Skript Klasse 7

Ein Beitrag von Adolf Fischer (Freie Waldorfschule am Illerblick in Ulm)

Himmelskunde Kl.7

Ziel: Heliozentrisches Weltbild

Das heliozentrische Weltbild muss noch in der Mittelstufe am Ende der Himmelskunde beschrieben sein, weil es als Zeitgenossenschaft selbstverständlich und allgegenwärtig ist. Da diese Anschauungsweise gleichzeitig den Umschwung des neuzeitlichen Denkens in der Renaissance besonders treffend beschreibt, ist deren Behandlung sinnvollerweise in der 7.Klasse beheimatet – gemeinsam mit der dadurch ermöglichten Weltentdeckung! Schwierig (auch für Erwachsene) bleibt die Frage: Inwieweit kann ein Perspektiv-Wechsel zwischen der äußerlichen Modell-Anschauung des Sonnensystems und unserem wirklichen Anblick hier von der Erde aus erreicht werden? Einiges lässt sich beispielhaft in der Klasse nachstellen und –bewegen und so, mindestens in Grundprinzipien, anschaubar und damit verständlich machen.

 

Antike Quellen

Die historische Entwicklung des Weltbildes bietet geeignete Schritte zu dieser gedanklich-abstrakten Anschauung der Erde „von außen“. In der Antike war die Kugelgestalt der Erde in den Gelehrtenkreisen anerkannt; sogar der Umfang der Erde ist durch Beobachtung des Mittags-Sonnenstandes an zwei entfernten Orten bestimmt worden. Auch die Sonne als Mittelpunkt der Welt war bei den Natur-Philosophen als Theorie denkbar, vor allem ließ diese Idee die komplizierten Bewegungen der Planeten viel leichter verstehen.

Immerhin kannte die antike Seefahrt bei der Überquerung des Mittelmeeres, dass entfernte Küsten „unter dem Horizont“ verborgen sind und die Meeresfläche eine Wölbung aufwies. Aber im Alltag hat sich das Kugelbild nicht durchsetzen können: Die Anschauung des ebenen Horizontkreises ließ keine Denkmöglichkeit von möglichen „Antipoden“ zu (Menschen, die auf der anderen Erdseite, also „unter“ mir, kopfüber stehen sollten).

Dazu kam die –  alle Wissenschaften dominierende – mittelalterliche Theologie. Diese ließ nur die Bibeltexte und die wörtlich genommene Schöpfungsgeschichte (Altes Testament, Genesis) als alleinige Welterklärung zu. Wo sollte in einem solchen Weltbild die Hölle und der Himmel sein, wenn es kein oben und unten mehr gäbe?

 

Erdglobus und Seefahrt

Der Zusammenhang zwischen Kugelform der Erde und unsrem ebenen Horizont ist uns heute leichter zugänglich. Am Globus kann an verschiedenen Breitenkreisen ein Karton als Bild des Horizontes gelegt werden. Man erkennt die unterschiedlichen Winkel zum Himmelspol (Richtung der Globus-(=Erd-)Achse) und zur seitlichen Sonnenrichtung. Die Auswirkung auf den jeweiligen Horizont und dem daraus resultierenden Himmelsanblick an unterschiedlichen Standorten auf der Erde ist damit unmittelbar einsichtig. So lässt sich der Gegensatz der extremen Himmels- und Sonnenerscheinungen an Pol und Äquator sowie deren Auswirkung auf Klima und Leben verstehen und auch den Tages- und Jahresrhythmus der gemäßigten Breiten dankbar würdigen.

Auch die Seefahrer nutzten für ihre Navigation die Kugelgestalt der Erde: Aus der Winkelhöhe des Polarsternes über dem Horizont erfuhren sie den aktuellen Breitengrad, damit erreichten sie die Ortung bei Fahrten in Nord-Süd-Richtung. Aber erst mit der Kugelkarte auf dem “Erdapfel“ des Martin Behaim war das Wagnis der küstenfernen Ozeanfahrt (Vasco da Gama, Kolumbus und Magellan) denkbar.

Einzig die Vermessung in Ost-West-Richtung war wegen der täglichen Himmelsdrehung nicht möglich. Für uns sind die verschiedenen Zeitzonen auf der Erde selbstverständlich. Die Seefahrer damals kannten nur ihre aktuelle Ortszeit nach dem Sonnenstand. Sie hätten aber den Vergleich mit ihrer Heimatzeit gebraucht; aus dem Unterschied wäre dann die Ost-West-Entfernung erkannt worden. Dieses Problem konnte einzig eine über längere Zeit genau gehende mechanische Uhr lösen, was erst im 18.Jht. gelang!

