Die Entstehung der Welt

Ein Beitrag von Anja Krapf

Eine schöne Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler ist es, nach diesem Text einen Götterstammbaum zu entwickeln. 

Die Welt wird aus dem Chaos geboren

Für die Griechen stand am Anfang das Chaos. So nannten sie den Gott, der nie geboren wurde, den es schon immer gab. Die Griechen verstanden unter Chaos aber kein Durcheinander, sondern vielmehr das Ungeformte. In ihm war bereits alles vorhanden, was später werden sollte, aber nur als Möglichkeit – es trat noch nichts in Erscheinung. Äußerlich war alles leer. Es gab noch keine Sonne und kein Licht, weder Erde noch Himmel. Es herrschte tiefe Dunkelheit und Stille.

Dann aber entschloss sich das Chaos, die Welt aus sich heraus zu erschaffen. Zuerst gebar es die Erdgöttin Gaia. Sie war voller Kraft und Leben, trug aber noch keine Pflanzen und Tiere. Gaia war die Mutter Erde. Dann brachte das Chaos weitere Kinder zur Welt. Auf der einen Seite den furchtbaren Tartaros zusammen mit Nyx, der tiefen Nacht und andererseits Hemera, den freudig strahlenden Tag.

Der Tartaros war ein dunkler und schrecklicher Ort, der sich tief unterhalb von Gaia öffnete. Oberhalb von Gaia befand sich weiterhin das Chaos. Würde das Chaos einen eisernen Amboss in die Tiefe fallenlassen, so bräuchte der Amboss neun Tage und neun Nächte, um im Morgengrauen des zehnten Tages die Erde zu erreichen. So weit waren sie voneinander entfernt. Um hingegen in den Tartaros zu gelangen, bräuchte der Amboss nochmals dieselbe Zeit. Aber selbst die Unsterblichen mieden diesen schrecklichen Ort. Es gab dort ein dunkles Schloss, in das sich die Nacht zurückzog, wenn ein neuer Tag auf Erden herannahte. Am Ende des Tages kehrte die Nacht von dort auf die Erde zurück. 

Auch gebar das Chaos Eros, den Gott der begehrlichen Liebe. Machtvoll war er und verband alles Erschaffene mit seiner Kraft.

 

Uranos, der mächtigste der Götter

Nachdem das Chaos die Welt auf diese Art eingeteilt hatte, begann auch die Erdgöttin Gaia, die Welt zu gestalten. Sie gebar Uranos (den endlosen blauen Himmel), Ourea (die Berge) und Pontos (das Meer). Uranos war der stärkste Gott von allen. Er umhüllte die ganze Erde mit seinem großen blauen Mantel von einem Ende zum anderen. Er saß auf einem Thron, in dem sich alle Farben des Regenbogens spiegelten. Von hier aus herrschte er über die ganze Welt und alle Götter.

Der machtvolle Uranos heiratete Gaia. Zusammen hatten sie viele Nachkommen. Da waren zum Beispiel die zwölf Titanen. Sie waren von riesenhafter Gestalt und verfügten über gewaltige Kräfte. Sechs von ihnen waren männlich und sechs weiblich. Der stärkste Titan hieß Okeanos. Er lebte in den großen Wasserströmen, die in den riesigen Meeren der Erde kreisten. Stets freute er sich über das muntere Plaudern seiner 3000 Töchter. Sie waren die Flüsse, Quellen und Bäche. Ein anderer Titan hieß Hyperion. Mit der Titanin Theia zeugte er drei anmutige Götter: Helios (die helle Sonne), der auf goldenen Wagen von vier feuersprühenden Rossen gezogen, donnernd über den Himmel fuhr. Wenn er abends in den Okeanos untertauchte, stieg Selene, seine sanfte Schwester, die Mondgöttin, im Osten auf. In gleißendem Gefährt, das zwei herrliche weiße Rosse zogen, umkreiste sie ruhigen Ganges den nächtlichen Himmel. Und dann erschien Eos, die Morgenröte, in Gold strahlendem Gewand, und verkündet heiter des Helios strahlende Wiederkunft.

