Wer spricht welche Sprache?

Ein Beitrag von Christina Singer

Wieder einmal wollte ich meine Schülerinnen und Schüler möglichst selbstständig forschen und lernen lassen. Daher machten wir uns zunächst bewusst, welche europäischen Sprachen in der Klasse gesprochen werden: Es gibt mehrere spanischsprachige Kinder, außerdem lernen alle Schüler*innen englisch und russisch und ein Mädchen spricht russisch muttersprachlich. In Rahmen einer AG lernen einige Schülerinnen französisch. Unsere Lehrerin im Praxisjahr ist mit dem Tschechischen vertraut. 

Nachdem allen bewusst war, wer für welche Sprache Experte war, lösten die Schüler*innen entweder alleine, zu zweit oder in kleinen Gruppen die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt. Wenn man alleine nicht weiter kam, konnten die Sprachexperten - also die Muttersprachler oder auch die begabten Fremdsprachenlerner -  befragt werden. 

Es wurde eifrig gelesen und nach einer möglichen Aussprache gesucht, übersetzt, entweder recht frei oder Wort für Wort und die Freude darüber, unterschiedliche Sprachen zu verstehen, war groß!

Gemäß des methodischen Dreischritts (1. Anschluss an die Lebenswirklichkeit der Lernenden ermöglichen, 2. einen individuellen Bezug zum Thema durch eigenes Forschen und Üben herstellen und 3. - nachdem die Lernenden mindestens ein Mal darüber geschlafen und das Erlebte dadurch losgelassen und unbewusst vertieft haben - eigene Erkenntnisse gewinnen) sprachen wir erst am Folgetag im Plenum über das Erarbeitete: Die einzelnen kleinen Texte wurden in den verschiedenen Sprachen vorgelesen und die Übersetzungen verglichen. Dabei stellten die Schüler*innen fest, dass sich einzelne Worte und auch der Sinn einer Aussage häufig gut erschließen lassen, wenn man die Sprachen miteinander vergleicht. Außerdem entdeckten sie, dass sich manche Sprachen mehr und manche weniger ähneln. Auf diese Weise erarbeiteten wir uns eine weitere Gliederung Europas: Die Gliederung nach Sprachräumen (zusätzlich zur physischen, vegetativen, und klimatischen Gliederung): germanische Sprachen, romanische Sprachen, slawische Sprachen. (Je nach Forschungsinteresse der Klasse können auch kleine Sprachgruppen (finno-ugrische Sprachen) oder regional vorkommende Sprachen (elsässisch, baskisch...) hinzugenommen werden. Fazit: Die große Vielfalt und Vielgestaltigkeit Europas wurde durch die Beschäftigung mit den Sprachen äußerst lebendig erfahrbar. 

Und noch eine Erkenntnis zum Thema „Arbeitsblatt“: Mir ist durch diese Aufgabe bewusst geworden, dass vom Lehrer liebevoll gestaltete und auf die konkreten Schüler*innen bezogene Arbeitsblätter eine sinnvolle methodische Anregung zum eigenständigen Arbeiten sein können. Auch der ansonsten sparsame Einsatz von Arbeitsblättern in meinem Unterricht - die Schüler*innen arbeiten meistens inhaltlich, methodisch und gestalterisch recht individuell - macht den Einsatz von Arbeitsblättern zu etwas Besonderem. Ein liebevoll, freilassend und auf die eigenen Schüler bezogenes selbstgestaltetes Arbeitsblatt tut dem Forschergeist der Schüler keinen Abbruch.