07 Tafel
In der Übersetzung von Prof. Dr. Albert Schott
»Mein Freund, weshalb nur ratschlagen die großen Götter?
[Stück aus der hethitischen Fassung]
Vernimm, welch einen Traum heute nacht ich gesehen:
Anu, Enlil, Ea und der himmlische Schamasch
Hielten Rat; zu Enlil sprach Anu:
»Dafür, daß sie getötet den Himmelsstier,
Auch den Chumbaba getötet haben,
Soll<, sprach Anu, >von ihnen sterben
Der, der den Bergen die Zeder entrissen!<
Enlil aber sprach: >Enkidu soll sterben,
Gilgamesch aber soll nicht sterben.«
Nun widersprach der himmlische Schamasch dem Helden Enlil:
»Haben sie nicht auf mein Geheiß
Den Himmelsstier und Chumbaba getötet?
Und nun soll Enkidu unschuldig sterben?«
Aber Enlil erzürnte sich gegen den himmlischen Schamasch:
»Weil du täglich zu ihnen wie ihresgleichen hinabgingst!«
Enkidu lag (krank) darnieder vor Gilgamesch.
Dem brachen da die Tränen in Strömen hervor:
»Bruder, lieber Bruder! warum sprechen sie mich frei anstatt meines Bruders?«
Sodann: »Werd ich mich nun zu einem Totengeist
Setzen müssen, zur Totengeisttür?
Meinen lieben Bruder nimmermehr sehen mit meinen Augen?«
[Lücke]
[jüngere Fassung]
Enkidu hob die Augen auf,
Mit der Türe spricht er als wie mit einem Menschen:
»Du Türe aus dem Forst, du unvernünftige...:
Ohne den Verstand, der nicht vorhanden ist, ...
Auf zwanzig Doppelstunden ersah ich das gute Holz für dich!
Bis daß ich die hohe Zeder gesehen . .
War dein Holz ohnegleichen in meinen Augen.
Sechsmal zwölf Ellen beträgt deine Höhe,
Zweimal zwölf Ellen beträgt deine Breite;
Türstange, Polschuh und Stangenknopf bei dir sind
Ich zimmerte dich, ich hob dich auf, in Nippur.
Hätt‘ ich, o Türe, gewußt, daß dies deine Schönheit,
Und dies deines Holzes Schönheit war,
Erhoben hätt‘ ich ein Beil, es gehandhabt,
Fügen lassen ein Floß
[ca. 12 Verse fehlen]
Doch jetzt, o Türe: Ich zimmerte dich, ich hob dich auf, ... Nippur.
Entweder mag ein König, der nach mir aufkommt, dich, >wecken<,
Oder mag der Gott ... dich ...
Er mag meinen Namen beseitigen und seinen Namen einsetzen!«
Er riß aus...,warf... hin.
Auf seine Worte hört‘ er hin, eilends gar früh... te er ihn.
Gilgamesch hört hin auf die Worte seines Freundes Enkidu, und es fließen seine Tränen.
Gilgamesch tat zum Reden den Mund auf, sagt und spricht zu Enkidu:
>Es schenkte dir der Gott ... ein weites Herz, zuverlässige Rede;
Er gab dir, Vernunft zu haben, und doch gar Seltsames redest du!
Warum, mein Freund, sprach dein Herz so seltsame Dinge?
Der Traum war doch sehr kostbar, des Schreckens aber auch viel!
[ein Vers fehlt]
...waren viel, der Traum war kostbar:
Dem Lebenden überließen die Götter das Klagen!
Der Traum überließ dem Überlebenden die Klage!
Ich will beten und die großen Götter anflehen!
Ich will stets ... suchen, zu deinem Gott beten!
... Enlil, Vater der Götter, ...
[ein Vers fehlt]
Aus Gold in unendlicher Menge will ich dein Bildnis fertigen!
... bekümmere dich nicht! Das Gold ...
Was Enlil sagte, ist nicht wie ...
Was er sagte, ging nicht zurück, nicht ...
Was er... legte, ging nicht zurück, nicht ...
Mein Freund, ...
Die ... der Geschicke gehen zu den Menschen!
