Internetrecherche bei Referaten
Ein Beitrag von Uwe Buermann
Waldorfpädagogische Gesichtspunkte für die Zulassung von Internetrecherche bei Hausaufgaben und Referaten in der Mittelstufe.
Stillschweigen schafft nachhaltige soziale Ungerechtigkeit!
Sobald die ersten Referate verteilt werden, also ab der vierten Klasse in der Tierkunde, stellt sich die Frage mit welchen Materialien die SuS arbeiten sollen und dürfen. Wird diese Frage nicht bewusst von den Klassenkollegien in klarer Absprache mit den Elternhäusern behandelt, kommt es zwangsweise zu nachhaltigen sozialen Ungerechtigkeiten, die die Klassengemeinschaften bis in die Oberstufe hinein prägen werden und für einige positive, für andere negative Auswirkungen auf deren schulische Leistungen haben werden.
Solange hier keine Klarheit hergestellt wird, werden natürlich einzelne Elternhäuser für oder mit ihren Kindern Internetrecherche betreiben, oder im Einzelfall sogar die Kinder allein im Web nach Informationen suchen lassen. Dies setzt zum einen Voraus, das in den Familien die notwendige technische Ausstattung vorhanden ist (Internetfähige Geräte, Drucker, etc.), was sicher heute in den meisten Familien der Fall ist, aber eben noch nicht in allen. Zum anderen kommt es auf die jeweilige Medienkompetenz der Eltern an, inwieweit die Kinder bei der Materialiensuche begleitet und angeleitet werden. Da bekanntermaßen echte Medienkompetenz auch bei Erwachsenen nicht sehr weit verbreitet ist, muss es zu sozialen Ungerechtigkeiten kommen.
Leider geht auch bei vielen Erwachsenen das Suchverhalten im Internet nicht über Wikipedia und google hinaus, was zur Folge hat, dass die Kinder auch nur das übernehmen, mit den Gefahren, das Textpassagen übernommen werden, die vom Kind nicht verstanden werden, das Falschinformationen in die eigene Arbeit ungefiltert übernommen werden und, im Falle von der Nutzung von google, die Kinder schon in jungen Jahren anfangen eine individualisierte Internetblase anzulegen, die sie im Zweifelsfall für den Rest ihres Lebens begleiten und prägen wird.
In der Folge werden einzelne SuS mit von den Eltern oder ChatGPT generierten Texten und Präsentationen brillieren, ohne im Zweifelsfall selber etwas gelernt zu haben, andere sich falsches Wissen aneignen und Fakenews verbreiten und wieder andere, nämlich all jene, die sich selber das Thema aus Büchern und Beobachtungen erschlossen haben, das Gefühl entwickeln, dass ihre Berichte und Darstellungen nicht „gut“ genug sind. Eine derartige Entwicklung, wie sie leider zurzeit in vielen Waldorfschulen zu beobachten ist, ist zutiefst bedenklich, da sie den Grundlagen der Waldorfpädagogik absolut widerspricht.
Hier helfen nur klare und bewusste Aufgabenstellungen und Handlungsvorgaben für alle beteiligten, Klassenkollegium, Elternschaft und Schüler*innen, die von allen konsequent mitgetragen und umgesetzt werden.
Die drei möglichen Handlungsvorgaben
Der rein analoge Weg
Internetrecherche wird, bis zu einem gewissen Alter, grundsätzlich untersagt. Das heißt, die SuS sind gehalten ausschließlich Bücher, Lexika und Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften für die Bearbeitung ihrer Hausaufgaben und Referate zu nutzen.
Hierfür spricht, dass die SuS auf diese Weise mehrfach übend lernen, sich in einer Bibliothek, in Lexika und Nachschlagewerken zu orientieren, verschiedene Textformate zu bearbeiten und korrekt zu zitieren. Dies alles sind wesentliche Bausteine für eine echte Medienkompetenz, die sich auch im Jahre 2024 nicht nur auf digitale Medien beziehen darf, sondern alle Medienformate umfassen muss.
Wichtig hierbei ist, dass den SuS die notwendigen Materialien über die Schule, beziehungsweise die Klasse zugänglich gemacht werden müssen, um hier Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Gerade in ländlichen Regionen sind Bibliotheken mitunter für Familien schwer erreichbar und sehr unterschiedlich in ihrem Angebot. Es muss also entweder dafür gesorgt werden, dass in der Schul- oder Klassenbibliothek die notwendigen Nachschlagewerke und Bücher in ausreichender Anzahl vorhanden sind, oder die Lehrerin, der Lehrer verteilt zu den Referatsthemen die dazugehörigen Materialien. Hierbei kann es helfen im Vorfeld auf einem Elternabend die Eltern in die Planung einzubeziehen und zu bitten, etwaige analoge Materialien zur Verfügung zu stellen.
Internetrecherche als Option
Sobald Materialien aus dem Internet als Option zugelassen werden, muss es eine verbindliche, altersgemäße Einführung in Internetrecherche von Seiten der Schule geben. Hierfür sollte eine Doppelstunde ausreichend sein, bei der den Kindern und oder Jugendlichen verschiedene altersgemäße Suchmaschinen und erweiterte Suchfunktionen präsentiert werden. Konkrete Tipps hierzu finden sich unter: https://www.internet-abc.de/eltern/familie-medien/suchen-finden-hausaufgaben/suchen-und-finden-im-internet-suchmaschinen-und-suchwerkzeuge/. Auf google sollte prinzipiell verzichtet werden, hier gilt es Suchmaschinen wie www.qwant.com, www.duckduckgo.com und ähnliche vorzustellen.
Wichtig ist auch hier den Kindern und Jugendlichen das richtige Zitieren von Anfang an beizubringen (komplette URL, Datum und Uhrzeit).
Parallel dazu werden von schulischer Seite, wie bereits oben erwähnt, die notwendigen analogen Materialien zur Verfügung gestellt.
Reine Internetrecherche
Für diesen Fall muss neben der gerade geschilderten Einführung in altersgemäße Recherche und alternative Suchmaschinen, dass von schulischer Seite die notwendigen Geräte zur Verfügung gestellt werden müssen. Entweder gibt es einen Computerraum, der von der Klasse genutzt werden kann, was dann bedeutet, dass die Referate in der Schulzeit erstellt werden. Oder es muss im Vorfeld geklärt werden, welche Familien keine eigenen Geräte besitzen, die dann von der Schule als Leihgeräte zur Verfügung gestellt werden. In jedem Fall sollten die SuS die Möglichkeit bekommen in der Schule Dokumente ausdrucken zu können.
Es ist Ihre Entscheidung
Natürlich entscheiden Sie als Lehrerin oder Lehrer, welchen Weg sie wann wählen wollen, aber wenn Sie sich entscheiden, dann bitte bewusst und tragen Sie die dazugehörigen geschilderten Konsequenzen.
Wenn wir auf die Entwicklung der Kinder schauen und die aufsteigende Entwicklung von Medienkompetenz, sollte mindestens bis einschließlich Klasse 6 der rein analoge Weg beschritten werden. Nur so können wir die Kinder vor der Konfrontation mit nicht altersgemäßen Inhalten konsequent schützen. Es spricht auch nichts dagegen, diesen Weg bis einschließlich achter Klasse zu gehen, wenn die oben genannten Bedingungen eingehalten und umgesetzt werden. Spätestens dann müssen die nächsten Schritte erfolgen.
Keiner hat gesagt, dass Erziehung zur Medienkompetenz einfach ist, aber als wache Zeitgenossen und Waldorfpädagogen müssen wir uns auch dieser Herausforderung bewusst und verantwortungsvoll stellen.