Der König

Von alters her finden wir beispielsweise bei den Nord- und Ost­germanen einen König an der Spitze des Staates. Das Volk wählte aus einem vornehmen Geschlecht einen Mann von besonderen Eigenschaften und übertrug ihm die Aufsicht über Rechte und Ordnung, manchmal außerdem die Leitung der gottesdienstlichen Handlungen und den Befehl im Kriege. Die Wahl des Königs zeigt also, wie auch unter der Königsherrschaft die höchste Macht letzten Endes im Besitz des Volkes bleibt.

Meist wurde bei der Wahl eines Nachfolgers die Abstammung in gerader Linie berücksichtigt. Aber die Volksversamm­lung war nicht daran gebunden, sie konnte auch einen Unwürdigen übergehen und einem entfernteren Verwandten die Königswürde über­tragen, den sie nach seiner Persönlichkeit für geeigneter hielt. Rechts­kräftig wurde die Wahl, wenn man den Erwählten auf den Schild erhoben und das Volk ihm durch Zujubeln seinen Beifall gezollt hatte.

Vom König verlangte man ein gutes Verhältnis zu den Göttern und besondere Fähigkeiten, die Geschicke seines Volkes zu lenken. Durch seine umsichtige und erfolgreiche Führung musste er sich Zuneigung und Vertrauen erwerben. Wenn er seine Pflichten nicht erfüllte und sich unfähig erwies, so wurde er abgesetzt, verjagt, manchmal sogar erschlagen. Der König war also nie ein uneingeschränkter Allein­herrscher, sondern nur der höchste Beamte des Volkes, seine Stellung entsprach so der des rex bei den Römern.

Starb der König, so musste die Volksversammlung den Nachfolger wählen. Bei den Nordgermanen gab es Staaten, die nicht von Königen, sondern von Jarlen geleitet wurden. Auch diese wurden vom Volke gewählt, standen aber rang­mäßig den Königen nach. Die Staaten, die keinen König hatten, wähl­ten für die Zeit eines Krieges einen Herzog. Im Frieden fehlte ein Staatsoberhaupt.