Kaum, daß ein Schimmer des Morgens graute,
Erhob Enkidu sein Haupt und weint vor Schamasch,
Vor dem Glanz des Schamasch fließen seine Tränen.
»Ich rief dich an, Schamasch, wegen meines kostbaren Lebens,
Ich wandte mich an dich, Schamasch, wegen des Jägers, des gewalttätigen Menschen,
Der mir nicht Gleiches zukommen ließ wie meinem Gefährten.
Der Jäger erreiche nicht, was seinen Gefährten zuteil ward!
Vernichte seinen Gewinn, mindere seine Kräfte!
Daß man ihn fortjage, sei sein Anteil vor dir!
In... soll er nicht eintreten können, durch die Fenster hinausgehen müssen!«
Als er den Jäger verflucht hatte nach Herzenslust,
Trieb es ihn, auch die Dirne zu verfluchen.
»Wohlan, Dirne, die Geschicke will ich dir bestimmen,
Ein Schicksal, das kein Ende nimmt für der Ewigkeit Dauer!
Ich will dich verwünschen mit großer Verwünschung,
Eilends früh stehe auf meine Verwünschung wider dich!
Nicht sollst du einrichten dürfen ein Haus, in dem du Frau bist,
Auf daß du nicht lieben kannst ein Kind deines Leibes!
Nicht sollst du wohnen im... der Mädchen!
Deinen guten Schoß soll . . . schwängern!
Dein Festgewand soll der Trunkene mit Gespei besudeln!
[ein Vers fehlt]
Als ... bleibe dir nur der Lehmklumpen des Töpfers!
Vom glänzenden Alabastron sollst du nichts bekommen!
..., das den Menschen Fülle bringt, soll in deinem Hause nicht aufbewahrt werden!
Als Frauenlager diene dir der Türdurchgang!
Der Kreuzweg sei dein Wohnsitz,
Wüste Gegenden dein Lager!
Der Schatten der Mauer sei dein Aufenthalt,
Stachelkraut und Dornen sollen deine Füße wund stechen!
Auf die Backe soll der Trunkne dich und der Durstige schlagen!«
Auf deiner Reise soll der Löwe gegen dich brüllen!
Deine Wand soll der Baumeister nicht verputzen!
... niste das Käuzchen,
... kein Gastmahl finde statt!
[fünf Verse fehlen]
... weil du gegen mich gepißt hast!«
Da Schamasch die Rede seines Mundes hörte,
Rief er alsbald ihn vom Himmel aus an:
»Warum, Enkidu, verfluchst du die Dirne, die Priesterin?
Die dich götterwürdige Speisen essen ließ,
Mit feinstem Bier, wie es Königen ansteht, dich tränkte?
Mit vornehmer Kleidung dich kleidete,
Und Gilgamesch dir, den herrlichen, als Gesellen zu eigen gab?
Jetzt, Freund, ist Gilgamesch gar dein leiblicher Bruder!
Er läßt dich ruhen auf vornehmem Lager,
Ja, auf einem Ehrenlager dich ruhen,
Auf einem Sitz des Friedens, einem Sitz zur Linken läßt er dich hinsitzen,
Daß die Herrscher der Erde die Füße dir küssen.
Weinen läßt er um dich die Leute von Uruk und klagen,
Wohlgestellte Leute erfüllt er mit Gram um dich;
Er selbst läßt, bleibt er nach dir, schmutzbedeckt seinen Leib,
Tut eine Löwenhaut an und läuft in die Steppe.«
Da Enkidu Schamaschs, des Helden, Rede vernommen,
Ward alsbald sein zorniges Herz besänftigt.
»Wohlan, Dirne, die Geschicke will ich dir bestimmen,
Mein Mund, der dich eben verfluchte, soll nun dich segnen!
Statthalter und Fürsten sollen dich lieben;
Wer eine Doppelstunde ging, soll den Schenkel sich schlagen,
Wer zwei Doppelstunden ging, soll sein Haupthaar schütteln!
Nicht versage sich dir der Hauptmann, er löse für dich seinen Gürtel,
Er gebe dir Obsidian, Lasurstein und Gold!
