Der richtige Stift für das erste Schreiben
Ein Beitrag von Marcus Kraneburg (Freie Waldorfschule Freiburg St. Georgen)
Eine schöne Handschrift ist etwas Großartiges. Sie ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, aber auch das Ergebnis eines langen Übprozesses. Um sie auszubilden, braucht man von Anfang an ideale Bedingungen, die hier näher beschrieben werden sollen. Zunächst geht es um das Werkzeug, also den Stift. WaldorflehrerInnen verzichten häufig aus ästhetischen Gründen am Anfang auf ein gutes Schreibwerkzeug: Lange schreibt man mit Wachsmalstiften, dann mit Jumbo-Buntstiften und erst in der 3. Klasse mit dem Füller.
Entscheidend sind die Druckverhältnisse der Schreibhand. Der Druck sollte einerseits so gering wie möglich sein, damit auch später längere Texte unverkrampft und locker geschrieben werden können, andererseits muss die Hand die Formung der Schriftlinie jederzeit vollständig kontrollieren können. Hier besteht ein ganz sensibles Gleichgewicht. Schon ein bisschen zu viel Druck wirkt sich langfristig ungünstig aus.
Mit Wachsmal- und Buntstiften – egal wie gut sie sind – drückt man immer zu stark! Tut man es nicht, wird die Schrift zu blass. Wenn die Kinder aber eine gewisse Farbintensität erreichen möchten, müssen sie stärker drücken. Somit wird ab dem ersten Schreibtag eine Gewohnheit angelegt, die die meisten Kinder ihr Leben lang nicht mehr ablegen werden: Die Schreibhand drückt zu stark. Durch diese Spannung verkrampft und ermüdet unsere Hand wesentlich schneller. Wir wissen: Will man eine ungünstige Gewohnheit nachträglich ändern, bedeutet dies eine erhebliche Willensanstrengung. Das wäre aber gar nicht nötig und man erspart sich viel Mühe und Frust, wenn man von Anfang an mit einem Werkzeug schreibt, welches einerseits die Lockerheit der Schreibhand und andererseits die Kontrolle der Linienführung begünstig. Wachs- und Buntstifte sollte man grundsätzlich nicht zum Schreibenlernen benutzen – auch nicht übergangsweise! Gewohnheiten bilden sich unheimlich schnell.
Das ideale Schreibwerkzeug für den Anfangsunterricht besteht m.E. in einem weichen Bleistift und einem rauen Schreibpapier! Ein weicher Bleistift erzeugt mit minimalem Druck einen ordentlichen Abrieb auf dem Papier. Das raue Blatt gibt den notwendigen Widerstand für die Bleistiftmine. Beides sollte man vor dem ersten Schreiben mit den Kindern testen. Um ein Extrem in beiderlei Hinsicht zu nennen: Jeder weiß, wie es sich anfühlt, mit einem Kugelschreiber auf einem Hochganzpapier zu schreiben. Selbst ein geübter Schreiber fühlt sich dabei wie auf Glatteis. Passt man nicht auf, so rutscht man aus.
Ein weicher Bleistift und raues Papier – damit können die Druckverhältnisse von Anfang an richtig geübt und zur Gewohnheit werden.
Auch ist darauf zu achten, dass die Schriftgröße so gewählt wird, dass der Handballen des Schreibenden keine Auf- und Abwärtsbewegungen machen muss, sondern locker in Schreibrichtung gleiten kann. Eine zu große Schriftgröße ist daher unbedingt zu vermeiden.
PS. Zum weichen Bleistift gehört auch ein Anspitzer. Will man das ständige Laufen zum Mülleimer in der Klasse vermeiden, so besorgen sich alle Kinder einen Dosenanspitzer. Vor jedem Schreiben sollte insbesondere bei weichen Bleistiften die Mine geprüft und gegebenenfalls nachgespitzt werden. Stumpfe Bleistiftminen benötigen wiederum zu viel Druck!