Aus Uranos und Gaia gingen aber auch urgewaltige Ungeheuer hervor. Da waren die drei Hekatoncheiren, die hundertarmigen Riesen. Das waren die größten und schrecklichsten Kinder. Sie nahmen große Felsbrocken wie kleine Steinchen in ihre mächtigen Hände und schleuderten sie weit durch die Luft, um die Erde erzittern zu lassen. Ebenso zeugten Uranos und Gaia die nimmermüden Zyklopen, die Erschaffer des Blitzes - Wesen mit einem Auge inmitten der Stirn, das glimmte und leuchtete. Sie lebten in den Bergen und nährten auf einem Gipfel das ewige Feuer. Es war ein Vulkan, in dem sie Rüstungen und Waffen schmiedeten.

Über allen Göttern herrschte Uranos. Er wachte über die Ordnung der Dinge. Seine Wünsche waren Gesetz und alle gehorchten seinen Befehlen. Aber zugleich war er eifersüchtig darauf bedacht, dass ihm keiner seiner Macht streitig machte. Seine mächtigen Söhne, die ihm nicht immer Ehrerbietung entgegenbrachten, waren ihm dabei ein Dorn im Auge. Daher beschloss er, sie zu bestrafen. Alles Bitten von Gaia nützte nichts. Er erwiderte: „Wenn Kinder aufhören, ihren Vater zu achten, müssen sie bestraft werden!“

Somit öffnete er die Erde und schleuderte die Titanen, Zyklopen und hundertarmigen Riesen in den finsteren Tartaros und hielt sie dort in großer Finsternis verborgen. Gaia forderte in ihrer Not die Titanen auf, sich zu wehren. „Wer von euch hat den Mut, der neue Herr über die Götter zu werden? Euer Vater hat lange genug geherrscht. Nun ist es Zeit, dass ein anderer an seine Stelle tritt.“ Uranos war unendlich stark und in seinem Zorn noch weitaus furchterregender. Aber keiner hatte Mut – außer Kronos, der Jüngste der Titanen.

Gaia befreite Kronos aus dem Tartaros und führte ihn auf geheimen Wegen zurück an die Erdoberfläche und übergab ihm eine gewaltige Sichel, die sie aus dem Erz der Erde geformt hatte. Kronos lauerte in der Nacht seinem Vater Uranos auf, der auf dem Weg zu seinem Lager war. Ein wilder Kampf entbrannte zwischen Vater und Sohn, die Erde erzitterte. Doch mit der Sichel gelang es Kronos, Uranos zu entmannen, sodass er keine weiteren Kinder zeugen konnte. In größtem Schmerz rief nun Uranos: „So wie du mich vom Thron gestoßen hast, wird dereinst dein eigener Sohn dich ebenfalls zu Fall bringen!" Einige der Blutstropfen des Uranos fielen in die Wellen des Meeres und erzeugten einen weißen Schaum, aus dem eine herrliche Jungfrau hervorging: Aphrodite, die Göttin der Liebe. Wo ihr zierlicher Fuß die Erde berührte, sprossten Blumen empor.

Nun wurde Kronos Herrscher über die Götter. Als erstes befreite er die Titanen aus dem Tartaros und festigte damit seine Herrschaft. Die Hundertarmigen jedoch beließ er dort, denn er fürchtete ihre Stärke. Nur einer der Titanen folgte ihm nicht: Okeanos. Ihm erschien es ruchlos, dass der Sohn den Vater vom Thron verstieß. Er zog sich in die entlegensten Winkel der Erde zurück.

 

Zeus wird geboren

Durch die Tat des Kronos kam Unheil über die Welt. Um Kronos zu strafen, gebar die Nacht (Nyx) einen Schwarm furchtbarer Gottheiten: den Tod (Thanatos), Ker (das Verderben), Moros (das Verhängnis), Momos (die Kritik), Oizys (die Sorgen), Nemesis (die Rache) Apate (den Trug), Geras (das Alter), Eris (den Streit).

Kronos hatte den Fluch seines Vaters nicht vergessen. Er fürchtete, dass seine Herrschaft nicht ewig währen würde, wenn seine eigenen Kinder sich gegen ihn auflehnen würden. So befahl er seiner Frau und Schwester Rhea, die auch eine Titanin war, ihm jedes Kind zu bringen, dass sie ihm gebären würde, um es sogleich zu verschlingen. Rhea musste Folge leisten und mit jedem Kind, das Kronos verschlang, wurde der Mutter Schmerz größer. Hera, Demeter, Hestia, Hades und Poseidon verschwanden somit in Kronos Schlund.