Einen Scheibchenring lege er an an deine Ohren!
Für. .. sind gefüllt seine Kohlebecken, seine Vorräte eingebracht.
In das ... der Götter soll er dich hineinbringen,
Die Gattin, die Mutter von sieben Kindern,
Soll deinethalben verlassen werden!«
Enkidu grämte sich ab in seinem Gemüt,
Während er so lange einsam dalag.
Wie es ihm zumute war, sagte er dem Freund und sprach zu ihm:
»Mein Freund, ich sah einen Traum heute nacht:
Der Himmel schrie, die Erde gab Antwort.
Zwischen ihnen stand ich.
Da erschien ein Mann mit düsterem Antlitz,
Dem Anzû-Vogel glich sein Antlitz,
Eine Löwentatze war seine Tatze,
Adlerklauen waren seine Klauen.
Er packte mich an meinem Schopf und überwältigte mich.
Ich schlug ihn, da sprang er auf und ab gleich einem Springseil [=Symbol der Ischtar].
Er schlug mich und wie ein.., drückte er mich hinunter.
Wie ein Wildstier trampelte er mich nieder,
Er umklammerte meinen ganzen Leib.
>Rette mich, mein Freund< (rief ich), aber du halfst mir nicht,
Du hattest Angst und ... nicht ...
[4 Verse fehlen]
Da hat er mich ganz und gar in eine Taube verwandelt,
Daß mir die Arme wie Vögeln befiedert sind.
Er faßt mich an, führt mich zum Hause der Finsternis, der Wohnung Irkallas,
Zum Hause, das nicht verläßt, der‘s betreten,
Zur Straße hin, deren Bahn nicht umkehrt,
Zum Haus, darin wohnend man des Lichts entraten muß,
Wo Erdstaub die Nahrung ist, Lehm die Speise,
Man Flügelgewänder trägt wie Vögel
Und Licht nicht sieht, im Dunkeln sitzt.
Auf Tür und Riegel liegt der Staub.
Wo ich eingetreten, im Hause des Erdstaubs,
Liegen am Boden die Königsmützen,
Die Fürsten, die Träger von Königsmützen,
Die seit der Vorzeit das Land beherrschten,
Die Stellvertreter von Anu und Enlil -
Sie tragen auf gebratenes Fleisch,
Tragen Gebäck auf, kredenzen aus Schläuchen kühles Wasser.
Wo ich eingetreten im Hause des Erdstaubs,
Wohnen Hohepriester und Opferhelfer,
Wohnen Reinigungspriester, Geweihte,
Wohnen die gesalbten Priester der großen Götter,
Wohnt Etana‘, wohnt Sumukan",
Wohnt Ereschkigal, die Königin der Erde‘:
Beletßêri, die Schreiberin der Erde, kniet vor ihr,
Sie hält eine Schreibtafel und liest ihr vor.
Sie wandte ihr Haupt und erblickte mich -
Da nahm sie diesen ... hinweg.«
[50 Verse fehlen]
»Der mit mir durch alle Beschwernisse zog,
Gedenke an alles, was ich durchwanderte all die Jahre!
Mein Freund sah einen Traum, der Ungutes weissagt.«
Der Tag, da den Traum er sah, war zu Ende.
Da liegt nun Enkidu einen Tag, einen zweiten Tag;
Es sitzt der Tod in Enkidus Schlafgemach.
Einen dritten Tag und einen vierten Tag
Sitzt der Tod in Enkidus Schlafgemach,
Einen fünften, sechsten und siebenten,
Einen achten, neunten und zehnten.
Enkidus Krankheit wird schlimmer und schlimmer.
Einen elften und zwölften Tag liegt er da, Enkidu liegt auf dem Lager des Todes.
Da rief er Gilgamesch und sprach zu ihm:
»Mich hat, mein Freund, verwünscht eine böse Verwünschung!
Nicht wie jemand mitten im Streite fällt, sterb ich,
Mich schreckte die Schlacht, so sterb ich ruhmlos.
Mein Freund, wer da fällt in der Schlacht, ist glücklich,
Ich aber dulde Schmach im Sterben.«