Das freche Hühnchen

 

Elf junge Hühnchen waren ausgekrochen. Zehn waren artig und still zur Welt gekommen; das elfte aber hatte gesagt: „Bravo, hier gefällt es mir!“ und war gleich im Stall spazieren gegangen.
„Seht einmal das an“, sagten die Hühner, und der Hahn kam und befahl: „Gleich schlüpfst du wieder unter die Flügel deiner Mutter!“
„Ich möchte die Welt kennen lernen, Herr Vater“, sagte das freche Hühnchen und spazierte weiter zum Stall hinaus in den Hühnerhof. Dort lag der Hofhund an der Kette und schlief an der Sonne.
„Guten Morgen“, sagte das Hühnchen, „wollen wir Freundschaft schließen?“
„Guckindiewelt!“ brummte der Hund und blinzelte; denn die Sonne blendete ihn. Das Hühnchen ging weiter, aus dem Hühnerhof auf die Wiese. Da saß die Katze hinter dem Zaun und machte böse Augen.
„Da bin ich nicht deiner Meinung“, sagte das Hühnchen und lief eilends davon. Es kam an einen Bach, in dem die Enten badeten, tauchten und herumschwammen.
„Das kann ich auch“, sagte das Hühnchen und ging stracks ins Wasser, wurde pudelnass und sprang piepsend und sich schüttelnd ans Ufer.
Wofür ist denn die Sonne da? meinte es und trocknete seine Federn.
Als es trocken war, wollte es wieder heim.
Ost und West, daheim das Best! dachte es und kam zum Erstaunen von Hahn und Hühnern wieder zur Türe herein.
„Wir dachten, dich hätte längst die Katze geholt!“ sagte der Hahn.
„Mich holt man nicht so leicht, Herr Vater!“ sagte das Hühnchen und schlüpfte unter die Federn seiner Mutter.

Lisa Wenger