Klasse 2

Als Klassenlehrer der FWS Mainz schreibe ich seit vielen Jahren Überblicke zu den Tätigkeitsfeldern in den jeweiligen Klassenstufen (menschenkundliche Situation und zu den einzelnen "Fächern"). Diese habe ich (als ausbaufähige Skizze) immer auch an Kollegen (z.B. bei den Lehrerseminaren) oder Eltern weitergegeben. Diese Lehrplanübersicht versteht sich als Entwurf und nicht als verbindlicher Lehrplan.

Dr. Torsten Meyer-Oldenburg © (Stand Juli 2012)

Ergänzungen & Kritik bitte an: tmold@t-online.de

 

Orientierungsrahmen zu Unterrichtsinhalten und Tätigkeiten in der 2. Klasse

Die Kinder sind nun richtige Schulkinder geworden. Auch in der zweiten Klasse spielt das gemeinsame Tätigsein aus der Nachahmung noch eine große Rolle; doch wird sich bereits die nächste Stufe des selbstständig Werdens ankündigen, wenn die Kinder um das neunte Lebensjahr herum die Schwelle des Rubikons überschreiten. Dann trennen und distanzieren sie sich spürbar von der sie umgebenden Außenwelt, das Tor der paradiesischen, traum- und märchenhaften Kindheit wird sich schließen und die Eigenständigkeit wird wesentlich größer werden. Bis dahin gilt es gute Grundlagen zu festigen und das Tor und Sprungbrett für den nächsten Schritt zu bereiten.

Das individuelle (tätig) Sein wird stärker (vgl. z. B. in der Musik, beim Üben und dem Zeugnisspruch). Die Märchenzeit geht ihrem Ende entgegen, stattdessen ahnen und suchen die Kinder das „Wirkliche" und „Wirksame" in der Natur. Diesem Streben trägt z. B. der Erzählstoff Rechnung, wenn einerseits Fabeln in ihrer Einseitigkeiten, ihrem Gefallen des Absonderlichen und ihre komische Tragik behandelt werden. Andererseits werden Heiligenlegenden erzählt, die die Kraft und die Wirkung besonderer Ideale in ihrer Harmonie eines höheren Menschenseins thematisieren.

Der Schutz der Kindheit beinhaltet gerade auch, den Kindern diese altersgemäßen Erlebnisräume zu ermöglichen und viele Realerfahrungen zu eröffnen. Alle einseitigen, abstrakte und „theoretischen" Beschäftigungen (wie Fernsehen, Computerspiele, Internet, Handy, Gameboy ...) sollten zeitlich so kurz wie möglich gehalten werden oder besser so lange als möglich ganz unterbleiben. Sie beschneiden zeitlich und verwehren seelisch das Erfahren vielseitiger sinnlicher und sozialer Erlebnisse und Gestaltungsmöglichkeiten.

Weiterhin sind die Eltern zentrale Vorbilder. Für die gesunde Entwicklung stehen das Ergreifen der Körperlichkeit (leibliche Bewegung und Sinnlichkeit, Ernährung und Rhythmus) sowie ein Anregen des Seelisch- Geistigen an bevorzugter Stelle.

 

Rudolf Steiner gibt dazu folgende Anregung:

„Wer mit der Empfindung an das Kind herantritt: Es ist aus der geistigen Welt zu Dir dieses Kind heruntergestiegen, Du sollst sein Rätsel lösen von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, - der hat in seinem Gemüte diejenige liebevolle Hingabe an die Entwicklung des Kindes, die notwendig ist, um dieses Kind durch alle möglichen Imponderabilien (Unwägbarkeiten) auf den Lebensweg zu geleiten."

Inhaltlich werden die Themen der ersten Klasse fortgeführt, erweitert und verfeinert; noch kommen keine neuen Fächer hinzu. Viel gilt es zu üben und tätig zu sein, die Übungsphasen werden ausgebaut, die Arbeitshaltung soll gefestigt werden, das Gestalten der Welt kann beginnen. Rituale spielen weiterhin eine wichtige Rolle, erleichtern sie doch vieles. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das Schreiben, welches noch ehrfurchtsvoll wie im klösterlichen Scriptorium betrieben werden kann.

 

Formenzeichnen

  • Zentrales Thema sind die Symmetrieformen. Sie ergeben sich als Spiegelform an einer senkrechten (dann waagrechten bzw. kombinierten) Spiegelachse.
  • Weitere Themen sind Formverwandlungen (z. B. Runde in Gerade und umgekehrt), dynamisches Zeichnen (auch als Vorstufe zur Schreibschrift) sowie das Erfinden eigener Formen.