Als sie erneut schwanger wurde, fragte sie ihre Mutter Gaia um Rat. Sie riet ihr, das Kind auf Kreta zur Welt zu bringen und sich im tiefen Wald verborgen zu halten. So geschah es. Anstelle des Knaben reichte Rhea ihrem Gemahl nun einen Stein, den sie in ein Tuch gewickelt hatte. Kronos schöpfte keinen Verdacht, er verschlang den Stein und war beruhigt. Das Kind, das auf diese Weise gerettet wurde, trug den Namen Zeus.

 

Zeus wächst auf Kreta auf

Das göttliche Kind wuchs in der Einsamkeit des Gebirges in einer Höhle auf und wurde von Nymphen umsorgt. Bienen flogen herbei und nährten es mit süßem Honig. Wenn der Knabe Durst hatte, versorgte die heilige Bergziege Amalthea ihn mit Milch. Sie liebte ihn wie ihre eigenen Jungen. Schrie der Knabe, so veranstalteten die jungen Kreter Waffentänze vor der Höhle und schlugen mit ihren Schwertern gegen die Schilde. Sie machten einen derartigen Lärm, dass sie das Weinen des Kindes übertönten. So konnte es der herzlose Vater nicht hören.

Rasch wuchs Zeus zum Jüngling und zum Mann heran. In Tapferkeit, Wissen und Stärke wurde er von niemandem übertroffen. Als die Zeit erfüllt war, hörte Zeus von dem Unrecht, das seinen Geschwistern durch seinen Vater widerfahren war. Da fasste er einen Entschluss. Er würde Kronos vom Thron der Götter stoßen.

 

Die Titanenschlacht

Zeus verließ Kreta, um sein Vorhaben zu verwirklichen und traf Okeanos, der sogleich wusste, wen er vor sich hatte. Okeanos sprach: „Zuerst musst du deine Geschwister befreien, die dein Vater in seinem Leib gefangen hält.“ Er rief seine Tochter Metis zu sich, die die geheimsten Kräuter und ihre Wirkungen kannte. Sie sollte einen Trank zubereiten, durch den Kronos seine Kinder heraufwürgen müsste. Zeus gab den Trank in einen goldenen Becher und tatsächlich gelang es ihm, Kronos den Becher zu reichen, ohne dass er ihn erkannte.

Mehr als ein Schluck war nicht nötig und Kronos ergriffen heftige Leibschmerzen. Er würgte und musste alle seine Kinder wieder ausspeien. Zuerst erschien der Stein, dann folgten seine fünf Kinder. Als Kronos bemerkte, wie ihm geschah, war es bereits zu spät. Gemeinsam befreite Zeus mit seinen Geschwistern die einäugigen Zyklopen aus dem Tartaros. Zum Dank schmiedeten diese Zeus eine Waffe, wie sie noch kein Herrscher je besessen hatte. Sie überreichten ihm den Donner und den blendenden Blitzstrahl.

Nicht alle Titanen hielten zu Zeus, doch Prometheus tat es. Er erkannte, dass der Sieg dem jungen Gott zufallen werde. Zeus scharte alle seine Getreuen auf dem hohen Olymp um sich, der von nun an ihre Festung war und auf dem sie später goldene Paläste errichten sollten. Sie rüsteten sich. Als Kronos von den Vorbereitungen des Zeus erfuhr, versammelte er die restlichen Titanen auf dem Othres, einem Bergmassiv, dessen Hänge mit riesigen Felsbrocken übersät waren. Diese wollten sie den Feinden entgegenschleudern.

Ein grässliches Ringen begann. Die Erde stöhnte und dröhnte vom Stampfen der Kämpfer. Das Kampfgeschrei und Brüllen tönte bis zum sternbesäten Himmel empor und hallte dumpf bis zu den nebeligen Tiefen des Tartaros wider. Stürmisch schwoll der Zorn in Zeus. Unaufhörlich schleuderte er zuckende Blitze, gleißend und donnernd zischten sie vom Olymp herab. Selbst die Augen der Göttlichen wurden von den Blitzen geblendet. So begann der verheerendste Krieg aller Zeiten, die furchtbare Titanenschlacht, die zehn Jahre dauern und die ganze Erde verwüsten sollte. Die Erde bebte, Wälder gingen in Flammen auf, das Meer kochte, und schwarze Rauchschwaden standen in sengender Hitze.

