LYRIK und DRAMA ...

... im Leben einer 8. Klasse oder wie Schiller den besten Hund der Welt traf.

Ein Beitrag von Rolf Krauss

Seit längerem hatte ich mir überlegt wie ich den Schülern meiner Klasse einen lebendigen Zugang zur Poesie und insbesondere zur Gedankenwelt Schillers verschaffen könnte. Es traf sich gut, dass es an unserer Schule für eine Schillerepoche in der 8. Klasse eine gewisse Tradition gibt, die in Absprache mit dem Deutschlehrer der Oberstufe die Jugendjahre Schillers behandelt, wobei das Sprechen von Balladen sozusagen mit Schillers Biographie untermalt wird. Diese wird später in der Oberstufe wieder mit dem Studium der Dramen etc. aufgegriffen. Mein Anliegen war es, den heranreifenden Jugendlichen nicht nur die Identifikation mit dem nach Freiheit drängenden jungen Schiller zu ermöglichen, sondern sie selbst die lyrische Ausdrucksweise als Werkzeug und Ventil erleben zu lassen, um sich ihrer Emotionen bewusst zu werden, ihnen Ausdruck zu verschaffen und sie auf schöpferische Weise zu bewältigen.

Wie aber ließe sich das bewerkstelligen ohne dabei gleich schulisch zu wirken .... Wie können wir spielerisch lernen und lehren ohne das Gefühl haben, lernen zu müssen?

Ich überlegte mir alles Mögliche, nur um es letztendlich doch wieder zu verwerfen ... bis ich eines Tages ganz „zufällig" in einem dieser „fürchterlichen" Billigläden, die alles Mögliche verramschen, an einem der Büchertische vorbeischlenderte und mein Blick auf ein kleines unscheinbares Buch fiel, welches den Titel trug: „Der beste Hund der Welt".

Es ist von Sharaon Creech geschrieben und erschien 2003 im Fischer Taschenbuchverlag.

Die Autorin verknüpft darin in Form eines Tagebuches die Geschichte eines kleinen Jungen, der seinen liebsten Hund verloren hat, mit den Bemühungen einer Lehrerin den Kindern das Gedichteschreiben nahe zu bringen oder besser gesagt, es ihnen so ans Herz zu legen, dass es für sie zu einem natürlichen Bedürfnis wird.

Das Büchlein beginnt ganz schlicht und einfach mit folgenden Worten:

 

Jack Raum 105 - Miss Strechberry
13.September

Ich will nicht.
Jungs schreiben keine Gedichte.
Mädchen schon.

 

Als ich das las, wusste ich zwar, dass dies der Schlüssel zu meiner Schillerepoche war, trotzdem „bummelte" die ganze Sache noch gut ein halbes Jahr vor sich hin, bis ich mich entschlossen hatte, das Experiment zu wagen.

In dem Büchlein wird geschickt mit einfachen Stilmitteln und Techniken gearbeitet (wie z.B. Alliterationen, Wiederholungen, optische, akustische und Farbgedichte etc.), die stufenweise zu freierem lyrischem Ausdruck führen.

An einer großen Pinwand wuchsen im Laufe der Epoche die Gedichte und lyrischen Versuche zu einer Seelenlandschaft, die die Lektüre und die Jugendjahre Schillers, sein Ringen und Leiden, seine Hoffnungen und Freuden begleiteten und illustrierten.

Als pädagogischen Erfolg darf wohl betrachtet werden, dass auch Schüler, die sich sonst kaum oder nur ungern äußern, aktiv wurden und die Klasse alle lyrischen Äußerungen ausnahmslos freudig und offen aufnahm, was bei anderen Epochen sonst nicht unbedingt immer der Fall war. Ein gutes Zeichen dafür, dass ein spielerischer Freiraum entstanden ist, der sich positiv auf das gesamte Klassenklima auswirkte.

 

Die meisten Beiträge gab es bei den graphischen Gedichten, wobei aus den Buchstaben oder begriffen der Worte der Gegenstand nachgeformt wurde wie z.B.

 

Graphische Gedichte:

Enke
H L
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Paradoxe Farbgedichte:

„Soviel hängt ab von dem schwarzen Mann und den weißen Bräuten."