 

Rechnen

  • Das kleine Einmaleins maximal bis zur 12er-Reihe wird erarbeitet. Geschult wird ein rhythmisches Bewegen und sich Orientieren in einem Ideenraum, Gedächtnisbildung (viel üben und auswendig lernen)
  • Zählen bis etwa 100 oder 120, unterscheiden der Primzahlen und der normal teilbaren Zahlen
  • Weiterhin Übungen im Kopfrechnen (bis weit über die 8. Klasse hinaus) sowie im schriftlichen Rechnen (analytisch z. B. 27= 20 + 7 sowie synthetisch 20 + 7 = 27)

 

Deutsch

mündliche und schriftliche Wahrnehmungs- Denk- und Ausdrucksfähigkeit in der Hauptsprache

 

Sprechen & Zuhören

  • Erleben der Schönheit der Sprache und selbsttätige Aneignung derselben
  • Sprecherziehung durch weiterhin chorisches Sprechen, zunehmend ergänzt durch den Einzelvortrag (z. B. Teile der erlernten Gedichte oder die individuellen Zeugnissprüche - in der Manier ernst, klar, sicher, gut verständlich)
  • Erzählungen der einzelnen Kinder (z. B. von Erlebnissen)
  • Spiel kleinerer Geschichten (z. B. Märchenspiel für die 1. Klasse, Fabeln)
  • Genaues und ausdrucksstarkes Wahrnehmen und Ausdrücken von Inhalten, Stimmungen, Gedanken...

 

Schreiben & Lesen

  • Einführung der kleinen Druckbuchstaben
  • Einführung der Schreibschrift (und hierfür der Holzbuntstifte)
  • Schönes, ästhetisches Schreiben und sich Orientieren auf der Fläche (hinsichtlich Buchstaben sowie Aufteilung und Gestaltung der Heftseiten)
  • Gemeinsames Schreiben und Lesen von Geschichten (auch als Vorläufer des ersten Lesebuches)
  • Erste Rechtschreibübungen (dabei u.a. unterscheiden von Laut und Zeichen)
  • Auswendig schreiben leichter Wörter
  • Verfassen kleiner eigener Geschichten und Texte (noch ohne Anspruch auf richtige Rechtschreibung)
  • Wörter erkennen und lesen
  • Wortanalyse, Suche nach Laut- und Buchstabenaustauschmöglichkeiten, Reime
  • Einführung eines ersten Lesebuches (für das 2. und 3. Schuljahr)

 

Erzählstoff

  • Fabeln (sie stellen die von den Kindern so geliebten Tiere mit ihrer humorvollen bzw. dramatischen Einseitigkeit dar)
  • Legenden (z. B. über das Leben von Franziskus von Assisi)
  • Märchen aus fremden Ländern
  • Sinnige Geschichten
  • Naturgeschichten (z. B. Tier- und Pflanzensagen, nun „realer" als in der 1. Klasse) und ihre Verbindung des Menschen mit den Naturreichen

 

Musik

Zentrale Kompetenzen der Musik sind die Gehörbildung, Steigerung eigener Ausdrucksfähigkeit mit Hilfe der persönlichen Stimme, Erlernen wichtiger Kulturinhalte (Liedgut), Erkennen und Halten von Rhythmen, Beherrschen des Wechsels von Phasen der Ruhe und Aktivität (u.a. auch als Techniken des seelischen Wohlbefindens)

Inhaltlich bedeutet dies die Erweiterung des Liedgutes (Lieder in der Quintenstimmung und einfache Volkslieder), methodisch Singen und Flötenspiel, Rhythmusspiele und Improvisation

Bis zur 3. Klasse möge jedes Kind ein (im weiteren Sinne orchestertaugliches) individuelles Instrument für sich suchen, auswählen und in den nächsten Jahren stetig erlernen.

 

Malen und plastisches Gestalten

Tätiges Erfahren von verschiedenen Farbklängen (komplementäre, ähnliche und spannungsreiche Farben) sowie Austauschübungen von Mittelgrund- oder Umgebungsfarben
Inhalte entstammen den Qualitäten der Farben, in konkreterer Form dem Erzählstoff (z. B. Tiere und besondere Ereignisse), den Fachinhalten (z. B. Bäume) sowie dem Erleben (etwa der Jahreszeiten); diese Inhalte werden individuell ausgedrückt und vertieft.
Dazu gehören das Organisatorische: gemeinsames Vorbereiten, Malen, Aufräumen und Besprechen.
Arbeiten mit Ton oder Wachs (z. B. von der Kugel ausgehend)

 

Leibeserziehung

körperliche Geschicklichkeit, Ausdauer und Kraft üben
Mutproben und Bewährungen bestehen

 

Englisch & Französisch

Verse, Lieder und Spiele

 

Eurythmie

Kreis und Gerade, „Ich" und „Du" - „Wir" als Themen; Verfeinerung von Schrittarten z. B. in Tiergeschichten, kleine Tänzchen, Geschicklichkeitsübungen
Musikalisch bleibt die Quintenstimmung bestimmend

 

Handarbeit

Stricken (neu sind die linken Maschen)
Häkeln (Luftmaschen, feste Maschen) z. B. in Täschchen, Netzen, Topflappen

 

Hausaufgaben

Wiederholen als Hausübung, vertiefen und individualisieren ausgewählter Tätigkeiten und des Flötenspiels insgesamt bis zu maximal einer halben Stunde