Das Deutschland-Relief

Ein Beitrag von Marcus Kraneburg (Freie Waldorfschule Halle)

Zum zweiten Mal hatte ich nun eine 5. Klasse, mit der ich in der Geografieepoche Deutschland behandelte. Für mein Empfinden bot sich hier ein ausgiebig praktischer Teil im Hauptunterricht an. Neben der Beschäftigung mit Flüssen, Städtegründungen und charakteristischen Landschaften mit ihren Lebensräumen, bauten wir ein großes Deutschlandrelief. Mit beiden Klassen war dies eine besonders gelungene Epoche.

An einem Deutschlandrelief können nicht mehr als 10 Schüler arbeiten, ansonsten steht man sich im Weg und die Arbeit wird unbefriedigend. Je nach Größe der Klasse entstehen also 2, 3 oder gar 4 große Deutschlandreliefs.

 

Im Folgenden möchte ich beschreiben, wie wir vorgegangen sind:

Ich besorgte mir zwei Verlegeplatten.

Ich legte sie quer auf zwei Schultische und verschraubte sie von unten mit zwei Leisten. Diese sollten den Platten genügend Festigkeit geben, damit wir aus Platzgründen nach der Stunde das Relief senkrecht an die Wand stellen konnten.

Nun wurde von mir ein Rastersystem angelegt. Ich zeichnete dieses mit einem schwarzen, dünnen Edding ein, damit die Schüler hinterher auf der Platte radieren konnten, ohne dass das Rastersystem verschwand. Die Ebenen wurden an allen Seiten durchnummeriert. Mit grünem Edding umrandete ich die Schülerfelder.

Jeder Schüler bekam nun eines dieser Felder auf der Platte zugewiesen, da sie sich im Schwierigkeitsgrad und vom Arbeitsaufwand her erheblich unterschieden. (Küste oder Alpen) Grundsätzlich kann man sagen: Je mehr Schichten gesetzt werden müssen, desto aufwendiger wird es.

 

Diese Dinge brauchten die Kinder:

  • einen Bleistift mit Radiergummi
  • einen roten Filsstift
  • eine große scharfe Schere oder ein Cuttermesser
  • Flüssigkleber
  • einen leeren Schuhkarton mit Namen
  • Arbeitskittel oder Arbeitshemd
  • Ein langes Lineal

 

Diese Regeln stellten wir für die praktische Arbeit auf:

  • Wir ziehen uns die Arbeitskittel an!
  • Wir gehen vorsichtig mit der Schere um!
  • Ist gekleckst worden, machen wir es sofort wieder sauber!
  • Wir einigen uns friedlich, wenn es eng wird am Relief: „Erst helf ich dir, dann hilfst du mir!“
  • Alle räumen am Ende mit auf!

Bei Regelüberschreitung musste das Kind auf seinen Sitzplatz gehen.

 

Nun begann die Arbeit:

Die Schüler bekamen von mir eine DIN A3 Kopie in die Hand, auf der die Höhenlinien von ganz Deutschland zu sehen waren. Selbstverständlich lag das gleiche Raster zugrunde wie auf den Platten.

Im ersten Schritt mussten nun die Schüler die Begrenzung ihres Rechtecks auf der Platte suchen und das gleiche Feld auf der Kopie mit einem hellen Wachsmalblöckchen einfärben.

Nun nahmen die Schüler einen weichen Bleistift und ein Radiergummi zur Hand und versuchten die Höhenlinien von der Kopie auf die Platte zu übertragen. Meine Schüler haben den Linienteil der Kopie, den sie gerade übertragen hatten, farbig anmalen. Damit konnten sie sich wesentlich besser orientieren.

Meine Aufgabe war es, nach dem Unterricht die gezeichneten Linien durchzugehen und sie mit einem roten Filzstift nachzuzeichnen, wenn sie richtig waren. War der Bleistiftstrich nicht rot, so wussten die Kinder am nächsten Morgen, dass darinnen ein Fehler liegt und sie mussten diesen Teil wieder wegradieren. Die Schüler kamen morgens immer sehr neugierig in die Klasse gelaufen, um zu sehen, was zum heutigen Tag wieder alles rot geworden ist. Tat sich ein Kind allzu schwer damit, so habe ich an den Kästchenrändern Orientierungspunkt gesetzt, die vom Schüler dann noch mit dem richtigen Schwung verbunden werden mussten.

Nun begann der nächste Arbeitsschritt. Hierzu brauchte man Pergament- oder Butterbrotspapier. Jeder Schüler musste es auf sein Rechteck aufbringen. Hatte es nicht die richtige Größe, so musste man es zusammenkleben. Jetzt nahm man vier Heftzwecken und steckte somit sein Pergament auf seinem Arbeitsplatz fest. Stand es jetzt an den Rändern über, so legte man ein langes Lineal an den Rand an und schnitt es mit dem Cuttermesser ab. War das Pergament exakt auf dem richtigen Platz befestigt, so wurden mit dem Filzstift die durchscheinenden Linien exakt und genau nachgefahren. Es war sinnvoll, dieses zweimal zu machen, damit man noch eine Sicherheitskopie hatte, falls doch ein Pergamentstückchen hinterher verloren ging.