 

Einbettung in den Lehrplan der Kl.7

Parallel zur freien Seefahrt befreite sich auch die Naturwissenschaft von den überlieferten Vorstellungen, allen voran die Astronomie und Physik (Mechanik und Optik). In einem einzigem Werk spiegelt sich dieser Umbruch der Gedankenwelt: „De revolitionibus orbium coelestium“ (Über die Bewegung der Himmelskörper) mit der Sonne als Zentralgestirn, dessen erstes gedrucktes Exemplar der Autor Nikolaus Kopernikus kurz vor seinem Tod in den Händen halten konnte. Mit der Entwicklung des Fernrohres durch Galilei und Kepler gelangen überzeugende Nachweise des neuen Weltbildes und deren wissenschaftliche Fundierung.

Dieselbe Schöpfungskraft des – von mittelalterlichen Zwängen befreiten – menschlichen Geistes brach sich in allen Lebensgebieten Bahn. Beispielhaft können dies sein: In der Baukunst bei der ersten freitragenden Errichtung der Großkuppel von Florenz durch Brunelleschi (sprich: „...leski“), in der Malerei mit Perspektive (als „objektives“ Bild der Welt aus subjektivem Blick!) und Portrait durch Masaccio („Massatscho“), im klassisch-nackten Menschenbild bei Michelangelo („mikkelanschelo“), in Kunst, Technik und Medizin durch Leonardo da Vinci. Auch die doppelte Buchführung von Pico di Mirandola gehört in diesen Zusammenhang, sie vermied unnötige Geldtransporte und erleichterte den Handel. Und schließlich zerbrach die Allmacht der römischen Kirche durch die Reformationsbewegungen (nicht alleine durch Luther!).

So beleuchten sich die 7.Klass-Geschichts-Epoche und die Himmelskunde gegenseitig. Beide gemeinsam werden gestützt von den einsetzenden naturwissenschaftlichen Epochen. Insbesondere wird in der Physik durch die Mechanik das folgerichtige Denken angewandt, das alle Wissenschaft in der Renaissance zu durchdringen beginnt; es verbindet die Einzelerscheinungen und stellt die logischen Zusammenhänge zwischen ihnen her.

 

Themen der Himmelskunde in der Kl.7

Kugelgestalt der Erde = Veränderung der Horizontneigung gegen den Himmel (sichtbar am Polarstern)

  • Drehung der Erde (Rotation) bewirkt die uns sichtbare Himmelsdrehung
  • Umlauf der Erde um die Sonne (Revolution) ergibt das Jahr, daraus Ableitung der Ekliptik als (dann scheinbaren) Sonnenbahn durch den Tierkreis
  • Unterscheidung Tierkreis-Bilder (= Sternbilder am Himmel) und Tierkreiszeichen (= Sonnenmonate, beginnend mit Frühlingsanfang). Zurückhaltend bleiben wir in Bezug auf astrologische Aussagen. Goethes „Orphische Urworte“  sind dazu besser geeignet; das Signum des Geburtsdatums ist am schönsten von Hesse beschrieben in den „Julikindern“. Auf anthroposophische Charakterisierungen verzichten wir ganz.
  • Zeitmessung (wahre Sonnenzeit, Zonenzeit, Sternzeit), Kalender, Oster-Regel
  • Schiefe der Ekliptik als Winkeldifferenz zwischen Rotations-und Revolutions-Ebene, Folge: Jahreszeiten in den gemäßigten Breiten, Polar-Tag und -Nacht
  • Umlauf der übrigen Planeten (auf die Schleifenbildung kann verzichtet werden), Stellung der Erde im Sonnensystem
  • Mond-Umlauf (28 Tage), Mond-Phasen (29,5 Tage), Bio- und Gezeiten-Rhythmus, Sonnen- und Mondfinsternis

Fast alle Themen können fundiert oder wenigstens illustriert werden durch

  • Praktische Beobachtung, Sonnenuhr
  • Nachspielen im Schülerkreis
  • Einfache Modelle, Beleuchtungs-Situationen
  • Zeichnungen im Epochenheft
  • Eigene Sternkarte basteln und benutzen

 

Hinweise

Weitere Details finden Sie in meinem Manuskript zur Himmelskunde in Kl.6 und 7. Das Script für die 7.Klasse ist ein Gesamttext für beide Epochen; der Lehrer wählt seine Schwerpunkte daraus selbst. Das Script für die 6.Klasse ist ein Auszug aus dem Gesamttext in gleicher Nummerierung. Lieder und Rezitationen, sowie Tipps zu Unterricht und Materialien finden Sie in den anderen Beiträgen.

Des weiteren können Sie einen Anhang zur Himmelskunde bei mir mittels e-mail anfordern. In diesem finden Sie zu den einzelnen Themen Ergänzungen aus der Astronomie. Diese übersteigen den Unterricht bei weitem, können aber für Sie von Interesse sein, insbesondere Schüler-Rückfragen leichter beantworten. Der Anhang ist mit gleicher Nummerierung gegliedert wie der Text des Scripts.

Rückfragen zur Himmelskunde können Sie richten an: adoric.fischer@web.de