Tribunal des Tiberius Gracchus, Sein Kampf für das Ackergesetz

Appian (römischer Geschichtsschreiber, 90 - 160 n. Chr.): Bürgerkriege I 9.10.

Die politische Wirksamkeit des Tiberius begann 137 mit der Quästur. Die Erfahrungen dieses Jahres, in dem Tiberius mit dem Konsul Hostilius Mancinus nach dem diesseitigen Spanien geschickt wurde, haben seine Politik maßgebend beeinflusst. Er beobachtete auf der Reise durch Etrurien den Niedergang der italischen Bauernhöfe und lernte in Spanien die schlechte Qualität der römischen Truppen kennen.

 

"Sein Bruder Gaius schreibt in einer Schrift: „Als Tiberius auf seiner Reise nach Numantia durch Etrurien kam und die Öde des Landes sah, als er beobachtete, dass alle Feldarbeiter und Hirten fremde, kriegsgefangene Sklaven waren, da tauchte zuerst der Plan in ihm auf, der ihm und seinem Bruder tausend Leiden bringen sollte."... Freilich entwarf Tiberius den Gesetzesvorschlag nicht allein, sondern zog würdige, angesehene Männer Roms zu Rate, darunter den Pontifex Maximus Crassus, den Rechtsgelehrten Mucius Scaevola, der damals Konsul war, und Appius Claudius, seinen Schwiegervater... Tiberius verfocht seine gute und gerechte Sache mit einer Beredsamkeit, die auch eine geringere Sache hätte adeln können. Er war als Gegner gefährlich, ja unüberwindlich, wenn er, umlagert vom Volk, auf seiner Rednerbühne stand und von den Besitzlosen sprach: ,,Die wilden Tiere, die Italien bevölkern, haben ihre Höhlen und kennen ihre Lagerstätte, ihren Schlupfwinkel. Die Männer aber, die für Italien kämpfen und sterben, haben nichts als Luft und Licht; unstet, ohne Haus und Heim, ziehen sie mit Weib und Kind im Lande umher. Die Feldherrn lügen, wenn sie in der Schlacht ihre Soldaten aufrufen, Gräber und Heiligtümer gegen die Feinde zu verteidigen. Denn keiner von diesen armen Römern hat einen Altar von seinen Vätern geerbt, kein Grabmal seiner Ahnen. Für Wohlleben und Reichtum anderer setzen sie im Krieg ihr Leben ein. Herren der Welt werden sie genannt: in Wirklichkeit gehört kein Krümchen Erde ihnen zu eigen." (Plutarch) Tiberius beantragte eine Erneuerung des alten Ackergesetzes, das die Nutzung von mehr als 500 Joch Gemeindeland untersagte.

Doch gestattete er, was im alten Gesetze nicht lag, den Söhnen die Hälfte dieser Zahl. Das übrige Land sollten drei dazu gewählte Männer, welche jährlich mit andern zu wechseln hätten, unter die Armen verteilen. Das letztere war es, was die Reichen am meisten beunruhigte. Denn nun konnten sie, da eigene Männer zum Verteilen aufgestellt waren, das Gesetz nicht mehr wie früher verachten. Auch war das Kaufen fremder Lose abgeschnitten. Denn Gracchus hatte sich darauf vorgesehen und das Verkaufen verboten. Sie traten daher zusammen, führten Klagen und beriefen sich gegen die Armen auf das Alter der mit eigenen Kosten gemachten Einrichtungen, Pflanzungen und Gebäude. Einige wandten ein, sie hätten ihren Nachbarn Geld­ersatz gegeben, ob sie dann auch diesen mitsamt dem Lande verlieren sollten? Andere: die Grabmale ihrer Väter seien auf den Gütern, oder diese seien ihnen bei der Teilung des väterlichen Erbes als Los zugefallen. Andere: die Mitgift ihrer Frauen sei darauf verwendet, oder: das Land sei den Kindern statt einer Aussteuer gegeben worden. Endlich brachten auch die Gläubiger die Schulden vor, die darauf hafteten. So war überall nichts als Verwirrung, Klagen und Unwillen.

Auf der andern Seite klagten die Armen: von Vermöglichkeit seien sie in die tiefste Armut herabgesunken und dadurch selbst kinderlos geworden, weil sie außerstande gesetzt wären, Kinder zu ernähren. Alsdann zählten sie alle die Feldzüge her, die sie mitgemacht, um diese Ländereien zu erobern, und murrten über die Unbilligkeit, wenn sie am Gemeingute keinen Anteil haben sollten. Zugleich schalten sie auf diejenigen, welche statt frei­geborener, gedienter Bürger Sklaven in ihre Dienste nähmen, eine Menschengattung, die immer ungetreu und feindselig gewesen und deswegen zum Kriegsdienste nicht tauge. Während beide Teile solche Klagen führten und einander solche Vorwürfe machten, kam noch eine andere Volksmenge dazu, die als Bewohner der Koloniestädte oder der Munizipien oder sonst auf eine Art Anteil an diesen Ländereien genom­men hatten und jetzt gleiche Furcht haben mussten. Diese teilten sich in die bestehenden beiden Parteien.

Im Vertrauen auf ihre Menge erhitzten sich jetzt die Gemüter. Die Flammen unmäßiger Gärungen wurden entzündet, und in dieser Stimmung war­teten sie auf den Tag, wo über den Gesetzesvorschlag abgestimmt werden sollte, die eine Partei entschlossen, alles zu versuchen, um seine Bestätigung zu verhindern, die andere, alles anzuwenden, dass er Kraft erhalte."

Ihr Kommentar