Der Polarkreis
Ein Beitrag von Rita Stock
Ein wenig nördlich des 66. nördlichen Breitengrades liegt eine magische Grenze: der nördliche Polarkreis. Der Polarkreis verläuft wie eine unsichtbare Linie über Schweden, Finnland, Russland, Alaska, Kanada, Grönland und Island. Eine Linie, die auch Norwegen in zwei Teile teilt. Jenseits davon beginnt die Arktis. Hier herrschen Temperaturen von bis zu minus 70 Grad Celsius.
Wir alle kennen die vier Jahreszeiten in Deutschland. Betrachten wir ihre beiden Extreme: Sommer und Winter. Im Sommer kann es bei uns sehr warm werden. Schon morgens gehen wir mit einem T-Shirt aus dem Haus und nachmittags liegen wir vielleicht in einer Badehose am Baggersee und genießen ein Eis. Ein halbes Jahr später sieht das ganz anders aus: Wir verlassen das Haus nur mit einer Winterjacke, einem dicken Schal, Mütze und Handschuhen. Aber nicht nur die Temperaturen, auch die Tageslängen sind sehr unterschiedlich.
Längster Tag und kürzeste Nacht
Schon seit vielen Jahrtausenden sind den Menschen zwei Wendepunkte der Sonne im Jahreslauf bekannt: die Wintersonnenwende und die Sommersonnenwende. So geht zum Beispiel in Hamburg am 21. Juni, dem längsten Tag im Jahr (Sommersonnenwende) die Sonne um 4:50 Uhr auf und um 21:53 Uhr unter. Das sind insgesamt 17 Stunden und 3 Minuten. In München findet am gleichen Tag der Sonnenaufgang jedoch erst um 5:13 Uhr und der Sonnenuntergang um 21:18 Uhr statt. Das sind nur 16 Stunden und 5 Minuten – also fast 1 Stunde weniger! Wie ist der Unterschied zwischen Hamburg und München zu erklären?
Je weiter wir nach Norden fahren, desto länger werden im Sommer die Tage. In Oslo, der Hauptstadt von Norwegen, geht die Sonne am 21. Juni um 3:55 Uhr auf und um 22:42 Uhr unter. Das sind 18 Stunden und 47 Minuten. Reisen wir immer weiter nach Norden, so kommen wir irgendwann in eine Gegend, an dem die Sonne am 21. Juni gar nicht mehr untergeht, sondern ganze 24 Stunden zu sehen ist. Wir überschreiten damit den sogenannten Polarkreis. Das sind all die Orte auf der Erde, bei denen zur Sommersonnenwende die Sonne nicht untergeht.
Vom Nordpol – also dem nördlichsten Punkt der Erde – sind wir allerdings immer noch weit entfernt. Je weiter wir uns dem Nordpol nähern, desto größer wird die Zahl der Tage, an denen die Sonne nicht mehr untergeht. In Nordeuropa spricht man daher auch von den „Weißen Nächten". An der Nordspitze Europas geht die Sonne im Winter mehr als 2 Monate lang gar nicht unter.
Direkt am Nordpol haben wir die extremste Situation: Vom 20. März bis zum 23. September ist die Sonne Tag und „Nacht“ zu sehen – also annähernd ein halbes Jahr.
Polartag
Den Zeitraum, während dessen die Sonne nicht mehr unter den Horizont sinkt, bezeichnet man als einen Polartag. Er kann einen oder mehrere Tage bis hin zu fast einem halben Jahr am Nordpol umfassen.
An den Polen kreist die Sonne innerhalb der 24 Stunden eines Tages auf einer nahezu gleichbleibenden Höhe. Während der folgenden drei Monate bewegt sie sich in einer Schraubenlinie langsam abwärts zum Horizont. Die Sonne geht an den Polen der Erde jeweils einmal im Jahr auf und einmal unter, nämlich zur Zeit der Tagundnachtgleichen (21.3. und 23.9.).
In dieser Übergangszeit ist die Sonne beim Aufgang oder Untergang nur teilweise zu sehen. Wenn die Sonne nur knapp unter dem Horizont steht, haben wir am Nordpol eine Dämmerung, die mehrere Wochen (Tag und Nacht) andauert.
Die Polarnacht
Nach 6 Monaten geht die Sonne am Nordpol für etwa sechs Monate unter. Man spricht dann von einer Polarnacht. Die Zahl der Tage, an denen die Sonne im Winter an einem Ort im Polarkreis nicht aufgeht, ist in etwa so groß wie die Zahl der Tage, an denen sie im Sommer nicht untergeht.
Nicht überall bleibt es innerhalb des Polarkreises in einer Polarnacht vollständig dunkel. Auf dem europäischen Festland ist die Polarnacht nirgends so dunkel, dass die Sterne durchgehend zu sehen sind.