Sicherheit in der Holzwerkstatt / Schulwerkstatt
Ein Betrag von Christoph Kiesow (Werklehrer an der FWS Freiburg-St. Georgen)
1. Rechtliche Grundlagen
2. Maschinenkurse / Sicherheitskurse bei der VBG
3. Verfügbare Handlungshilfen
1. Rechtliche Grundlagen
Wenn man beginnt, sich mit Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit der Nutzung der Holzwerkstatt in der Waldorfschule (das gilt grundsätzlich aber auch für die Metallwerkstatt und andere Werkstätten) zu beschäftigen, ist es zwingend erforderlich, sich auch mit den hier zugrunde liegenden Rechtsvorschriften zu beschäftigen.
Bisher wurden die rechtlichen Grundlagen in der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention (BGV A1) herausgegeben von der für unsere Schulen zuständigen Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) aber auch anderen Berufsgenossenschaften.
Die BGV A1 wurde am 1.Januar 2015 abgelöst durch die DGUV Vorschrift 1.
Nachfolgend werden die entscheidenden Passagen und Rechtsgrundlagen aus der DGUV 1 wiedergegeben bzw. zusammengefasst werden:
II. Grundpflichten des Unternehmers
(bei uns: in der Regel der Vorstand des Schulvereines...)
Hier ist in § 2 geregelt, dass der Unternehmer die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen hat. Dabei hat der Unternehmer bei der Umsetzung der o.g. Maßnahmen die staatlichen Arbeitsschutzvorschriften wie z.B. (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG; Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV; Bildschirmarbeitsverordnung - BildschArbV; Biostoffverordnung - BioStoffV; Betriebssicherheitsverordnung - BetrSichV; Gefahrstoffverordnung - GefStoffV; Lärm- und Vibrations-Arbeitschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV; Lasthandhabungsverordnung - LasthandhabV; PSA-Benutzungsverordnung - PSA-BV; Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge - ArbMedVV; und ggf. weitere Regelwerke heranzuziehen und zu berücksichtigen.
Unter Absatz 4 ist geregelt, dass der Unternehmer keine sicherheitswidrigen Weisungen erteilen darf. Unter Absatz 5 ist geregelt, dass der Unternehmer die Kosten zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen gemäß Unfallverhütungsvorschrift (UVV) nicht den Versicherten (also in unserem Fall nicht den Werklehrern) auferlegen darf.
§ 3 (Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation, Auskunftspflichten)
Hier ist geregelt, auf welche Weise der Unternehmer seinen unter § 2 genannten Verpflichtungen nachkommen soll. Unter Absatz 1 ist geregelt, dass durch eine Beurteilung der für die Versicherten (Werklehrer) mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen gem. § 5 Absatz 2 und 3 ArbSchG zu ermitteln sind, welche Maßnahmen erforderlich sind. Diese geschieht in Form von Gefährdungsbeurteilungen, die zu erstellen sind. Unter Absatz 2 ist geregelt, dass bei veränderten betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz, die bestehenden Gefährdungsbeurteilungen zu überprüfen bzw. neu zu erstellen sind. Unter Absatz 3 ist geregelt, dass gemäß § 6 Absatz 1 ArbSchG, das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die hieraus resultierenden Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung schriftlich zu dokumentieren sind. (àGefährdungsbeurteilung)
§ 4 (Unterweisung der Versicherten)
Hier ist unter Absatz 1 geregelt, dass der Unternehmer die Versicherten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, über die mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen und die Maßnahmen zu Verhütung mindestens jährlich zu unterweisen hat. Diese Unterweisung ist schriftlich zu dokumentieren.
