Aus dem Leben der Hunnen
Aus: „Bild der Jahrhunderte“ (Geschichte des fernen Ostens, Band 1) von Otto Zierer
[…] Die Hochgebirge des wüsten Innerasiens verlaufen fast alle in langen Ketten von West nach Ost und umkränzen jene tausend Meilen breite Steppen, in denen die Stämme der Hsiung nu oder Hunnen ihre Herden von Pferden, Kamelen, Schafen und Ziegen weiden.
Das Leben in der Steppe ist karg und auf wenige Möglichkeiten beschränkt. Die Tiere der Herden geben fast alles, was die Menschen brauchen - Fleisch, Blut, Milch, Knochen, Wolle, Fett, Sehnen, Häute.
Hier gibt es keine Stadt, nicht einmal ein Dorf, denn die Herden müssen dem uralten Rhythmus der Steppen gehorchen und wandernd dem jahreszeitlich verschiedenen Bewuchs folgen. Die Überlegenheit des Häuptlings besteht zum guten Teil darin, das Vieh durch viele hundert Meilen Steppe und Steinwüste ohne Verlust zum nächsten wasserführenden Flusslauf oder zum verborgenen Wasserloch der Sandsteppe zu führen. Von Wasserlauf zu Wasserlauf pulsiert das Dasein dieser grausamen Natur, die auch grausame und harte Menschen formt.
In Lederjurten und Fellzelten leben die Hunnen. Das halbe Leben verbringen sie auf dem Rücken ihrer genügsamen Steppenpferdchen. Schon die kleinen Kinder versuchen auf Schafen zu reiten und schießen mit Pfeil und Bogen nach Wüstenratten, Kaninchen und Erdhörnchen, so dass sie als Halbwüchsige bereits ausgezeichnete Reiter und unübertreffliche Bogenschützen sind.
Die erwachsenen Krieger sitzen wie festgeklebt auf den wendigen, ungemein ausdauernden, struppigen Pferdchen, sie scheuen weder den Tiger der Gebirge noch den Panther der Schluchtenwälder. Aus Fellen, Pelzen und Leder besteht nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihr Nachtlager und das dürftige Dach, das sie vor Unwetter schützt. […]