ein Brettspiel wird entwickelt
Ein Beitrag von Marcus Kraneburg (Freie Waldorfschule St. Georgen Freiburg)
Auf diesem Hintergrund hat sich meine Klasse die Sage von Romulus und Remus praktisch erobert. Die Aufgabe bestand darin, in jeweils 45 min des Hauptunterrichtes ein Brettspiel zu entwickeln, welches die wesentlichen Stationen und Inhalte dieser Sage wiedergeben sollte. Die Umsetzung war ausgesprochen vielfältig.
Wichtig war mir, dass die wesentlichen Motive der Sage nicht nur gehört und aufgeschrieben wurden (letzteres haben wir gar nicht erst gemacht), sondern sie sollten eine praktische Verwandlung durchlaufen. Wir bildeten dazu überwiegend Zweiergruppen, so dass in meiner 23-köpfigen Klasse 10 wunderbare Spiele entstanden.
Das Projekt nahm nur einen Teil unserer Hauptunterrichtszeit in Anspruch. Während dieser Epoche verzichtete ich auf den rhythmischen Teil und den Erzählteil. Das ergab den notwendigen Platz für die Inhalte des "normalen" Geschichtsunterrichts.
Spieleabend
Als Abrundung der Epoche luden wir am letzten Tag die Eltern und Geschwister zu einem 1,5 stündigen Spieleabend ein. Die Spiele erfuhren somit ihren Praxistest. Die erste Runde wurde von der jeweiligen Arbeitsgruppe mit ihren Eltern bestritten. Es war eine schöne, fröhlich-lustige Spielezeit. Die Kinder erlebten dabei eine große Wertschätzung ihrer Arbeit.
Nachfolgend soll die Herangehensweise beschrieben werden.
1. Schritt
In unserem Epochenheft erstellten wir gemeinsam eine grafischen Darstellung der Handlungsorte und -themen der Sage. Dabei ordneten wir sie so an, dass wir innerlich schon unser Spielbrett vor Augen hatten.
2. Schritt
Ich hatte 10 Sperrholzplatten mit den Ausmaßen 75 x 50 cm in einem Baumarkt zuschneiden lassen. Wir übertrugen die Darstellung von unserem Heft auf die Platte. Jede Gruppe überlegte sich, wo der Tiber langfließen und Berge und Erhöhungen entstehen sollten.
3. Schritt
Mit Zeitungspapier und Tapetenkleister wurde die Landschaft geformt. Am Anfang kann man das Papier luftig zusammenknüllen. Somit kam man schnell zu größeren Erhebungen. Die letzten Papierschichten sollten dann glatt und gut verstrichen werden. Es ist sinnvoll, nicht zu viel Kleister aufzubringen. Alles sollte am Wochenende trocknen können.
4. Schritt
Jetzt wurden die zuvor auf festem Papier mit einer Schablone ausgeschnitten Spielfelder aufgeklebt. Sie sollten gerade ausgerichtet werden, damit die Spielfiguren später nicht herunterrutschen. Man kann diesen Schritt auch erst nach dem 6. Arbeitschritt ausführen. Dann übermalt man die Felder nicht.
5. Schritt
Die Kinder bestimmten Ereignisfelder und was dort zu tun ist. Mindestens 5 Ereignisse sollten direkten Bezug zur Sage nehmen. Ein Beispiel: "Rhea Silvia wird von dem Gott des Tibers wohlgefällig aufgenommen. Trinke ein Schnapsglas Wasser." Oder ein anderes Beispiel: "Romulus und Remus zählen voller Spannung die Geier, die über ihren Hügel fliegen. Nimm dir Zeit dafür und setzte eine Runde aus" ...
6. Schritt
Die Spiellandschaft wurde nun mit normaler Wandfarbe geweißt. Ein 5 l Eimer reicht selbst für 15 Spiele. Nur mit diesem Untergrund werden die Farben anschließend intensiv sein. Ansonsten kommt die Druckerschwärze immer wieder durch.
7. Schritt
Das Spiel wurde anschließend farbig gestaltet. Zuerst nahmen wir normale Farbmalkästen. Die Farben blieben jedoch relativ blass. Dann ergänzten wir mit verdünnten Stockmarfarben. Jetzt wurden die Grün- und Brauntöne schön kräftig.
8. Schritt
Das Spielbrett wurde mit weiteren Requisiten ausgestattet: Hütten, Häuser, Stadtmauer, Brücken, Bäume, Flöße ...
9. Schritt
Die Ereigniskarten wurden schön aufgeschrieben und gestaltet.
10. Schritt
Jede Gruppe legte ihre Spielregeln detailliert fest.
11. Schritt
Das erste Probespiel fand in der Klasse statt.
12. Schritt
Spieleabend mit den Eltern und Geschwistern! Jede Gruppe brachte eine schöne Tischdecke, Saft, Gläser und etwas zum Knabbern mit.
Resümee
Ich war selbst begeistert, wie unterschiedlich die Spiele geworden sind. Es ergab sich ein wahrhaft multidimensionales Lernfeld. Die Kinder sahen, wie sich Ideen an einer Aufgabe entzünden. Man spürte die Begeisterung, es umsetzen zu wollen. Man erfuhr den Unterschied zwischen Idee und Wirklichkeit. Man erlebte Ernüchterung und Bestätigung, aber auch Anregung von anderen Gruppen. Man lernte Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit bei Besorgungen, Einigung bei unterschiedlichen Vorgehensweisen. Man übte praktische Geschicklichkeit ...
und wohl das Wichtigste: Man lernte seinen Ideen durch Höhen und Täler zu folgen.