und kleinen Metallplatten bestand. Dieser schützte vor Pfeilen, Lanzen und sogar vor Schwerthieben. Während die Beine durch Ledergamaschen oder Beinschienen geschützt wurden, wurde der Kopf mit einem Spangenhelm abgeschirmt. Die Panzerreiter trugen einen Schild aus Holz, ein Schwert und eine bis zu drei Metern lange Lanze. Ritterrüstungen mit schweren, unbeweglichen Plattenpanzer, die man heute in Burgen ausgestellt sieht, waren keine Kampf-, sondern Turnierrüstungen.
Hohe Kosten
Die hohen Kosten zum Unterhalt berittener Krieger führten schließlich zu einer sozialen Trennung zwischen Kavallerie und Fußtruppen. Die Ausrüstung eines Panzerreiters war sehr teuer, alleine der Schuppenpanzer war am Ende des 8. Jahrhunderts so wertvoll wie 50 Rinder. Nur Krieger mit genügend bewirtschaftetem Land war in der Lage, die teure Ausrüstung zu bezahlen und noch genügend Zeit aufzubringen, sich beständig im Kriegshandwerk zu üben. Dadurch gewannen Grundherren und Krieger im Kriegswesen immer mehr an Bedeutung, während im Gegenzug die der unfreien und abhängigen Bauern immer mehr schwand. Aus dem „Ritterberuf“ entwickelte sich im Laufe der Zeit ein adliger Stand, dem man durch Geburt angehörte. Seit Ende des 12. Jh. konnten nur noch Söhne von Rittern wieder Ritter werden.
Ohne Ross kein Ritter
Neben der Rüstung benötigte ein Ritter ein besonderes Pferd. Es zeichnete sich mehr durch Wuchtigkeit als durch Schnelligkeit aus. Die gesamte Kraft musste sich am Ende in der Spitze der Lanze bündeln, wodurch sie eine immense Durchschlagskraft erhielt. Ein Ritter, der in den Kampf zog, besaß jedoch gleich mehrerer Pferde. Er benötigte ein Reisepferd, ein Saumpferd, welches Rüstung und Ausrüstung trug und das schwere, besonders wertvolle Pferd für die Schlacht. Letzteres war eigens für die Schlacht trainiert. Pferde sind von Natur aus Fluchttiere, diesem Instinkt durfte ein Schlachtross im Schlachtgetümmel nicht folgen.
Erst um die Zeit der Kreuzzüge begann man auch das Schlachtross zu panzern. Bis dahin galt das ungeschriebene Gesetz, diese kostbaren Tiere nicht vorsätzlich zu töten. War das Pferd kampfunfähig oder tot, geriet der Ritter in eine lebensgefährliche Situation. Seines Pferdes beraubt war er in seiner Rüstung sehr schwerfällig und wurde zur leichten Beute der Fußsoldaten. Nur durch die Einheit von Pferd und Reiter erhielt die Rüstung ihre unschlagbaren Vorteile.
Des Weiteren benötigte der Ritter auch noch einen Knappen, der ihn kurz vor der Kampfhandlung auf den Pferderücken hievte. Ohne diesen hätte der Ritter mit seiner schweren Rüstung das Pferd nicht besteigen können. Saß er im Sattel, übergab der Knappe dem Ritter Lanze und Schild.
Das Schwert als heilige Waffe
Das Schwert hatte für den Ritter eine besondere Bedeutung und einen hohen symbolischen Wert. Mit ihm wurde er überhaupt erst zum Ritter geschlagen. Es war eine beidseitig geschliffene Schlagwaffe, die im Nahkampf gezogen wurde, nachdem die Lanze unbrauchbar geworden war.
Ritterliche Tugenden
Man spricht noch heute von ritterlichem Verhalten, wenn sich jemand achtungsvoll, großzügig und vor allem hilfsbereit verhält. Diese Werte gehen auf den ritterlichen Verhaltenskodex im Mittelalter zurück. Dieser wurde schließlich für den gesamten Adel verbindlich. Bei Hofe übte man Benimmregeln ein, die wir noch heute kennen. Das „höfliche“ Verhalten hat dort sein Ursprung.
Sieben höchste Tugenden gehörten zu einem wirklichen Ritter. Die vier weltlichen: Mäßigung, Mut, Weisheit und Gerechtigkeit - und die drei geistlichen: Glaube, Hoffnung und Liebe. Die vier ersten musste er von Jugend auf entwickeln und pflegen. Die drei andern durfte er als Gottesgeschenk erhoffen, wenn er dafür bereit war. Nur als Christ konnte er ein rechter Ritter sein.
Schon mit sieben Jahren wurde der Edelknabe zur ritterlichen Erziehung an einen fremden Hof gebracht. Im Umgang mit edlen Frauen und im Dienst seines Herrn lernte er ritterlich denken und handeln. Mit vierzehn Jahren erhielt er ein Schwert, durfte es aber noch nicht umgürten, sondern musste es an den Sattel seines Pferdes hängen. Er war jetzt Knappe und begleitete seinen Herrn als Waffenträger und Pferdeknecht auf die Jagd, zum Turnier und in den Krieg, wo er auch den Verwundeten beizustehen hatte. Erst mit einundzwanzig Jahren wurde er in einer feierlichen kirchlichen Weihehandlung, der Schwertleite, zum Ritter geschlagen.
In strengem Fasten und Beten musste er sich darauf vorbereiten. Nach der letzten durchwachten Nacht empfing er das Abendmahl und trat dann, von Zeugen umgeben, in einem leuchtend weißen Kleide, dem Zeichen innerer Reinheit, vor den Altar. Dort bat er kniend um die Ritterwürde und leistete den Rittereid „die Kirche, Witwen und Waisen und alle, die Gott dienen, zu beschützen und zu verteidigen.“ Im Namen Gottes wurde ihm hierauf das eingesegnete Schwert vom Altar gereicht. Unter Gebeten gürtete er es um. Und jetzt empfing er den Ritterschlag: einen Backenstreich oder drei Schläge mit dem flachen Schwert auf Hals und Schultern zum Gedächtnis an die Schmach, die Christus erlitten hat, als er ins Gesicht geschlagen, unschuldig verhöhnt, gegeißelt, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt wurde. Mit diesem Schlag wurde der Knappe zum Ritter geweiht, zum tapferen, freudigen Ritterdienst in Christi Reich. Und damit er nie vergaß, dass ihm das kreuzförmige Schwert zu diesem Dienst verliehen war, sollte er sich künftig bei jedem Gottesdienst, wenn von Christi Leiden die Rede war, erheben, das Schwert halb aus der Scheide ziehen und wieder auf die Knie fallen.
In den Kreuzzügen trat dieses christliche Rittertum am gewaltigsten in Erscheinung, als es galt, „Kriegsdienst zu tun in Gottes Heer an eben dem Ort, wo Christus für uns gelitten hat“, wie es im Brief eines ritterlichen Kreuzfahrers hieß.