Da der Unternehmer (also die Vorstände des Schulvereins...) in aller Regel keine sachkundigen Personen sind, die befähigt sind, diesen gesetzlichen Anforderungen selbst nachzukommen, sieht die DGUV1 unter § 13 (Pflichtenübertragung) die Möglichkeit vor, dass der Unternehmer zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragt, die nach der UVV obliegenden Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und die Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterschreiben. (à Unternehmer-Pflichtenübertragung)
III. Pflichten der Versicherten (also die Werklehrer...)
Verkürzt zusammengefasst steht hier unter § 15, dass die Versicherten nach Unterweisung des Unternehmers für Sicherheit und Gesundheit für sich selbst und die mit ihnen Tätigen zu sorgen haben. Dabei sind die festgestellten Maßnahmen aufgrund von Gefährdungsbeurteilungen umzusetzen und anzuwenden. Auch dürfen Versicherte sich aufgrund von Konsum von Alkohol, Medikamenten, Drogen und anderen berauschenden Mitteln nicht einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden könnten.
Unter § 16 sind die besonderen Unterstützungspflichten der Versicherten formuliert. Sie haben dem Unternehmer oder dem von ihm Beauftragten jede festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an Schutzvorrichtungen und Schutzsystem festgestellten Defekt unverzüglich zu melden. Unabhängig davon sind diese Gefahren auch der (extern beauftragten) Fachkraft für Arbeitssicherheit (FaSi), dem Betriebsarzt und dem Sicherheitsbeauftragten (SiBe) mitzuteilen.
IV. Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes
§ 19 Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten
Der Unternehmer hat nach Maßgabe des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) und der hierzu erlassenen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) Fachkräfte für Arbeitssicherheit (FaSi) und Betriebsärzte zu bestellen und die Zusammenarbeit zwischen FaSi und Betriebsarzt zu fördern.
In der Regel wird diese Leistung von der Schule mittels eines Dienstleistungsvertrages von einem geeigneten Anbieter dieser Leistungen eingekauft.
§ 20 Sicherheitsbeauftragte
In Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten hat der Unternehmer unter Berücksichtigung der im Unternehmen bestehenden Verhältnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsumgebung sowie der Arbeitsorganisation Sicherheitsbeauftragte in der erforderlichen Anzahl zu bestellen. Kriterien für die Anzahl der Sicherheitsbeauftragten (SiBe) sind:
Im Unternehmen bestehende Unfall- und Gesundheitsgefahren; Räumliche, zeitliche und fachliche Nähe der zuständigen Sicherheitsbeauftragten zu den Beschäftigten sowie die Anzahl der Beschäftigten. Die SiBe haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten zu unterstützen, insbesondere sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen und auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Versicherten aufmerksam zu machen.
Der Unternehmer hat den Sicherheitsbeauftragten die Gelegenheit zu geben, ihre Aufgaben zu erfüllen, insbesondere an Betriebsbegehungen, Untersuchungen von Unfällen und Berufskrankheiten durch Aufsichtspersonen des Unfallversicherungsträgers teilzunehme; den SiBe sind die hierbei erzielten Ergebnisse zur Kenntnis zu geben.
Der Unternehmer hat den Sicherheitsbeauftragten die Gelegenheit zu geben, an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der VBG teilzunehmen. Diese Teilnahme hat für den Sicherheitsbeauftragten kostenfrei zu erfolgen.
§ 22 Notfallmaßnahmen
Der Unternehmer hat nach § 10 ArbSchG die Maßnahmen zu planen, zu treffen und zu überwachen, die insbesondere für den Fall des Entstehens von Bränden, Explosionen oder sonstigen gefährlichen Störungen des Betriebsablaufs geboten sind. Hierzu zählt auch das Unterweisen und Üben im Umgang mit Feuerlöscheinrichtungen zur Bekämpfung von Entstehungsbränden für eine ausreichende Anzahl von Versicherten.
§ 24 Regelungen zur Organisation der Ersten Hilfe
§ 25 Erforderliche Einrichtungen und Sachmittel
§ 26 Zahl und Ausbildung der Ersthelfer
Auf die erforderlichen Regelungen der § 24 - 26 wird hier nicht weiter eingegangen, diese Inhalte sind Gegenstand von Ersthelferausbildungen und somit in den Schulen in der Regel bekannt.
Damit ist der sehr große rechtliche und notwendige Handlungsrahmen deutlich geworden.
Da die Waldorfschulen nach dem Modell der kollegialen Selbstverwaltung arbeiten, ist somit jeder in entsprechenden Selbstverwaltungsorganen tätige Mitarbeiter aufgerufen, sich mit diesen Fragestellungen und Grundlagen vertraut zu machen.