Damit war der zweite Arbeitsschritt ebenfalls abgeschlossen, der dritte Arbeitsgang konnte beginnen. Dafür hatte ich mir längerfristig schon Pappkartons an die Seite geschafft. Am schönsten ist es, wenn sie die gleiche Stärke haben und nicht geknickt sind. Je dünner desto leichter lassen sie sich verarbeiten. Ein Schülervater hatte sie alle exakt auf die Größe von den Schülerarbeitsfeldern zurechtgeschnitten. Davon konnten wir eine Menge gebrauchen. Im Nachhinein zeigte sich, dass dies mehr als sinnvoll war, weil der folgende Arbeitsgang für einige Kinder ohnehin Hürden bereithielt.

Ich hatte mir in unserer Schulschreinerei Holzstangen (8 x 8 mm) besorgen, aus denen ich mit der Bandsäge ziemlich viele kleine Würfelchen sägte. Die Schüler ihrerseits brauchten jetzt eine scharfe Schere.

An diesem Punkt brauchten die Kinder Hilfe. Es geht jetzt darum, die Pappen zuzuschneiden. Es ist empfehlenswert für diesen Arbeitsschritt pro Relief eine Elternmutter zu organisieren, damit die Arbeit entspannt ablaufen kann. Der Erwachsene hat nun für die max. 10 Schüler im Blick zu haben, in welcher Höhenebene sie sich gerade befinden und was als nächstes vom Pergamentpapier weggeschnitten werden muss. Dafür hatte ich mir eine größere farbige Vorlage gefertigt, aus der übersichtlich die Höhenschichtung hervorging. Jeder Erwachsene brauchte eine solche Vorlage, in die er zur schnelleren Orientierung die Grenzen der Schülerrechtecke einzeichnet hatte. Schüler, die ihr Gebiet im Alpenvorland hatten, mussten zuerst mehrere vollständige Pappschichten aufbringen. Wie viele erfuhren die Schüler gegebenenfalls vom Erwachsenen.

Jetzt wird es kompliziert: Zuschnitt der Pappe
Der Schüler kam mit dem Pergament zum Erwachsenen, der mit einem dunklen Filsstift die Fläche auf dem Pergament schraffierte, die der Schüler wegschneiden sollte. Nun ging der Schüler wieder an seinen Platz und schnitt an der Linie entlang. Er behielt den unstraffvierten Teil, der straffvierte Teil kam in die Mülltonne. Jetzt suchte der Schüler eine Pappe aus, auf welcher sein Pergamentstücke gut Platz hatte und befestigte das Pergament auf der Pappe mit Heftzwecken. Nun nahm er seinen roten Filzstift und umrandet das Pergament auf der Pappe. Das Pergament wurde mit den Heftzwecken nun entfernt und sofort in den Schuhkarton gelegt, der dann verschlossen wurde. Vorsicht: Die Erfahrung lehrt, dass nichts so gern verloren geht, wie kleine Pergamentstückchen, die noch gebraucht werden! Geschah dies, so musste man auf die Pergamentsicherheitskopie zurückgreifen!

Jetzt schnitt der Schüler an seinem Tisch mit der Schere oder dem Cuttermesser seine Pappform aus und begabt sich damit zum Relief. Hier wurde sie zuerst auf den richtigen Platz gelegt, um sich beim Erwachsenen zu vergewissern, ob sie aufgeklebt werden kann.

 

Das Aufkleben:

Wir unterfütterten die aufzuklebende Pappe mit den kleinen Holzklötzchen und befestigten diese mit einem Tröpfchen Flüssigkleber. Dann kam ein Tröpfchen auf das Klötzchen und die Pappe konnte sorgfältig aufgelegt werden. Zum Beschweren der Pappe verwendeten wir mittelgroße Kieselsteine. Verwendet man eine Heißklebepistole, so geht’s schneller, dafür hat man aber ein Kabelproblem.
Nun ging das Kind erneut mit seinem Pergament zum Erwachsenen und ließ sich den nächsten Teil schraffieren, den es wegschneiden musste. Auf diese Weise wurden Schicht für Schicht auf das Relief aufgebracht.

Jetzt wurden die erwachsenen Helfer wieder entlassen. Für den nächsten Arbeitsschritt brauchten wir pro Relief ca. vier Eimerchen mit Tapetenkleister. Die Eimer stellten wir auf Stühle, die an den Ecken des Reliefs postiert waren. Zeitungspapier brachte ich selber mit, da ansonsten in so mancher Bild-Zeitung „Interessantes“ zu sehen gewesen wäre. Die Schüler lernten, dass Zeitungen eine Papierlaufrichtung haben, in der man sie gerade reißen kann (von oben nach unten, nicht quer). Es wurden also lange Streifen gerissen, die man mehrmals unterteilte.

