SPANIEN - Andalusien - Stierkampf und Flamenco

Andalusien ist von den 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens die südlichste, die auf dem Festland liegt. Es  ist eine Region, die seit jeher eine Brücke zwischen den Kulturen Europas, Nordafrikas und dem Orient spannt. Die Geschichte dieser südlichsten Ecke Spaniens ist von Umbrüchen und Neuanfängen gezeichnet wie kaum eine andere Gegend Europas.

Andalusien war schon immer ein Schmelztiegel der Kulturen. Im letzten vorchristlichen Jahrtausend liefen phönizische, griechische und karthagische Schiffe die Küste an, im späten 3. Jhd.v.Chr. war Andalusien Einfallstor der Römer, die diese Region wie keine andere Spaniens prägten.

711 kamen die Araber bzw. Mauren, die Teile des Nordens schon im 8./9. Jh. wieder räumen mussten. Die Hinterlassenschaft der Mauren ist allgegenwärtig - in den Pueblos Blancos (Weißen Dörfern) und den Städten Sevilla und Córdoba ebenso wie in der Struktur der Landschaft. Andalusiens Reconquista begann aber erst 1212, ihre letzte Hochburg Granada verloren die Araber erst 1492, in dem Jahr, in dem Kolumbus nach Amerika segelte. In der Bevölkerung fließt viel arabisches Blut und nirgends sonst in Spanien leben so viele Gitanos.

Der Einfluss von Arabern wie auch Gitanos zeigt sich im Flamenco. Dieser ist heute wie auch der Stierkampf eine Touristenattraktion, aber mit volkstümlichen Wurzeln, ein Ausdruck von Stolz und Würde. Wegen der langen Araberherrschaft hat Andalusien Spaniens kürzeste christliche Tradition. Obwohl auch hier die Inquisition wütete, spricht man mitunter von getauftem Heidentum, trotz noch so bewegender Karwochenprozessionen.

 

Stierkampf

Der Stierkampf ist einer der bekanntesten und zugleich umstrittensten spanischen Bräuche. Vom heutigen Standpunkt muss man dieses grausame Schauspiel als Tierquälerei bezeichnen. Der Kampfstier (Toro Bravo), stammt aus einer uralten Rinderrasse, die nur in Spanien überlebt hat. Seinen Vorfahren gab es in weiten Teilen der Welt. Er wurde von zahlreichen Zivilisationen verehrt, der Stierkult auf der Insel Kreta etwa ist weithin bekannt. In den religiösen Kult-Handlungen der iberischen Stämme, die in prähistorischer Zeit in Spanien lebten, spielten Stiere ebenfalls eine bedeutende Rolle.

Die Ursprünge der Arena (Plaza) gehen auf die ringförmigen keltisch-iberischen Tempel, in denen vor Urzeiten die oben erwähnten Zeremonien abgehalten wurden. Ein solcher Tempel ist in der Nähe von Numancia, in der Provinz Soria, erhalten. Die Iberer begründeten zwar den Stier-Kult, es waren aber wahrscheinlich griechische und römische Einflüsse, die ihn in ein Spektakel umwandelten.

Im Mittelalter war der Stierkampf zu Pferde ein beliebter Sport der Aristokratie. Im 18. Jahrhundert kam diese Tradition aus der Mode, während gleichzeitig die ärmeren Bevölkerungsschichten begannen, den Stierkampf zu Fuß zu praktizieren. Erst mit der Zeit wurden Regeln dafür entwickelt.

Für ihre Anhänger ist der Stierkampf (La Corrida) eher eine Kunstform denn ein Sport, ein Ausdruck des Kampfes zwischen dem Menschen und der rohen animalischen Kraft; eine archaische Tradition, die nur in diesem Land überlebt hat, genau so wie es der Toro Bravo getan hat.

 

Der Kampfablauf

Eine Stierkampfveranstaltung, setzt sich aus sechs einzelnen Kämpfen zusammen. Jeder dauert insgesamt ca. 20 Minuten. Es wird vorher ausgelost, welcher Matador mit welchem Stier kämpfen wird. Der Matador ist ein Stierkämpfer, welcher am Schluss den Stier tötet. Normalerweise sind es drei Matadores, die es jeweils mit zwei Stieren nacheinander aufnehmen.

Erster Teil 

Der Matador verwendet im ersten Teil ein großes, meist außen purpurrotes und innen gelbes Tuch, um den Stier zu zitieren, den Kampf aufzunehmen und seinen Ansturm zu mäßigen. Dabei ist es seine Hauptaufgabe, den Stier zu „lesen", also die individuelle Verhaltensweise des Stieres in Bezug auf Angriffs- und Bewegungsablauf zu studieren und entsprechend sein eigenes Vorgehen für den dritten Teil des Kampfes festzulegen. Bereits in diesem frühen Stadium offenbaren sich die Fähigkeiten des Stieres und die Möglichkeiten des eigentlichen Kampfes zwischen Stier und Matador im letzten Drittel der Begegnung.