Trotzdem konnte keine Seite den Sieg erringen. Neun volle Jahre dauerte schon der grauenvolle Kampf, als Gaia den Olympiern ein Geheimnis verriet, wie sie den Sieg erringen könnten. Erst mit den drei Hundertarmigen aus dem finsteren Tartaros würden sie den Kampf gewinnen. Sie befreiten die Hundertarmigen, die sich sogleich in den Kampf einmischten. Gewaltige Felsblöcke von der Größe eines Berges ergriffen sie und schleuderten sie unter die Feinde. Vom gewaltigen Steinhagel überwältigt, unterlag Kronos mit seinen Titanen schließlich. Zeus hatte die Weltherrschaft errungen.

Die Titanen schleppte man nun in den tiefen Tartaros und fesselte sie mit geschmiedeten Ketten. Eiserne Tore schlossen sich vor ihnen und die Hundertarmigen hielten von nun an Wache.

 

Zeus, der Herrscher des Himmels

Zeus teilte die Herrschaft über die Welt mit seinen Brüdern Poseidon und Hades. Durch das Los sollte bestimmt werden, welches Reich wem zufallen würde. Zeus erhielt die lichte himmlische Welt. Dort herrschte er in strahlendem Glanz, in der Fülle der Weisheit der Welt über Götter und Menschen.

Hades aber stieg in die Unterwelt hinab und herrschte als König in der Tiefe der Erde über die Verstorbenen und die dunklen Mächte, welche in den Tiefen des Tartaros hausten. Ein Zauberhelm machte Hades unsichtbar. An der Pforte seines Palastes wachte Cerberos, der Höllenhund. Er war grausam und voller Tücke. Jeden, der kommt, ließ er wedelnd herein, doch keinen ließ er je wieder hinaus.

Poseidon wurde zum Herrscher über alle Gewässer und das weite Meer. Er wohnte in seinem Palast in der Tiefe des Meeres und fuhr mit seinen wilden Rossen über die Wellen hin, mit dem Dreizack die Wogen der Salzflut zerfurchend.

An der Erde aber, dem Wohnsitz der Sterblichen, haben alle, Zeus, Poseidon und Hades, gleichen Anteil.

 

Der Kampf der Giganten

Doch die Welt sollte noch immer nicht zur Ruhe kommen. Gaia war zornig darüber, dass Zeus ihre eigenen Kinder so grausam in den Tartaros gesperrt hatte. Sie brachte die Giganten zur Welt und forderte sie auf, sich an Zeus zu rächen. Giganten waren furchterregende Gestalten. Sie waren riesig und hatten beschuppte Beine. Jetzt stürmten sie gegen den Olymp mit ganzer Kraft. Vor dieser schrecklichen Wut der Giganten verblassten die Gestirne und das Meer zog sich voller Furcht zurück. Grollende Erdbeben rollten zum Göttersitz und erschütterten diesen in seinen Grundfesten.

Fast schien es, dass der Olymp diesem Angriff nicht standhalten könnte. Und so befragten die Götter das Orakel um Rat. Dies weissagte ihnen, dass sie ohne die Hilfe eines Sterblichen niemals den Sieg erringen würden. Einst hatte Zeus mit der sterblichen Alkmene einen Sohn gezeugt, der Herakles hieß. Ihn fragte man um Hilfe. Gemeinsam besiegten sie nun einen Giganten nach dem anderen.

Aber Gaias Zorn war noch immer nicht gestillt. Als letztes schickte sie ihren Sohn, den sie mit Tartaros gezeugt hatte, den grässlichen Typhon gegen Zeus in den Kampf. Das war ein riesiges Ungeheuer mit Schlangenfüßen und 100 Schlangenköpfen. Allein seine viellautenden Stimmen verbreiteten Grauen und seiner Mäuler spien vernichtendes Feuer. Der Kampf mit dem Ungeheuer erschütterte die Erde bis in ihre Tiefen. Doch schließlich konnte Zeus Typhon besiegen, in dem er den Berg Ätna auf ihn schleuderte, der ihm so zum Grabe wurde. Noch heute ist der Vulkan Ätna aktiv.

So kehrte endlich Ruhe in der Welt ein. Seither thronte Zeus als oberster aller Götter auf dem Gipfel des Olymp.

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