 

Wir hatten für diesen Arbeitsgang auf dem Boden um das Relief herum Zeitungspapier ausgelegen, da dieser Arbeitsschritt nicht ohne Kleckerei abgehen würde. Die Kinder durften den „Zeitungslaufsteg“ nicht verlassen, bevor sie sich nicht auf einem feuchten Wischer ihre Füße gesäubert hatten.

Die Kinder tunkten nun das Zeitungsstückchen in den Kleister, streiften ihn ab und legten ihn schön über die Pappformen. Drei Schichten mit Zeitung sollten an jeder Stelle sein. Wir verwendeten möglichst wenig Kleister, weil sich ansonsten die Trocknungszeit verlängert hätte. Andererseits war es wichtig, dass das Zeitungspapier keine losen Enden hatte.

Ideal war es, als wir mit Abschluss dieses Arbeitsschrittes das Wochenende erreicht hatten. Jetzt musste das Relief gut trocknen. Davor es nicht trocken war, konnten wir nicht weiter machen.

Mit weißer Wandfarbe, die wir in Gläser füllten, malte jeder seinen Teil mit den Pinseln aus dem Malunterricht weiß an. Sie ließen sich zum Glück wieder reinigen.

Mit rotem Filzstift zeichnete ich am Nachmittag, die Grenzen Deutschlands in das Relief ein, mit blauem Filzstift die wichtigsten Flüsse. Ebenfalls markierte ich mit einem roten Punkt wichtige Städte.

Am nächsten Tag begannen wir, das Relief farbig anzumalen. Zuerst die Grenzen, die Flüsse und dann die Städte. In den Küstenbereichen mischten wir ein Grün, welches ganz viel Goldgelb hatte (Stockmarfarben). Je höher die Schichten waren, desto dunkler wurde das Grün, welches in ein Braun der Berge überging.

Der Rand des Reliefs bekam eine eigene Farbgebung. Am Kopf malten wir in großen Buchstaben: Deutschland, und es gab ein kleines weißes Feld, in dem alle Mitwirkenden unterschrieben.

Im letzten Schritt bastelten wir kleine Fähnchen für die Städte und Nachbarländer. Eine Fahnenschablone wurde auf gelbem Kartonpapier vervielfältigt und mit Städtenamen beschriftet und mit einem dünnen Klebeklecks mit einem Zahnstocher verbunden. Nachdem die Fahnen aufgestellt waren, waren auch wir mit unserem Deutschlandrelief fertig, und wie man auf dem Bild sieht, waren wir auch zu Recht stolz.

Während des Projektes, welches etwa 12 Tage dauerte, verkürzte ich meinen rhythmischen Teil ein wenig, damit eine Dreiviertelstunde am Relief mit Auf- und Abbau gearbeitet werden konnte.

Ich habe dieses Relief für diejenigen so ausführlich beschrieben, die Projekte in ähnlicher Richtung unternehmen möchten. Erstens müssen nicht alle die gleichen Fehler machen und zweitens bergen solche Projekte trotzdem immer unvorhergesehene Herausforderungen in sich.

 

DIE RELIEFKARTEN:

 

 

BILDER AUS MÖNCHENGLADBACH

Klassenlehrerin: Irma Schiefner (siehe Kommentar)

Mit 33 Kindern in der 5. Klasse haben wir 4 Reliefs mit je 8/9 Kindern gebaut in der Deutschlandepoche. Jedes Kind hat ein Din A 3 großes Stück "Deutschland" bearbeitet. Die Pappen und Transparentpapiere waren auf diese Größe zugeschnitten, was die Arbeit sehr erleichtert hat. Die Farben der Höhenschichten haben wir auf den Transparenten übernommen und auf die bereits geklebten Pappen geschrieben, was die Orientierung, auf welcher Höhe man gerade ist und was als nächstes geschnitten und geklebt werden muss sehr erleichtert hat. Mit 2-3 Eltern als Helfer haben wir bei einer täglichen Arbeitszeit von ca. 45 Minuten 12 Tage gebraucht, bis alles fertig war. Gute Organisation und guter Kleber (lösungsmittelfrei geht nicht!) haben den abstrakten Anfang gut gebahnt, nach einigen Tagen läuft es "von alleine". Es hat allen Beteiligten großen Spaß gemacht und die fertigen Reliefs sind sehr schön, stabil, aussagekräftig und für den weiteren Unterricht wunderbar einsetzbar. Aus der Schulgemeinschaft gab es viel Lob, von den Kindern durchgehend sehr positive Kommentare. Gute Organisation gewährleistet möchte ich das Projekt empfehlen.