 

WM Elfmeterschießen

„Alle Hoffnungen ruhen auf dem schwarzgekleideten Mann,
stehzen auf grünem Rasen, hinter dem weißen Ball!"

 

„Es musste sein! Der Apfel fiel auf die grüne Wiese."

 

Klanggedichte:

„ Ich wohn in einer Siedlung ohne KRACH, TUT, BRUMM
Bei uns fliegt höchstens mal 'ne Biene rum SUM, SUM.
Wir hatten eine Katze MIAU, FAUCH, SCHNURR,
doch die ist weggelaufen HEUL; SCHLUCHZ, MURR.
Jetzt gibt es wieder Vögel PIEP, ZWITSCHER
und Ella, das Kind von nebenan SCHREI, ZETER, KREISCH.
Ich führ das Gedicht nicht weiter mehr RATZ FATZ,
denn meine Patrone ist bald leer KRATZ, KRATZ!"

 

Hörtest du ein Rablam,
so war es nicht ein Rablam
sondern einfach ein Kablam.
Kablam ist ein Geräusch,
ein lautes Grr,
Bing, Bang, Bum

 

Tiergedichte:

 

Die Schwalbe

Schwalbe, Schwalbe flieg empor
und suche mir einen schönen Chor.
Schwalbe, Schwalbe höre nur, horch,
Grillen im hohen Gras zirpen dort!
Schwalbe, Schwalbe fang die eine,
doch deine Jungen haben Hunger auf zweie.

 

Der Fisch

Der schuppige Freund aus der Tiefe
schuppt dort durchs Wasser.
Schuppt über Steine.
Mal isst er eine Koralle,
mal isst er Plankton
und mal einen Stein.
Heute sah er einen Shrimp,
gestern sah er einen Hai-hai.
Glück gehabt, überlebt -
und jetzt bewacht er seinen Kaviar.

 

Der Frosch

Wer springt dort, wenn ich gehe,
Am Ufer durch das hohe Gras?
Wer taucht so schnell, bevor ich's sehe
Und hat im Sommer seinen Spaß?
Wer fängt mit seiner langen Zunge
Das nichts ahnende Insekt?
Wer ist's der nachts, bereit zum Sprunge,
Die Leute dort am See erschreckt?
Wer guckt unter den Algen vor?
Wer tarnt sich dort so wunderbar?
Wer ist es, der da ruft im Chor?
Es ist der Frosch mit seiner Schar!

 

Mein Hase

Mein süßer Hase im Käfig so fein!
Schaut links und rechts und wirkt so klein.
Jetzt isst er, jetzt sitzt er, jetzt sieht er sich um.
Jetzt hüpft er, jetzt springt er, jetzt wackelt er rum.
Mein süßer Hase im Käfig so fein!
Mummelt und kuschelt ins Stroh sich ein.
Jetzt isst er, jetzt hüpft er, jetzt wackelt er rum. Ach kleiner Hase, was siehst du dich um?

 

Was aus der Birne kullert

Streifen
Überall Streifen!
Ist ein Zebra eigentlich schwarz mit weißen Streifen
oder weiß mit schwarzen Streifen?
Oder weiß es das selber nicht,
oder will es das gar nicht wissen

 

Objekte:

Der Ledergürtel mit Nieten

Da liegt er...
zusammengerollt an der Kante meines Schreibtisches.
Wo kommt er her?
Was hat er schon alles erlebt?
Partys, Demos, Drogenrausch -
vielleicht sogar Kämpfe und Krieg?
Von welchem Hippie wurde er schon getragen
oder doch von einer von Harz IV lebenden, alleinerziehenden Mutter
oder von rockstars und Cowboys?
Er weiß sicher viel.
Aber können Leder, Nieten und schnallen überhaupt etwas wissen?
Das Tier, von dem das Leder stammt,
es wusste sicher etwas
und der Berg, aus dem das Eisen der Nieten kommt,
er verbirgt sicher sehr viel wissen.
Der Junge, der damit geschlagen wurde wusste auch: „Ich bin unschuldig, ich bin unschuldig!..."
und die verzweifelte Frau, die am Abgrund hängend nach ihm griff.
Was trägt er alles in sich
ohne darüber zu sprechen...
Der Ledergürtel mit den Nieten.