Neben dem Matador sind auch zwei Picadores (Lanzenreiter) auf einem Pferd in der Arena, die den Stier mit ihren Lanzen im Nackenbereich verwunden. Im ersten Drittel geht es darum, die Tapferkeit und Angriffslust des Stieres zu zeigen, der mehrmals angreifen soll, obwohl er dabei bestraft wird. Das Publikum begleitet die Arbeit der Picadores häufig mit Pfiffen und Buh-Rufen, wenn einem als wenig oder mittelmäßig befähigt beurteilten Stier allzu sehr zugesetzt wird. Während der Verwundung des Nackens dürfen die Picadores dem Stier den Ausweg zur Mitte der Arena nicht versperren.

 

Zweiter Teil

Im zweiten Teil treten die so genannten Banderilleros auf, deren Aufgabe es ist, dem Stier drei Paare lange, mit bunten Bändern versehene Spieße so in den Rücken zu stechen, dass sie hängen bleiben. Ziel ist es, den Muskelstrang zwischen den Schulterblättern des Stieres zu treffen, zu schwächen und zu markieren, ohne jedoch den Zugang für den finalen tödlichen Stoß des Matadors zu versperren. Hierbei ziehen die Banderilleros die Aufmerksamkeit des Stieres durch Zurufe auf sich. Dies ist die einzige Situation, in welcher der Stier in seinem Angriffsverhalten auf das Erscheinungsbild eines Menschen gelenkt wird. Bei der Aufzucht des Stieres wird darauf geachtet, dass eine solche Situation in keinem Fall eintritt.

Der Angriff des Stieres wird pariert, indem der Banderillero im richtigen Moment seinen nach hinten gespannten Körper vorschnellen lässt und die in den erhobenen Händen gehaltenen Banderillas in den Nacken des Stieres stößt. Dann zieht er sich aus der Angriffsrichtung des Stieres, die er zuvor durch das „Lesen" des Stieres erahnt hat, zurück und verbirgt sich hinter der hölzernen Barriere der Arena, um eine erneute Attacke des Stieres zu verhindern. Dies wiederholt sich dreimal. Diese Banderillas haben, mit acht Zentimetern, längere Widerhaken. Besonders gelungene Figuren der Akteure, der Banderilleros, des Matadors und auch des Stieres, werden vom Publikum mit lauten Olé-Rufen begleitet. Umgekehrt werden schlechte Akteure vom Publikum ausgepfiffen. Es kann durchaus geschehen, dass ein Matador während dieses Abschnitts gefeiert wird, aber durch einen unwürdigen Tötungsakt die Gunst des Publikums verspielt und die Arena nicht durch die große Tür verlassen kann.

 

Dritter Teil

Im dritten und wichtigsten Teil des Stierkampfes, sind nur noch der Matador, ausgerüstet mit einem kleineren dunkelroten Tuch und einem Degen, und der Stier in der Arena. Sie dauert etwa acht Minuten. Sollte sich diese Phase zu lange hinziehen, ertönen Signale. Ziel des Matadors ist es, den Stier und seine individuellen Eigenschaften zu nutzen, um seinen Mut, Respekt, aber auch seine Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Der Stier ist zu diesem Zeitpunkt schon schwer verletzt. Sollte der Matador in gefährliche Situationen geraten, eilen seine Helfer herbei, um den Stier abzulenken. Um Verletzungen des Matadors zu verhindern, werden häufig die Spitzen der Hörner des Stieres abgeschliffen.

Der Matador versucht, die Angriffe des Stieres zu parieren, seine Bewegungen vorauszuahnen und die eigenen Bewegungen mit jenen des Stieres abzugleichen, um so tradierte Figuren und Bewegungsabläufe auszuführen. Von Anhängern des Stierkampfes wird dieser Teil des Kampfes mit einem Tanz verglichen, wozu auch die in dieser Phase gespielte Musik beiträgt. Die Bewegungsabläufe und Figuren sind in der Tradition des Stierkampfes festgelegt.

Zuletzt sticht der Matador dem Stier mit seinem Degen tief in den Nacken. Nach dem Tod des Stieres wird der Matador vom Publikum bejubelt, das durch geschwenkte Taschentücher darüber Auskunft gibt, ob es dem Torero als Zeichen der Ehre zugesteht, eine Ehrenrunde durchzuführen. Als besondere Trophäe kann der Matador ein Ohr, beide Ohren oder beide Ohren und den Schwanz des Stieres erhalten. Die Entscheidung über die Belohnung des Matadors fällt der Präsident der Stierkampfarena, der in einer geschmückten Loge im Oberrang der Arena sitzt. Eine schlechte Vorstellung des Matadors wird vom Publikum mit gellenden Pfiffen quittiert. Als besondere Wertschätzung für den Matador werden mitunter Zigarren in die Arena geworfen.

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