Huh, ein Bachflohkrebs guckt mich an

Ein Beitrag von Gerhard Waschin (Tübinger Freie Waldorfschule)

Neigungsdifferenzierungsreisen - Ökologie  

 

Im Zuge der neuen Schulgestalt vor drei Jah­ren haben wir durch die Einführung der Nei­gungsdifferenzierung im 11. Schuljahr Frei­raum schaffen wollen, um den nun deutlich heraufkommenden individuellen Interessen durch verschiedene Unterrichtsangebote entgegenzukommen.

Am Ende des 11. Schuljahres liegen die sogenannten Neigungsepochen. Aus zwei Themengebieten können die SchülerInnen eine wählen, die in einem Zeitraum von am besten drei Wochen behandelt werden.

Es sind die Projekte:

  • „Geschichte erleben“ mit einer einwöchigen Studienfahrt nach Berlin
  • „Ökologie“ mit einer einwöchigen Studienfahrt zum XLAB nach Göttingen

 

 

Das XLAB ist mit 12.000 Kursteilnehmern aus der ganzen Welt das größte Schülerlabor Deutschlands. Es ist eine kleine „Uni" auf dem Campus der Universität mit naturwis­senschaftlichen Fachbereichen beziehungs­weise „Stockwerken" und einer Vielfalt von Angeboten in Physik, Chemie, Biologie, Geowissenschaften und Informatik. Die Kurse werden durchgeführt von Fachwissenschaft­lern in wissenschaftlichen Laboren. Gegrün­det im Jahr 2000 durch Prof. Dr. Eva-Maria Neher, die einige Jahre davor an der Göttin­ger Freien Waldorfschule schon Experimentalkurse in Chemie und Biologie durch­geführt hatte. Es ist jedes Mal eine Freude, wenn sie uns begrüßt. In ihrem Haus sind wir eine besondere Gruppe, da wir „freiwillig" kommen; genauer gesagt, zum Teil sind es Schülergruppen und Kurse, die auf das Abitur vorbereiten - wir kommen aus „reinem“ Interesse …

Die Kurse sind sehr anspruchsvoll, deswegen dienen die Wochen vor und nach der Fahrt zur Vor- und Nachbereitung durch zwei Leh­rer in der Schule; ein Studientag im Botani­schen Garten über die Anpassungsvielfalt der Pflanzen, eine Fahrradexkursion im Schön­buch sowie ein Thementag mit Mitarbeitern von Greenpeace ergänzen das Ganze.

Nach Göttingen geht es in zwei Kleinbussen; übernachtet wird in einem gemütlichen Hostel, dessen Hauptattraktion ein Tischkicker ist…

Der Kurstag im XLAB beginnt um 9 Uhr und dauert in der Regel acht Stunden, in dieser Zeit wird ein Thema behandelt.

Unsere The­men waren bisher:

  • Waldökologie: Vergleich zweier Standorte
  • Fließgewässerökologie sowie Renaturierung einer Flussaue
  • Ökosystem See
  • Photosynthese sowie Licht- und Schattenblätter
  • Moorexkursion im Harz

 

 

Bei den ökologischen Themen fahren wir selbstverständlich hinaus in den Wald und zum Beispiel mit Elektroboten auf die Northeimer Seen. Es wird bestimmt, gesammelt, gemessen, gezeichnet und fotografiert, um uns dann am Nachmittag im Labor durch z. B. Mikroskopieren („Huh, der Bachflohkrebs guckt mich an...") und weitere Experimente, Auswertungen und Diskussionen ein an­fängliches Bild jener unglaublichen Vernet­zung - als auch Verletzung - der Lebenswelt zu erarbeiten. Alle sind eifrig dabei. Mit Un­terstützung eines Skripts lernen wir genaues Beobachten, wissenschaftlich-methodisches Arbeiten und Zusammenhänge erkennen. Diese Zeit, aber auch das Mittagessen in der Mensa sowie kleine Gespräche mit anderen Schülern und Studenten lassen uns ein we­nig Uni-Atmosphäre schnuppern - für einige war es schon der Auslöser, ein naturwissenschaftliches Studium beginnen zu wollen.

 

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