2. Maschinenkurse / Sicherheitskurse bei der VBG
Nachdem im Februar 2006 der langjährige Werklehrerkollege Johannes Geier in seiner Schulwerkstatt in Freiburg - St. Georgen an der Formatkreissäge einen tragischen Arbeitsunfall in Form einer schwersten irreparablen Schädel-Hirnverletzung erlitten hatte, wurde dieser Unfall von allen beteiligten Behörden und der VBG genauestens untersucht und analysiert.
In der Folge wurde unter anderem auch die Notwendigkeit für ein Angebot von Maschinenlehrgängen für Werklehrer festgestellt. Für Werklehrer, welche im Rahmen einer früheren Berufsausbildung bereits einen Maschinenkurs absolviert haben, aber auch für Werklehrer ohne handwerkliche Vorausbildung und ohne vorhandenen Maschinenkurs wurden im Fortbildungsprogramm der VBG spezielle Kurse an Holzbearbeitungsmaschinen für Lehrer an Privatschulen eingerichtet und angeboten.
An dieser Stelle wird ausdrücklich betont und jedem im Werkunterricht tätigen Lehrerkollegen dringend ans Herz gelegt, einen solchen Maschinenkurs zu besuchen. Selbst, wenn Sie in früheren Jahren einen solchen Kurs bereits absolviert haben, sollten Sie bedenken, dass sich über die Jahre Gewohnheiten in Ihrem Handeln an den Maschinen eingeschlichen haben, welche zu überdenken sind. Andererseits wurden im Laufe der Jahre immer wieder neue Sicherheitsmaßnahmen und Arbeitsgänge an Maschinen entwickelt, die man kennen sollte und ins eigene Handeln einbeziehen sollte.
Weitere Inhalte der Maschinenkurse sind: Erarbeiten von Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen, Aufklärung über rechtliche und versicherungsrechtliche Bedingungen beim Einsatz von Handmaschinen usw. im Werkunterricht, Tätigkeitsbeschränkungen für Schüler an Maschinen und Geräten nach Jahrgangsstufen, Rechtliche Fragen zu Unterweisungen, Dokumentation derselben, Unternehmer-Pflichtenübertragung, Austausch über Sicherheitsfragen usw.
Im Laufe der letzten Jahre haben zahlreiche Werklehrer von Waldorfschulen das Fortbildungsangebot der VBG in Anspruch genommen und einen oder mehrere Maschinenkurse besucht. Die Teilnahme an den Kursen ist für Sie als Werklehrer und die bei der VBG oder einer anderen BG versicherten Schulen völlig kostenneutral. Kosten für An- und Abreise, Hotelunterbringung (Modernes VBG-Akademiehotel in Dresden), Vollpension (vielfältige und hochwertige Speisenangebote in Buffetform) und die Kursgebühren werden von der VBG komplett übernommen.
In letzterer Zeit geht die Nachfrage nach diesen Maschinenkursen etwas zurück und es besteht die Gefahr, dass bei einem weiteren Nachfragerückgang diese Kurse im Angebot der VBG gestrichen werden.
Die Maschinenkurse sollten alle fünf Jahre wieder aufgefrischt bzw. wiederholt werden.
Fortbildungs- und Kursangebote der VBG im Jahr 2015 und folgende sind auch auf der Homepage des Bundes der Freien Waldorfschulen / Fortbildungen / Im Fach: „Werken" zu finden bzw. nachzulesen.
3. Verfügbare Handlungshilfen
Im Angebot der VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft) bzw. der BGHM (Berufsgenossenschaft Holz Metall) gibt es zahlreiche Handlungshilfen, welche von Waldorfschulen, die bei der VBG oder einer anderen BG versichert sind, kostenlos bezogen oder heruntergeladen werden können.
Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der verfügbaren Handlungshilfen:
DGUV 1
Die geltenden Rechtsvorschriften können in Papierform bei der für Ihre Schule zuständigen Berufsgenossenschaft oder der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung kostenfrei angefordert oder als PDF-Datei heruntergeladen werden. Dort gibt es auch weitere hilfreiche Handlungshilfen und Poster in großer Vielfalt.
http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?ID=0
http://www.vbg.de/DE/Header/4_Medien-Center/medien-center_node.html
www.bghm.de/bghm/online-shop.html
Gefährdungsbeurteilungen (GefB)
Hier finden Sie beispielhafte Gefährdungsbeurteilungen (GefB) der meisten gängigen oder möglichen Maschinen, die in einer Holzwerkstatt oder Schulwerkstatt Verwendung finden.
Sollten Sie für eine Ihrer Maschinen keine GefB finden, gibt es Blankovordrucke zur eigenen Erstellung einer GefB.
Gefordert ist auch die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen (GefB) für jeden möglichen Einsatz von Werkzeugen im Unterricht, bei denen eine Möglichkeit der Verletzung von Schülern oder Lehrern besteht. D.h. es ist z.B. auch für das Handschnitzen von Rindenschiffchen in einer fünften Klasse für eben diese Arbeit mit Handschnitzmessern eine Gefährdungsbeurteilung anzufertigen.
http://www.bghm.de/arbeitsschuetzer/praxishilfen/gefaehrdungsbeurteilungen/holzbranche.html
Pflichtenübertragung und Raumverantwortung
Hier finden Sie Vordrucke und beispielhafte Formulierungen zur Bestellung von Raumverantwortlichen für einen oder mehrere Fachräume mit sicherheitsrelevanter Ausstattung.
http://www.bghm.de/arbeitsschuetzer/praxishilfen/formulare/beauftragung-pflichtenuebertragung.html
Betriebsanweisungen
Hier finden Sie Vordrucke und Musterbetriebsanweisungen für die Geräte und Maschinen, die in einer Holzwerkstatt Verwendung finden.
http://www.bghm.de/arbeitsschuetzer/praxishilfen/betriebsanweisungen/maschinen-und-geraete.html
Unterweisungen
Hier finden Sie bebilderte Dokumentionen von Arbeitsgängen an den üblicherweise in Holzwerkstätten oder Schulwerkstätten vorkommenden Maschinen und Geräten mit jeweiligem Dokumentationsvordruck als Nachweis für durchzuführende Unterweisungen.
http://www.bghm.de/arbeitsschuetzer/praxishilfen/unterweisungshilfen.html
Einsatzbeschränkungen für Schüler an Maschinen
Hier finden Sie die gesetzlichen Grundlagen und Regelungen zu Einsatzbeschränkungen von Schülern an Maschinen.
In der „Handreichung zu Sicherheitsfragen im Naturwissenschaftlich-technischen Unterricht (NWT)" ist auf den Seiten 5/6 eine tabellarische Aufstellung enthalten, welche Schülerinnen und Schüler in der jeweiligen Klassenstufe welches Gerät unter Aufsicht (A), teilselbständig (TS) oder selbständig (S) bedienen darf.
Die Einhaltung der hier geregelten Vorgaben ist unbedingt zu beachten. Ein andere als die hier vorgesehene Handhabung ist vom unterrichtsführenden Werklehrer haftungsrechtlich in vollem Umfang zu verantworten. Im Falle von Verletzungen von Schülern beim Maschineneinsatz ist mit erheblichen aufsichtsrechtlichen und / oder strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen!
http://www.sichere-schule.de/_docs/pdf/risu-nrw/risu_abs_iii_4_2.pdf
http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/nwt/hilf/hilfe3/
http://www.ls-bw.de/dienstleistungen/allgschulen/risu/070427_Hand_Sicherheit_Tech_NwT.pdf
Grundsätzliche Bemerkungen:
Die in diesem Beitrag enthaltenen Inhalte können nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder allerletzte Aktualität haben. In jedem Fall ist es die Pflicht eines jeden Werklehrers, sich selbst kundig zu machen, an angebotenen Fortbildungen der Berufsgenossenschaft teilzunehmen und sein Wissen und seine Kenntnisse laufend aktuell zu halten.
Christoph Kiesow
Werklehrer an der FWS Freiburg-St. Georgen
christoph.kiesow@fws-stg.de